Nördlich der Donau und fernab jeder Hektik am Rande eines Grünzuges liegt das naturnahe Hirschfeld. Nur ein kurzer Spaziergang ist es von hier zum Marchfeldkanal und zum angrenzenden Wald- und Wiesengebiet: ein idealer Ort also zum Leben. So zumindest bewirbt der Immobilienentwickler Austrian Real Estate sein Vorzeigeprojekt hier am Rande Wiens. Von Wald-und-Wiesen-Romantik ist hier Dienstagmittag wenig zu spüren. Die Anlage ist noch eine Großbaustelle, Bauarbeiter schwirren hier herum, um die mehr als 400 Wohnungen bis Anfang 2025 zu errichten.

Dazwischen, nicht ganz ins Bild passend: rund ein Dutzend Polizisten und ein paar Dienstlimousinen, Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne). Die beiden rückten hier mit einem Tross an Journalisten und Presseleuten an, um das neue Hilfspaket der Regierung für die Baubranche zu präsentieren. Das ungewöhnliche Setting für die Pressekonferenz: der Rohbau eines der Gebäude. Hier tut sich etwas, soll offenbar die Botschaft der PR-Leute ans Volk lauten.

Der Wohnbau soll stärker gefördert werden.
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Ob der Ausflug notwendig ist, sei dahingestellt, aber es tut sich tatsächlich etwas. Kogler und Nehammer werden einiges ausgeben für die Bau- und Wohninitiative. Eine Milliarde Euro zusätzlich für den geförderten Wohnbau wird es geben, und zwar in den Jahren 2024 bis 2026. Zum Vergleich: 2022 wurden insgesamt 1,9 Milliarden Euro in diesem Rahmen ausbezahlt, 2023 dürfte es etwas weniger gewesen sein. Die Wohnbauförderung wickeln die Länder ab.

Video: Regierung investiert eine Milliarde Euro in Wohnbau.
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Insgesamt sollen damit 25.000 Wohnungen neu auf den Markt kommen: 10.000 Wohnungen für den Mietmarkt, noch einmal 10.000 für künftige Eigentümer. 5.000 Wohnungen sollen saniert werden, heißt es in der Regierungsvereinbarung.

Vom Tisch ist der 100.000-Euro-Bonus für Häuslbauer, ein nicht rückzahlbarer Zuschuss, wie ihn die Sozialpartner ins Spiel gebracht haben. Für gut betuchte Eigenheimerwerber wird es allerdings dennoch eine neue Förderung geben: Die Nebengebühren für den Erwerb des ersten Eigenheims werden abgeschafft, und zwar die Grundbucheintragungsgebühr sowie die Pfandrechtseintragungsgebühr. Das soll für Anteile an der Immobilie bis zu einem Wert von 500.000 Euro gelten. Laut Berechnungen der Koalition soll das Eigenheimkäufern eine Ersparnis von bis zu 11.500 Euro im Maximalausbau bringen. Die Gebühren sollen für zwei Jahre gestrichen werden. Kostenpunkt: Um die 100 Millionen Euro.

Stärker bezuschusst werden sollen auch die Länder, die im Gegenzug günstigere Wohnbaukredite anbieten können sollen.

Einen Handwerkerbonus wird es ebenfalls geben: Bis zu 2.000 Euro sollen über diesen Weg abgeholt werden können, maximal aber 20 Prozent der Ausgaben. Kostenpunkt: 300 Millionen Euro. Eine weitere Neuerung, was vor allem ein Wunsch der Grünen war: Die Regierung will den Ländern künftig weitreichendere Möglichkeiten geben, um eine Leerstandsabgabe einzuheben. Aktuell können die Länder eine solche Abgabe schon einheben, müssen dabei aber enge Grenzen beachten. Einen Wohnraummobilisierungscharakter darf die Abgabe nicht annehmen. Das soll sich ändern, wobei für Gesetz eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist. Vizekanzler Kogler sprach davon, eine solche Leerstandsabgabe sei nicht nur für Wien, sondern auch für andere größere Städte wie Salzburg und Innsbruck interessant.

Experten: Lob für Leerstandsabgabe

Und was sagen Experten? "Das ganze geht in die richtige Richtung", sagt der Wohnbauexperte des Forschungsinstituts Wifo, Michael Klien. Das Programm sei in erster Linie ein Programm zur Schaffung von Wohnraum, das sei sinnvoll. Sei der Handwerkerbonus nicht ein Geschenk, weil nun Menschen, die ohnehin renovieren wollen, zusätzlich Geld bekommen? Einerseits ja, sagt Klien, zugleich sei der Selbstfinanzierungsgrad der Maßnahme recht hoch, weil noch immer viele Handwerker schwarz bezahlt werden. Auch die Leerstandsabgabe hält er für sinnvoll.

Der Innsbrucker Verfassungs- und Verwaltungsrechtsexperte Peter Bussjäger lobt die geplante Reform, um die Länder höhere Leerstandsabgaben einheben zu lassen. Aktuell legt ein Urteil des Verfassungsgerichtes fest, dass die Länder solche Abgaben zwar einheben können. Allerdings nur in so einer Höhe, dass damit keine echte Wohnpolitik gemacht wird, also etwa niemand bewogen wird, allein wegen der Abgabe die Wohnung doch auf den Mietmarkt zu geben. Beispiel: In Tirol können Gemeinden eine Leerstandsabgabe einheben, aber diese darf für eine Wohnung von bis zu 150 m2 maximal 100 Euro im Monat betragen. Das liege daran, dass Wohnraumbewirtschaftung eine Bundeskompetenz ist. Wird diese Bestimmung in der Verfassung gestrichen, so können die Länder deutlich höhere Abgaben einheben. "Das kann tatsächlich den Effekt haben, dass mehr Wohnungseigentümer vermieten", so Bussjäger.

Positiv überrascht zeigt sich auch Oliver Picek, vom arbeitnehmernahen Momentum-Institut, wegen des starken Fokus auf den sozialen Wohnbau. Eine potenzielle Verschwendung von Steuergeld, den der Bonus für den Eigenheimerwerb gebracht hätte, sei dagegen zum Glück vom Tisch.

Das arbeitgebernahe Agenda Austria Institut sieht die Milliarde für den Wohnbau prinzipiell sinnvoll. Allerdings sei das System in Österreich strukturell nicht gut aufgestellt, sagt der Ökonom Jan Kluge. So erhalten ja die Länder schon jetzt jährlich viel Geld für Wohnbau, diese Mittel seien nicht zweckgebunden, Länder nutzen die Gelder immer wieder anderwärtig. Das sei problematisch. Zustimmung gibt es auch für die Abschaffung der Nebengebühren beim Wohnungs- und Hauskauf.

Die Bauindustrie befindet sich nach einer langen Boomphase in einem Abschwung. Laut Prognose der Wirtschaftsforscher sollen die Neuinvestitionen in den Bausektor, staatliche wie private, heuer bei 36,59 Milliarden Euro liegen. Das ist nominell ein Rückgang von 7,3 Prozent seit 2022, inflationsbereinigt sind es mehr als 20 Prozent minus. Insgesamt wurden im Vorjahr laut dem Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen von Wohnbauforscher Wolfgang Amann 45.000 Bewilligungen für neue Wohnungen und Häuser erteilt. Das ist der niedrigste Wert seit 2005 – obwohl inzwischen die Bevölkerung deutlich gewachsen ist. Allerdings waren die Jahre davor Rekordjahre für die Neuerrichtung von Wohnraum. Die seit 2021 stark gestiegenen Baukosten sind ebenfalls noch nicht rückläufig, sondern haben sich nach einem Plus von 30 Prozent nur stabilisiert. Bei einer eingebrochenen Nachfrage würde man erwarten, dass die Preise zurückgehen – außer der Sektor hat auf ein Hilfspaket gewartet. (András Szigetvari, 27.2.2024)