Gegner von Präsident Macky Sall protestierten gegen die Verschiebung der Wahl im Senegal.
Gegner von Präsident Macky Sall protestierten gegen die Verschiebung der Wahl im Senegal.
AFP/JOHN WESSELS

Wohl selten hat ein Land so sehr der Bekanntgabe eines Datums entgegengefiebert wie derzeit der Senegal. Erstmals in der stolzen demokratischen Geschichte des westafrikanischen Landes waren die eigentlich für den 25. Februar angesetzten Wahlen verschoben worden. Am Dienstag sickerte aus der von Präsident Macky Sall eingesetzten nationalen Dialogkommission durch, dass man nun den 2. Juni vorschlagen werde. Bis dahin solle Sall im Amt bleiben.

Der neue Termin mag weniger dreist erscheinen als das zunächst von Sall anvisierte Datum im Dezember. Bei Redaktionsschluss war noch unklar, ob Sall zustimmen wird. Er hatte allerdings im Vorfeld der Gespräche angekündigt, dass die Wahlen vor Ende Juli stattfinden werden. Darüber hinaus ist fraglich, ob Senegals Verfassungsrat die Empfehlungen befürworten wird. Mehrere Oppositionspolitiker hatten die Teilnahme an der Dialogkommission boykottiert. Sie fordern einen Wahltermin vor dem Ablauf von Salls Mandat am 2. April, was aber nach einhelliger Meinung der Dialogkommission logistisch nicht mehr umsetzbar ist.

Die politische Krise des Senegals, der bei den zuletzt zahlreichen Putschen in Westafrika einer der lautstärksten Verfechter der parlamentarischen Demokratie war, bleibt also bestehen. Ein Termin im Mai als geringeres Übel gilt wegen wichtiger religiöser Feiertage als ausgeschlossen. Man möchte die mächtigen Imame nicht verärgern, sie sind im Senegal vielerorts einflussreicher als Politiker.

Tote bei Protesten

Dabei sollte eigentlich eine glorreiche Zukunft beginnen. Bis Ende des Jahres soll der Senegal Öl- und Gasproduzent werden, unter anderem Deutschland hatte sich als Abnehmer angeboten. In diesem Jahr sind rund neun Prozent Wirtschaftswachstum prognostiziert, ein internationaler Spitzenwert.

Die Wucht, mit der das Volk auf die Wahlverschiebung reagierte, hat Sall offenbar überrascht. Mindestens vier Menschen kamen bei Protesten ums Leben. Am vergangenen Wochenende, dem eigentlichen Wahltermin, gingen viele Senegalesen zu den als Wahllokale vorgesehenen Orten, um symbolisch ihre Stimme abzugeben.

Der Einsatz für die Demokratie ist beachtlich, denn das Meinungsforschungsinstitut Afrobarometer teilte kürzlich mit, dass in 24 von 30 untersuchten Ländern auf dem Kontinent die Zustimmung zur Idee der militärischen Herrschaft in den vergangenen zehn Jahren zugenommen habe. Nur 38 Prozent der befragten Personen waren demnach mit der Demokratie zufrieden. Für den geschwächten westafrikanischen Staatenbund Ecowas ist die Stabilität des Senegals elementarer denn je – zuletzt hatten die Putsch-Staaten Burkina Faso, Mali und Niger ihren Austritt erklärt.

Amnestie-Angebot

Doch als großherzig präsentierte Gesten von Sall wie ein Amnestie-Angebot für hunderte inhaftierte Regierungsgegner zeigten bislang wenig Wirkung. Er werde das der Nationalversammlung im "Geiste der nationalen Aussöhnung" vorschlagen, hatte Sall zu Protokoll gegeben. "Dies wird es ermöglichen, die politische Arena zu beruhigen und unseren nationalen Zusammenhalt weiter zu stärken", fügte er hinzu.

Die Amnestie könnte die Freilassung des Oppositionsführers Ousmane Sonko bedeuten. Der derzeit wegen angeblicher Volksverhetzung inhaftierte Politiker hat viele Anhänger bei den zahlreichen Erstwählern, er war wegen seiner Verurteilung als Kandidat von den Wahlen ausgeschlossen worden. Das Durchschnittsalter im Senegal beträgt rund 18 Jahre. (Christian Putsch, 1.3.2024)