Im Notfall zählen möglichst genaue Angaben zum Standort. Eigentlich sind Smartphonehersteller verpflichtet, ihre Geräte mit dem Emergency Location Service auszustatten. Doch bei Apple gibt es eine Lücke.
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In die Situation, einen Notruf absetzen zu müssen, will natürlich niemand kommen. Zum Glück sind die meisten Smartphones mittlerweile so schlau, dass sie die genaue Position des Anrufenden ermitteln und an die Einsatzkräfte weitergeben können, man muss also selbst nicht unbedingt wissen, auf welchem Streckenkilometer der Bundesstraße man sich befindet. Zumindest gilt das für Android-Geräte. Wählt man eine österreichische Notrufnummer von einem iPhone aus, erhalten die Einsatzkräfte meist keine genauen Positionsdaten. Dies liegt nicht daran, dass das technisch nicht möglich wäre – Apple erkennt nur die österreichischen Notrufnummern nicht an.

Das stellt natürlich die Einsatzkräfte vor Probleme: Erfolgt der Notruf mit einem iPhone, erhalten Feuerwehr, Rettung und Polizei nur die ungefähre Position anhand von Funkzellenortung. Das Problem: Diese Bereiche sind oft mehrere Quadratkilometer groß und eine genaue Positionsangabe unmöglich. Die Daten zur jeweiligen Funkzelle stellt auch nicht Apple zur Verfügung, sie stammen direkt von den Mobilfunkprovidern. "Von Apple bekommen wir aktuell gar nichts", bestätigt Stefan Spielbichler, Sprecher von Notruf 144, auf Nachfrage des STANDARD.

Nur Euronotruf wird unterstützt

Apple-Geräte übermitteln aktuell die genaue Position nur, wenn man den Euronotruf 112 wählt. Dieser führt in Österreich aber zur Polizei. Dabei sollte der Emergency Location Service (ELS) oder Advanced Mobile Location (AML) bei allen Notrufen greifen. Technisch funktioniert das so: Wird eine Notrufnummer gewählt, wird der Standort mithilfe der Informationen von GPS sowie Funkmasten und WLAN in der Umgebung übermittelt. Sind GPS oder WLAN deaktiviert, werden sie vom System für die Dauer der Standortbestimmung aktiviert und anschließend wieder abgeschaltet. Weil die Position der umgebenden WLAN-Netzwerke bestimmt wird, funktioniert die Lokalisierung auch in Gebäuden sehr zuverlässig, ganz im Gegensatz zu GPS. Diese Kombination aus diesen drei Methoden der Standortbestimmung nennt sich Fused Location Provider (FLP).

20 Sekunden nachdem vom Gerät mit dem Gesprächsaufbau begonnen worden ist, übermittelt das Mobiltelefon einmalig die Positionsdaten an die Notrufzentrale. Personenbezogene Daten werden nicht übertragen, sehr wohl aber Daten zum Gerät wie das Betriebssystem und das Telefonmodell. Ursprünglich wurde ELS von Google eingeführt und wird heute in sämtlichen Android-Smartphones angewendet. Aber auch Apples iOS unterstützt den Service seit Version 11.3, zumindest theoretisch. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass weder Apple noch Google auf die übermittelten Daten zugreifen können, die stehen einzig und allein den Einsatzkräften zur Verfügung.

Apple nutzt ein Schlupfloch

Sämtliche in der Europäischen Union verkauften Smartphones müssen seit März 2022 über diese Form der Positionsbestimmung verfügen. Ein Schlupfloch bleibt allerdings, denn iPhones verfügen natürlich über die vorgeschriebene Technologie, und diese wird beim Euronotruf auch eingesetzt – aber eben nur dort. Die österreichische Lösung mit drei unterschiedlichen Notrufnummern (122, 133 und 144) statt einer einheitlichen Notrufzentrale für sämtliche Einsatzorganisationen erkennt Apple nicht an.

Aktuell arbeiten das Innenministerium als Träger von 112 in Österreich und A1 an einem Workaround, wie man die Positionsbestimmung von iPhones auch an Einsatzkräfte wie Feuerwehr und Rettung weitergeben kann. Parallel dazu laufen Gespräche mit Apple, damit die österreichischen Notrufnummern doch noch unterstützt werden. Wann oder ob das überhaupt der Fall sein wird, kann man aus heutiger Sicht nicht beantworten, heißt es bei Notruf 144. Eines ist fix: "Es wird wohl noch dauern." Es drängt sich der Verdacht auf, dass Österreich aus Apples Sicht als Absatzmarkt einfach zu klein ist, denn wählt man eine Notrufnummer in Deutschland, werden sehr wohl Positionsdaten von iPhones an Polizei, Feuerwehr und Rettung übermittelt. In Deutschland gibt es allerdings auch nur zwei unterschiedliche Notrufnummern: 110 für die Polizei und 112 für Rettung und Feuerwehr.

Kritik an Notruf 112 in Österreich

In Österreich steht der Notruf 112 vor allem vonseiten der Rettungsorganisationen in der Kritik. Dort gibt es nämlich kein international standardisiertes medizinisches Abfragesystem, es existiert nicht einmal eine strukturierte Abfrage, und trotz mehrfacher Versuche, es zu realisieren, gibt es auch keinerlei direkte Anbindung an die Einsatzleitsysteme der Rettungskräfte. "Faktisch tritt das 'Stille-Post-Prinzip' in Aktion. Der Polizeibeamte notiert die Angaben des Anrufers und meldet diese an uns mit Zeit- und eventuell sogar Informationsverlust weiter", heißt es in einem Blogbeitrag von Notruf 144.

Rettung-App als Alternative

Was also tun außer dem wenig hilfreichen Hinweis, dass man tunlichst nicht in eine Notsituation geraten sollte? Bei Notruf 144 hat man zumindest für medizinische Notfälle eine vorübergehende Lösung gefunden: die App "Rettung" herunterladen. Diese macht im Grunde nichts anderes, als einen Notruf abzusetzen, samt den eigentlich vorgeschriebenen Positionsdaten. Diese App funktioniert übrigens auch in Ungarn, Tschechien und der Slowakei (und auch auf Android-Geräten).

Bei Apple selbst verweist man darauf, dass die eigenen Geräte, wie oben erwähnt, ELS sehr wohl beherrschen. Aus welchem Grund nur bestimmte Notrufnummern unterstützt werden, könne man kurzfristig aber nicht beantworten, hieß es auf Nachfrage des STANDARD.

Beim Notruf 144 versucht man dennoch das Beste aus der Lage zu machen: "Wir haben auch noch jeden iPhone-Nutzer gefunden", so Spielbichler. Nachsatz: Die Mehrheit aller Smartphones in Österreich laufen ohnehin mit dem Android-Betriebssystem – und übermitteln damit auch im Notfall akkurate Positionsdaten. (Peter Zellinger, 1.3.2024)