Emmanuel Macron (Mi.) spielte am Montag den Gastgeber einer eilig einberufenen Ukraine-Konferenz. Dabei preschte er wieder einmal vor – und sorgte für Unmut.
Emmanuel Macron (Mitte) spielte am Montag den Gastgeber einer eilig einberufenen Ukraine-Konferenz. Dabei preschte er wieder einmal vor – und sorgte für Unmut.
AFP/POOL/GONZALO FUENTES

Die Botschaft ist glasklar. "Die Niederlage Russlands ist unerlässlich", verkündete Emmanuel Macron bei einer Pressekonferenz, mit der er am Montagabend eine kurzfristig anberaumte Ukraine-Konferenz in Paris abschloss. Ziel des Treffens war für den französischen Präsidenten, ein Signal nach Moskau zu schicken: Europa sei keineswegs kriegsmüde. "Wir sind bereit, alles Nötige zu tun, damit Russland diesen Krieg nicht gewinnen kann", wiederholte Macron – und legte nach: Offen sei die Frage, ob dies auch die Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine beinhalten könne. "Zugunsten der Dynamik darf nichts ausgeschlossen werden."

Video: Bodentruppen in die Ukraine? Macron erntet Widerspruch im Westen.
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Konkret nahm Gastgeber Macron einen tschechischen Vorschlag auf, dass die Alliierten auch außerhalb Europas Munition einkaufen sollten, um der ukrainischen Armee zu helfen. Der niederländische Premier Mark Rutte erklärte, seine Regierung werde zu diesem Zweck "mehr als 100 Millionen Euro" bereitstellen; andere Länder würden folgen.

Koalitionsbildung

Macron gab seinerseits bekannt, die Konferenz habe die Bildung einer Koalition beschlossen, um die Ukraine mit "Raketen und Bomben mittlerer und längerer Reichweite" auszurüsten. Diese Munition würde laut Militärexperten Schläge bis hinter die russischen Linien erlauben – sogar über die ukrainischen Grenzen hinaus.

Diese Bekanntgabe durch Macron erfolgte nur einen Tag, nachdem der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz sein Nein zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern bekräftigt hatte. Gewollt oder nicht, enthält Macrons Statement eine Spitze gegen Berlin, zumal Scholz kürzlich mehr finanzielle Bemühungen vonseiten der Europäer verlangt hatte. Das bekam man in Paris in den falschen Hals; wohl deshalb, weil die französische Militärhilfe im Umfang von rund vier Milliarden Euro nur ein Viertel der deutschen ausmacht.

Emmanuel Macron bei einer Pressekonferenz im Anschluss an das Pariser Treffen.
Emmanuel Macron bei einer Pressekonferenz im Anschluss an das Pariser Treffen.
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Macron, der nun drei Milliarden Euro nachschieben will, weiß, dass die Idee einer Entsendung von Bodentruppen in Berlin auf Ablehnung stoßen muss. Der Präsident stellte klar, dass der Vorstoß auf keinem abgesprochenen "Konsens" beruhe. Wichtiger scheint es dem Franzosen, Putin die Grenzen aufzuzeigen.

Der Tod des Oppositionspolitikers Alexej Nawalny und die Endlosmobilisierung russischer Truppen an der ukrainischen Front zeugen ihm zufolge von einer "Verhärtung" Putins. Im Kreml setze man ganz offensichtlich auf die zunehmende Gleichgültigkeit, wenn nicht Ablehnung der europäischen Bevölkerung gegenüber dem Krieg, so Macron.

Aus diesem Grund warnt er auch vor dem "hybriden Krieg", den Russland in Form von Desinformation, Propaganda und Cyberattacken insbesondere gegen EU-Staaten führe.

Kritische Reaktionen

Macron Äußerungen führten am Dienstag zu kritischen Reaktionen. So versicherte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, die Allianz plane keine Entsendung von Truppen in die Ukraine. Außenminister Alexander Schallenberg zeigte sich befremdet: Über eine Truppenentsendung habe es bei der Konferenz, bei der Bundeskanzler Karl Nehammer anwesend war, keine Einigkeit gegeben. Verteidigungsministern Klaudia Tanner sprach von einem "besorgniserregenden Signal". Ihr deutscher Amtskollege Boris Pistorius schloss bei einem Besuch in der Wiener Rossauer Kaserne einen Einsatz deutscher Truppen in der Ukraine kategorisch aus: "Boots on the ground" sei "keine Option".

Tatsächlich unternimmt Macron nicht zum ersten Mal einen Solovorstoß – und übersieht dabei, dass ein solcher der Geschlossenheit nicht unbedingt förderlich ist. Auch in Paris bekam er harsche Kritik zu hören. Die Rechtspopulistin Marine Le Pen wirft Macron vor, "Kriegsherr spielen" zu wollen.

Mit seinem Vorpreschen vernachlässigt Macron etwas Wesentliches: Nur von Eventualitäten zu sprechen, ohne Taten folgen zu lassen, birgt das Risiko, vom Gegner nicht mehr ernst genommen zu werden. Und bis auf weiteres scheint es ausgeschlossen, dass Macrons großen Worten auch Taten folgen werden. (Stefan Brändle aus Paris, 27.2.2024)