"Der österreichische Bundespräsident verlieh dem Völkermordleugner Peter Handke die höchste staatliche Auszeichnung", lautet eine der Schlagzeilen in bosnischen Medien über die Ehrung. Seit Bundespräsident Alexander Van der Bellen vergangene Woche den Schriftsteller Peter Handke mit dem Großen Goldenen Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich auszeichnete, reißt die Kritik an der Ehrung nicht ab.

Van der Bellen und Handke in der Hofburg
Peter Handke (re.) bei der Überreichung des Preises durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen.
AFP/JOE KLAMAR

"Drei Nobelpreisträger – drei Vorbilder für viele zukünftige Generationen", schrieb Van der Bellen auf seiner Facebook-Seite. Neben Handke wurden auch Eric Kandel und Anton Zeilinger ausgezeichnet. Handke ist aufgrund seiner Unterstützung für das völkisch-nationalistische Regime in Serbien unter Slobodan Milošević umstritten. Das Milošević-Regime startete die Kriege in Kroatien und in Bosnien-Herzegowina und versuchte Teile dieser beiden Staaten abzuspalten, um ein Großserbien zu schaffen.

Begleitet von rassistisch-rechtsradikaler Propaganda wurden Hunderttausende Nichtserben vertrieben und Zehntausende ermordet. Handke schrieb in drei Büchern über den Krieg in Bosnien-Herzegowina und im Kosovo und ergriff darin Partei für Milošević und seine Politik.

Diaspora protestiert

Protest gegen die Auszeichnung für Handke kommt vom Consilium Bosniacum, einem Verband bosnisch-herzegowinischer Vereine in Österreich. „Die Entscheidung, Herrn Handke zu ehren, hat viele Überlebende des Genozids zutiefst irritiert und schockiert“, heißt es in dem Schreiben an Van der Bellen. Die Auszeichnung sei "ohne Berücksichtigung der demokratiepolitischen und humanistischen Verantwortung von Kulturschaffenden erfolgt". Die Ehrung für Handke sei zudem nicht damit vereinbar, dass auch der österreichische Nationalrat im Jahr 2022 dem Völkermord gegen Muslime in Srebrenica in einer Resolution gedachte.

Das Consilium Bosniacum drückt in dem Schreiben "seinen großen Unmut und seine Enttäuschung" aus. "Wir schätzen Ihre Bemühungen um ein solidarisches und humanistisches Österreich", schreiben die Vertreter des Verbandes an Van der Bellen. Gerade deshalb sei man bestürzt, dass gerade Van der Bellen Handke auszeichnete. "In Österreich leben knapp 200.000 Menschen mit bosnischem Hintergrund, die sich hervorragend in die Gesellschaft integriert haben und die bei den Präsidentschaftswahlen stolz Ihre Seite unterstützt haben. Unsere Gemeinschaft steht für eine Politik, die auf humanistischen und europäischen Werten basiert, und sieht in Ihnen ein Vorbild für diese Prinzipien", wird Van der Bellen auch an seine Wählerinnen und Wähler erinnert.

Protest gegen die Auszeichnung Handkes kommt auch in einem anderen Brief von zehn Balkan-Experten, wie etwa dem Verfassungsrechtler der Universität Trento, Jens Woelk, dem langjährigen US-amerikanischen Balkan-Analysten Kurt Bassuener und dem Germanisten Vahidin Preljević, der Verfasser eines Buches über den Jugoslawien-Komplex Handkes ist.

"Apologet eines Großserbiens"

Handke habe sich von den Apologeten eines Großserbiens vereinnahmen lassen und sei somit "zu einem aktiven Teil der Genozidleugnungs- und Verharmlosungsmaschinerie" geworden, schreiben die Unterzeichner des Briefs, der an Van der Bellen gerichtet ist. "Diese Agitation für eine menschenverachtende Politik sollte eine staatliche Ehrung ausschließen", meinen sie.

Denne es handle nicht um einmalige Ausrutscher bei Handke, sondern um eine verfestigte Einstellung. "Herr Handke vertritt seit 1996 in seinen Texten und seinen öffentlichen Äußerungen unbeirrbar dasselbe monströse Narrativ und betreibt zynische Geschichtsfälschung: Die Opfer von Srebrenica seien demnach keine Opfer, sondern eigentlich Täter, die dann bei einer Racheaktion umgekommen seien. Auf eine ähnliche Denkfigur der Täter-Opfer-Umkehr greift Herr Handke auch im Falle der Verbrechen von Sarajevo, Tuzla und Višegrad zurück", erklären die Unterzeichner.

Es bedürfe angesichts der neuen Gefahren in Europa einer "klaren Positionierung und Abgrenzung aller politischen demokratischen Kräfte gegenüber all jenen völkischen Apologeten und ihren Unterstützern, die Gewalt verharmlosen und dazu beitragen, dass völkisch-rassistische Auslöschungsideologien neuerlich in die Breite getragen werden", warnen die Unterzeichner davor, dass Van der Bellen falsche Signale aussende. "Verantwortung übernehmen heißt auch: Die Opfer zu ehren – und nicht die Täter im Geiste." Der Erhalt der europäischen Werte sollte allen Demokraten ein höchstes Anliegen sein.

Verwiesen wird in dem Schreiben auch auf die Rolle des Kriegsverbrechertribunals (ICTY) in Den Haag, das in jahrzehntelanger Arbeit die Verbrechen und die politische Verantwortung für die Kriege gegen Kroatien, Bosnien und Herzegowina und im Kosovo sehr gut aufklärte. "Der langjährige Chefankläger des ICTY, Serge Brammertz, hat aus Anlass dieses Urteils gegen hochrangige serbische Mittäter nochmals klar festgestellt: Es war kein Bürgerkrieg in Bosnien, sondern ein internationaler Konflikt – mit Beteiligung von Kroatien und Serbien zur Aufteilung des bosnischen Staatsgebietes." Die Kriege und Kriegsverbrechen in Bosnien-Herzegowina, Kroatien und im Kosovo sind tatsächlich bestens dokumentiert. Trotzdem hielt Handke auch in den vergangenen Jahren an seinen Vorstellungen fest. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 29.2.2024)