"Ich hoffe, dass ich in Ihrem Land eine gute Krankenschwester sein kann", sagt Jenniffer. Sie lebt in Kolumbien und wird bald in Österreich als Pflegekraft arbeiten. Jenniffer ist eine der Frauen aus Kolumbien, die ORF-"Schauplatz"-Reporterin Beate Haselmayer für ihre Reportage "Pflegekräfte aus Kolumbien" – zu sehen am Donnerstag um 21.05 Uhr in ORF 2 und danach in der ORF-Mediathek – getroffen hat. Bis 2050 werden 200.000 Pflegekräfte fehlen, rechnet Moderator Peter Resetarits vor. Agenturen werben um Pflegekräfte im Ausland, sie sollen bereit sein, ihr bisheriges Leben aufzugeben und nach Österreich zu ziehen. Haselmayer war in Bogotá und hat recherchiert, wie diese Agenturen arbeiten. Sie hat mit künftigen Pflegekräften darüber gesprochen, was sie sich erwarten, und auch darüber, was sie aufgeben, um unsere Kranken zu betreuen.

Jenniffer Espirel reist in ein paar Monaten ohne ihre beiden Töchter nach Österreich, um dort in einem Krankenhaus zu arbeiten.
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"Ich habe Kinder, die verzweifelt sind, weil sie für ihre Eltern keinen Pflegeplatz bekommen und zu Hause völlig überfordert sind", sagt der Halleiner Bürgermeister Alexander Strangassinger. "Das ist eine menschliche Katastrophe." Man müsse schauen, dass man Personen aus anderen Ländern finde und einschule, die "die Menschen dann bei uns versorgen".

In Bogotá, der Hauptstadt von Kolumbien, leben mehr als zehn Millionen Menschen. Im Norden der Stadt besucht Haselmayer eine Deutschschule, betrieben wird sie von einer Personalvermittlungsagentur. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben schon eine fixe Jobzusage in Österreich. Haselmayer ist bei Jenniffer zu Hause eingeladen, bald wird die Frau ohne ihre Töchter nach Österreich reisen, um hier zu arbeiten. Die Mädchen sind traurig, "aber Mama macht das, damit es uns besser geht", sagt die achtjährige Tochter. Leicht ist es freilich auch für Jenniffer nicht, aber sie weiß, dass die Kinder bei ihrer Mutter gut aufgehoben sein werden: "Sie hat mich immer zu 100 Prozent unterstützt. Auch jetzt ist sie für mich da.“ Jenniffers Mutter will, dass es ihren Töchtern gut geht: "Alle haben es schwer, aber die Jungen ganz besonders. Wir haben ein Handwerk erlernt und kommen irgendwie zurecht. Mit Berufsausbildung ist es aber oft sehr schwer. Viele arbeiten für sehr, sehr wenig Geld, das einfach nicht zum Leben reicht", sagt sie.

In einer Sprachschule in Bogotá lernen Jenniffer und ihre Kolleginnen Deutsch.
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Die 26-jährige Mariana Morales Avila aus Bogotá arbeitet seit einigen Monaten in einer Pflegeklinik in Hall in Tirol. Hochdeutsch spricht sie mittlerweile gut, aber der Tiroler Dialekt sei wie eine neue Sprache für sie. "Ich bin glücklich, hier zu sein. Österreich ist ein sicheres Land, und ich kann hier viel mehr verdienen als in Kolumbien", sagt sie. Ihr siebenjähriger Sohn lebt bei den Großmüttern in Bogotá, Mariana will ihn nach Österreich holen. Mittlerweile seien 170 kolumbianische Pflegekräfte in Österreich im Einsatz, rechnet Haselmayer vor.

Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung

Josef Missethon ist Gründer der Vermittlungsagentur Talent and Care, er schwärmt über das Ausbildungssystem dort. Er sieht eine "hohe Wertekompatibilität zu Österreich.“ Pflegerinnen und Pfleger aus Drittstaaten können eine sogenannte Rot-Weiß-Rot-Karte beantragen – eine Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung für Österreich. Für das Seniorenwohnheim braucht der Bürgermeister in Hallein mindestens 15 Pflegekräfte. Josef Missethon hat dem Bürgermeister ein Angebot gemacht. Für jede vermittelte Arbeitskraft müsse die Stadtgemeinde Hallein 13.000 Euro an die Agentur bezahlen.

In Kolumbien lernt Haselmayer auch ein junges Paar kennen, die beide bald als Pflegekräfte in Österreich arbeiten werden. "Es ist ein Vorteil, als Paar nach Österreich zu gehen. Wir sind füreinander da, wenn wir Unterstützung brauchen. Zum Beispiel bei der Sprache. Wenn ich etwas nicht verstehe, versteht sie es vielleicht schon und hilft mir. Wir können uns gegenseitig ergänzen", sagt der junge Mann.

In Hall in Tirol werden Patientinnen und Patienten von Mileidys und Mariana aus Kolumbien betreut.
In Hall in Tirol werden Patientinnen und Patienten von Mileidy und Mariana aus Kolumbien betreut.
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Werbung für Österreich

Frederik Metlewicz – er ist Geschäftsführer der österreichischen Personalvermittlungsagentur Talent and Care – macht in Kolumbien Werbung für Österreich, bei einem Vortrag in Bogotá schwärmt er von der geringen Kriminalität hier, vom Gehalt, von der Arbeitszeit. "Es ist nicht schwierig, Österreich gut darzustellen, Österreich hat viele Vorteile", sagt Metlewicz. Auch andere Länder werben natürlich um Arbeitsplätze, hier müsse Österreich herausstechen. Beate Czegka leitet das Pflegemanagement der Pflegeklinik in Hall in Tirol: "Wir wählen nur Vermittlungsagenturen aus, bei denen die Pflegekräfte nichts zahlen müssen oder nichts zurückzahlen müssen, wenn sie das Programm abbrechen", sagt sie. Die Konzepte müssten so sein, dass das ein guter Prozess ist. In den nächsten zwei Jahren sollen 54 Kolleginnen und Kollegen aus Kolumbien aufgenommen werden: "Wir hoffen, dass es allen gut gefällt."

Sebastian will für immer in Österreich bleiben, sein Leben hier verbringen. Ein Tiroler Kollege freut sich: "Dass die Kollegen da sind, finde ich gut, sonst hätte ich halt keine Kollegen oder nicht so viele." Er bringt Sebastian und Mariana Skifahren bei und freut sich, wenn sie dabei Spaß haben. Zwei Stunden täglich lernt Mariana Deutsch, sie will Diplompflegerin werden, dafür muss sie Deutsch auf Maturaniveau beherrschen. Mit ihrem Sohn hat sie täglich Kontakt, per Video bringt sie ihm ein wenig Deutsch bei.

Mariana ist Mutter des 7-jährigen Bruno, diee 26-Jährige möchte ihn so schnell wie möglich nach Österreich bringen.
Mariana ist Mutter des siebenjährigen Bruno – die 26-Jährige möchte ihn so schnell wie möglich nach Österreich bringen.
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Für eine bessere Zukunft

Marianas Mutter ist stolz auf sie: "Sie hat so viele Opfer gebracht. Ich sage ihr immer, dass sie ist eine echte Kämpferin ist. Sie wollte ins Ausland, und sie hat dafür gekämpft. Und sie hat es aus eigener Kraft geschafft." Bruno soll bald zu seiner Mama nach Österreich übersiedeln: "Der Kleine wird mir sehr fehlen. Aber ich weiß, dass er dort eine bessere Zukunft hat, dass es ihm bei seiner Mama gut gehen wird", sagt seine Oma in Bogotá. Und im Mai wird sich Jenniffer von ihren Töchtern verabschieden müssen, um unsere Kranken und älteren Menschen hier in Österreich zu pflegen. (Astrid Ebenführer 29.2.2024)