Wirklich glücklich ist wohl kaum ein Unternehmen, wenn es durch neue Gesetze zu Änderungen an seinen Services gezwungen wird. Nur wenige kommunizieren ihren Widerwillen aber dermaßen offen, wie es Apple derzeit bei der Umsetzung des Digital Markets Act (DMA) der EU macht.

Die Öffnung des iPhones für andere App-Stores stellt Apple als Sicherheitsgefahr für die eigenen User dar, die konkrete Umsetzung ist denn auch so ausgefallen, dass schnell die Worte "Farce" und "Verhöhnung" die Runde machten. Mit allerlei neuen Gebühren sorgt man dafür, dass die Nutzung dieses neuen Angebots für die meisten App-Entwickler komplett illusorisch bleibt.

Weg mit Web-Apps

Doch wie sich in den vergangenen Wochen gezeigt hat, hat Apple noch eine weitere Einschränkung für europäische Nutzerinnen und Nutzer parat, die das Unternehmen zunächst nicht kommuniziert hatte. Mit dem kommenden Update auf iOS 17.4, bei dem die Möglichkeit für alternative App Stores eingeführt wird, wird auch die Unterstützung für Progressive Web Apps (PWA) gestrichen. Also die Möglichkeit, aufwendige Web-Apps am iPhone abzuspeichern.

Der Digital Markets Act (DMA) macht Apple wenig Freude, und das merkt man.
AFP/KENZO TRIBOUILLARD

Hatten manche die Entfernung der PWAs zunächst noch für einen Fehler in Vorversionen von iOS 17.4 gehalten, hat Apple diesen Schritt mittlerweile bestätigt. Der Grund dafür sei eine durch den DMA erzwungene Öffnung, wie das Unternehmen argumentiert. Apple darf andere Browser nicht mehr beschränken. Diese können künftig eine eigene Rendering-Engine, also den technischen Unterbau zur Anzeige von Websites, verwenden. Bisher müssen alle Browser am iPhone – egal ob Safari, Chrome oder auch Firefox – Apples eigene Rendering-Engine Webkit verwenden.

Argumentation

Apple führt nun Sicherheits- und Datenschutzargumente für die Streichung dieser Funktion an. Da Web-Apps künftig auch auf anderen Rendering-Engines laufen könnten, habe man keine Kontrolle mehr über diese. Damit könnten sich theoretisch bösartige Web-Apps am Gerät der User verankern und auf deren Daten zugreifen. PWAs haben mehr Möglichkeiten als normale Websites, können sich vor allem besser in das System integrieren und wie "echte" Apps den gesamten Bildschirm nutzen.

Wolle man den befürchteten Missbrauch verhindern, müsste man iOS grundlegend umgestalten und eine ganz neue Infrastruktur für Web-Apps schaffen. Angesichts dessen, dass Web-Apps nur wenig genutzt werden, wie Apple versichert, hält man eine solche Investition aber für nicht gerechtfertigt. Also habe man sich entschlossen, den Web-App-Support ganz zu streichen. Die Möglichkeit, Links auf Websites auf dem Homescreen zu speichern, soll aber bleiben.

Motivation

Mit dem Hinweis auf die technische Komplexität versucht Apple wohl ein naheliegendes Argument zu entkräften: dass all das unter Android sehr wohl möglich ist. Naheliegender ist insofern eine andere Motivation: Apple war nie ein großer Fan von Web-Apps. Das aus einem simplen Grund: Ermöglichen sie doch die Sperren des App Stores und dort vor allem die finanzielle Kontrolle von Apple über alle Bezahlvorgänge zu umschiffen.

In den vergangenen Jahren musste sich Apple immer wieder Kritik von anderen Browserherstellern anhören, weil das Unternehmen die PWA-Unterstützung sehr spät und oftmals auch unvollständig implementiert hat. Gleichzeitig konnte Apple jedes Mal auf Web-Apps verweisen, wenn die strikte Kontrolle über iOS in der politischen Debatte kritisiert wurde. Diese Rolle hat sich nun aber mit der "Öffnung" für andere App-Stores erledigt.

Die EU prüft

Die Streichung der PWAs hat in den vergangenen Wochen bereits für viel Kritik an Apple gesorgt. Nun macht aber auch die EU klar, dass man das nicht so einfach akzeptieren wird. Gegenüber der "Financial Times" betont die EU-Kommission, dass man eine Untersuchung zu dem Thema eingeleitet hat.

In einem ersten Schritt sollen dabei nun betroffene Entwickler befragt werden, dies stellt üblicherweise die Vorstufe für eine größere Untersuchung dar. In Kombination mit der bereits zuvor auch aus EU-Kreisen geäußerten Kritik an der Umsetzung alternativer App-Stores stehen die Chancen damit gut, dass Apples DMA-Umsetzung vor Gericht landen wird – so das Unternehmen nicht doch noch einlenkt.

Verfügbarkeit

All die erwähnten Änderungen werden mit dem Update auf iOS 17.4 durchgeführt, das allerdings nur für User innerhalb der EU, in anderen Ländern ändert sich nichts zur bisherigen Praxis. Die neue Version soll Anfang März als Update verfügbar sein und damit wohl knapp vor Inkrafttreten des DMA, der mit 7. März schlagend wird.

Wer bis jetzt PWAs verwendet und sich fragt, was mit diesen passiert: Diese bleiben zwar am Homescreen gespeichert, aber eben nur mehr als Link auf die zugehörige Website. Alle darüber hinausgehende Funktionalität geht hingegen nach dem Update verloren. (Andreas Proschofsky, 27.2.2024)