Parkplatz
Viele Menschen bekamen in den vergangenen Jahren Abmahnungen eines Wiener Unternehmens, weil sie über private Parkplätze fuhren.
Getty Images/iStockphoto

Fälle wie dieser kommen in der Praxis immer wieder vor: Ein Autofahrer hält kurz auf einem privaten Parkplatz und wird dabei gefilmt. Wenig später trudelt bei ihm das Schreiben eines Unternehmens ein: Weil er den Besitz des privaten Parkplatzbetreibers gestört habe, müsse er mit einer Klage und 1.000 Euro Verfahrenskosten rechnen – außer er bezahlt gleich 400 Euro.

Der Oberste Gerichtshof (OGH) dreht dieser Praxis nun den Hahn zu: Das "gewerbsmäßige Abmahnwesen bei Besitzstörung" sei unzulässig. Der Grund: Es handle sich dabei um eine "außergerichtliche Rechtsdurchsetzung", die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten vorbehalten sei (OGH 25.1.2024, 4 Ob 5/24z).

Umstrittenes Unternehmen "Zupf di"

Anlass der aktuellen Entscheidung war das Unternehmen Zupf di, das in den vergangenen Monaten immer wieder in der Kritik stand, gezielt mit privaten Parkplatzbetreibern zusammenzuarbeiten. Eine Wiener Rechtsanwaltskanzlei war gegen diese Praxis vor Gericht gezogen.

Auf Anfrage des STANDARD betont Zupf Di, dass es sich bei der Entscheidung lediglich um die Erlassung einer einstweiligen Verfügung handle, also um ein vorläufiges Verfahren. Der OGH-Beschluss mute "eigenartig" an, zumal "sowohl das Handelsgericht Wien als auch das Oberlandesgericht Wien unseren Argumenten vollinhaltlich gefolgt sind". Man werde die Entscheidung "genau analysieren und die weitere Vorgehensweise zusammen mit unserem Rechtsanwalt besprechen".

Dass die Gerichte im nun folgenden Hauptverfahren anders urteilen, gilt nach der recht ausführlich begründeten OGH-Entscheidung aber als eher unwahrscheinlich.

Recht der Rechtsanwälte

Laut der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs hat Zupf di eine "Gewerbeberechtigung für das Sicherheitsgewerbe und für Informationstechnik". Es biete "im geschäftlichen Verkehr Abmahnungen bei Besitzstörungen an".

Konkret funktioniert das Geschäftsmodell so: Parkplatzeigentümer, die sich in ihrem Besitz gestört fühlen, können sich online bei Zupf di melden. Das Unternehmen ermittelt dann die Halterdaten und übermittelt dem Falschparker eine Unterlassungserklärung. Dabei wird der Autofahrer zu einer pauschalen Zahlung von 399 Euro aufgefordert. Die Hälfte davon geht an den Parkplatzbetreiber, die andere Hälfte an Zupf di. Man schütze damit "ganz gezielt den Besitz von Herrn und Frau Österreicher", heißt es auf der Website des Unternehmens.

Der Oberste Gerichtshof erteilt diesem Geschäftsmodell nun eine Absage: Die "berufsmäßige Parteienvertretung" sei Rechtsanwälten vorbehalten, sowohl in gerichtlichen als auch außergerichtlichen Angelegenheiten. Ein unzulässiger Eingriff in diesen "Vertretungsvorbehalt" liege schon dann vor, wenn "einzelne oder auch nur eine einzige Tätigkeit aus dem Gesamtspektrum der den Rechtsanwälten vorbehaltenen Tätigkeiten gewerbsmäßig ausgeübt wird".

"Sehr zu begrüßen"

Aus Sicht von Armenak Utudjian, Präsident der österreichischen Anwaltschaft, ist die Entscheidung des OGH "sehr zu begrüßen und ein wichtiger Schritt zum Schutz der Konsumentinnen und Konsumenten". Derartige gewerbliche Geschäftsmodelle seien "nicht nur fragwürdig, sondern auch bedenklich".

"Wie der OGH festhält, räumt der Gesetzgeber Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten mit gutem Grund eine besondere Stellung im Rechtsstaat ein. Sie unterliegen nämlich strengen berufs- und disziplinarrechtlichen Vorschriften, um die rechtsuchende Bevölkerung bei der Rechtsdurchsetzung zu schützen", sagt Utudjian dem STANDARD. Durch die disziplinarrechtliche Aufsicht der Rechtsanwaltskammern sei sichergestellt, dass missbräuchliches Vorgehen geahndet werden könne.

Das Geschäftsmodell von Zupf di wäre der Anwaltschaft laut Utdujian schon allein aufgrund des Quota-litis-Verbots untersagt. Damit ist gemeint, dass sich Anwälte nicht einen bestimmten Prozentsatz der erstrittenen Geldsumme einverleiben dürfen – im aktuellen Fall von Zupf di waren das die erwähnten 50 Prozent.

Viele Fälle

In den vergangenen Monaten und Jahren haben verschiedene Medien immer wieder die Mahnschreiben von Zupf di aufgegriffen. Berichtet wurde etwa über Fälle in Villach, Salzburg und Wien. In einem Interview mit ORF-"Eco" erklärte das Unternehmen, dass es vom Bodensee bis zum Neusiedler See eine wachsende Anzahl an Kunden habe.

Mit "illegalen Machenschaften, Abzocke oder Schikanen" habe man nichts zu tun, erklärt Zupf di auf seiner Website. Es gebe Unternehmen, die sich durch unlautere Machenschaften wie das gezielte Anmieten und anschließende Überwachen leerstehender Flächen oder anderer fragwürdiger Vorgangsweisen teils eine goldene Nase verdienen. "Das ist für uns ein absolutes No-Go. Wir überprüfen die an uns abgetretenen Fälle hinsichtlich ihrer Plausibilität", heißt es. (Jakob Pflügl, 23.2.2024)