Der Grieche Stefanos Tsitsipas ist einer der letzten Vertreter, die auf die einhändige Rückhand setzen.
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Sie müssen jetzt ganz stark sein. Setzen Sie sich besser hin. Die Tage, an denen wir Dominic Thiem fasziniert zujubeln, wenn er mit seiner Rückhand einen Ball entlang der Linie jagt, sind bald vorbei. Das liegt nicht nur an seiner aktuell ausbaufähigen Form, nein, Thiem ist irgendwo einer der Letzten seiner Art. Die einhändige Rückhand stirbt aus. Mit dem Griechen Stefanos Tsitsipas fiel diese Woche der letzte einhändige Rückhandspieler aus der Top Ten der Weltrangliste.

Die einhändige Backhand ist quasi eine Kunstform. Die alten Meister sind Stan Wawrinka, Roger Federer, Grigor Dimitrow, Richard Gasquet und sicher auch Thiem. Was fällt auf? Federer spielt gar nicht mehr, die anderen sind im Herbst ihrer Karrieren. In den Top 100 der Weltrangliste spielen gerade einmal elf Spieler die Rückhand einhändig, der Italiener Lorenzo Musetti ist mit 21 Jahren der deutlich Jüngste.

Dabei ist die einhändige Rückhand in ihrer Ästhetik ein Schauspiel für sich. Die Voraussetzungen sind anspruchsvoll: Es braucht eine perfekte Abfolge, man muss perfekt zum Ball stehen, der Treffpunkt muss passen. Sonst macht man sich schnell zum Clown. Wenn sie passt, ist es ein Gemälde von einem Schlag, wenn nicht, fliegen Ball und Selbstwert irgendwohin. Ist es das Risiko wert? Der Trend sagt Nein.

Trendig

Tennis hat sich – wie quasi alle Sportarten – immens entwickelt. Es ist ein ständiger Wandel: Athletik, Material und Tempo sind nicht mehr vergleichbar mit den 2000ern, wenn man sich die Spiele von noch früher ansieht, denkt man, einen anderen Sport zu sehen. Die einhändige Rückhand gibt es schon lange, besonders in den 1940er-Jahren wurde sie immer populärer. Später sollte Rod Laver das Geschehen prägen und seine legendären Erfolge mit einer bestechenden einhändigen Rückhand feiern. Dabei war vor allem auffällig, dass dabei schon ein Hauch von Topspin zu bemerken war. Also eine Rotation des Balls. Bis zu den Zeiten, in denen der Topspin zur State of the Art wurde, sollte es aber noch dauern. Nicht zu verwechseln ist die einhändige Rückhand übrigens mit dem Slice, also dem Schneiden des Balls.

Ab den 1980er-Jahren wurde die Tenniswelt auch von einhändigen Rückhänden dominiert: John McEnroe, Boris Becker, Stefan Edberg, später auch Pete Sampras bis schließlich Roger Federer und vor allem sein Schweizer Landsmann Stan Wawrinka den Schlag perfektionierten.

Bei den Frauen ist die Einhändige besonders selten, aktuell vertrauen nur drei Spielerinnen in den Top 100 auf den Schlag. Die vielleicht Beste war die Belgierin Justine Henin, die zwischen 2003 und 2007 sieben Grand-Slam-Titel damit gewann. Warum sie die Rückhand einhändig spielt? "Ich habe Stefan Edberg und Steffi Graf gesehen, und es war einfach wunderschön", sagte sie in einem Interview.

Als Kind wurde ihr eigentlich geraten, den Bi-Händer zu verwenden, weil "ich nicht kräftig genug war". Und da sind wir schon bei der Problematik, die der einhändigen Rückhand so zusetzt und sie immer weiter an den Rand der Tennisgeschichte drängt: Für Kinder ist der Schlag besonders schwer zu lernen, wenn man mit beiden Händen am Racket ist, gibt das Sicherheit und Stabilität.

Günter Bresnik, Tenniscoach, sagte kürzlich der "Kleinen Zeitung", dass "Kinder immer früher mit dem Tennisspielen beginnen. Und die Möglichkeit für ein Kind, die Rückhand mit nur einer Hand zu schlagen, geht gegen null." Später "von der zweihändigen auf die einhändige Rückhand umzustellen ist ein extremer Aufwand und nicht sehr schlau", sagt der einstige Coach von Thiem. Dass diese Umstellung gerade bei seinem ehemaligen Schützling funktionierte, lag daran, dass "seine beidhändige Rückhand nicht gut war". Fun Fact: Nur ein einziger Spieler wechselte während seiner Karriere den Rückhandstil: der Australier Paul McNamee 1979.

Nostalgie

Die Vorteile des Bi-Händers sind offensichtlich: mehr Kontrolle, bedeutend mehr Stabilität beim Return, mehr Sicherheit in den Schlägen. Besonders bei der Power, die mittlerweile im Tennis gang und gäbe ist. Dass das auf Kosten der Ästhetik geht, dürfte den Topspielern wie Novak Djokovic, Carlos Alcaraz, Jannik Sinner und Rafael Nadal ziemlich wurscht sein. Wer gewinnt, hat recht.

Und doch wird die einhändige Rückhand ihren prominenten Platz in der Tennisgeschichte haben, sie wird von Nostalgie, Schönheit und Staunen umwoben sein. Früher war nicht alles besser, sondern eben anders. (Andreas Hagenauer, 23.2.2024)