Auf die Frage, welche Kochstelle zum kulinarischen Glück führt, gab es unter Gastronominnen und Hobbyköchen lange nur eine Antwort: der Gasherd. Über der offenen Flamme wird eine Pfanne nicht nur sehr schnell sehr heiß, auch die Hitze lässt sich stufenlos regulieren. Dazu reagiert ein Gasherd schnell – sobald die Flamme erlischt, hört auch die Sauce auf zu köcheln.

Noch dazu ist Kochen mit Gas meist günstiger als mit einem E-Herd. Selbst zum Höhepunkt der Energiekrise kostete eine Kilowattstunde Strom mehr als die gleiche Einheit Gas. So weit die Fakten. Doch zur Faszination Gasherd gehören auch Gefühle. Der Bann der offenen Flamme in der Küche, der kleine Rest Steinzeit zwischen Kombidampfgarer und Thermomix. Assoziationen von Profiköchen, die über Stichflammen Brokkoli in der Pfanne schwenken, Frauen auf Kinoleinwänden, die sich Zigaretten an der Gasflamme anzünden.

Für viele das Nonplusultra: ein Gasherd in der Küche.
Getty Images/iStockphoto

Kulturkampf in der Küche

Ja, der Gasherd emotionalisiert. Doch wohl nirgendwo wird der Kampf um den Gasherd so erbittert geführt wie in den USA, wo der Streit bereits zum "culture war" avanciert ist. Wenn die "Verrückten im Weißen Haus" ihm seinen Gasherd wegnehmen wollen, müssten sie ihm diesen schon "aus seinen kalten, toten Händen" reißen, twitterte der republikanische Abgeordnete Ronny Jackson Anfang vergangenen Jahres.

Zuvor hatten in den USA immer mehr Fachleute und auch Behörden die Zukunft des Gasherdes infrage gestellt. Grund waren nicht Klima-, sondern Gesundheitsbedenken. In Küchen, wo mit Gas gekocht und nicht oder kaum gelüftet wird, kann es schnell zu einer starken Konzentration von Stickoxiden kommen, die Atemwegserkrankungen auslösen können.

Gefährliche Gase

In einer großen europäischen Studie wurden die von der WHO empfohlenen Grenzwerte für Stickoxide in mehr als der Hälfte der untersuchten Haushalte mit Gasherd überschritten. Das ist vor allem für vulnerable Gruppen gefährlich. Eine US-Studie aus dem Jahr 2022 brachte jede achte Asthma-Erkrankung unter Kindern mit Gasherden in Verbindung.

Einige Städte in den USA, darunter San Franscisco und New York, haben Gasherde im Neubau inzwischen verboten. Branchenverbände wollen weitere Verbote verhindern und setzen unter anderem auf Kampagnen, in denen Koch-Influencer auf Instagram und Tiktok die Vorzüge von Gasherden hervorheben sollen.

Das ist grundsätzlich kein neuer Schachzug. Das Climate Investigation Center hat in einem im Oktober veröffentlichten Bericht dokumentiert, wie die Gasindustrie bereits seit den 1960er-Jahren versucht, die Gefahren von Gasherden zu verschleiern. Dabei griff man teilweise auf die gleichen Agenturen und Forschungseinrichtungen zurück, die bereits der Tabaklobby gute Arbeit geleistet hatten.

Mit Videos wie diesen wollte die Industrie die Vorzüge des Kochens mit Gas herausstreichen.
Mit Videos wie diesen wollte die Industrie die Vorzüge des Kochens mit Gas herausstreichen.
gandrae

Gasherd als Generationenfrage

In Österreich ist die Lage entspannter. In Wien wird in rund jedem zwanzigsten Haushalt noch mit Gas gekocht, in Summe sind das rund 50.000 Gasherde – in etwa fünfmal so viele wie in allen anderen Bundesländern zusammen.

Von einem Gasherdverbot spricht in Österreich niemand. Wer die volle staatliche Förderung für den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen bekommen will, muss sich allerdings auch vom Gasherd trennen. In der Regel passiert das sang- und klanglos, weiß Yasin Özkan, Geschäftsführer der Installationsfirma Simplex. "Fast niemand hängt an seinem Gasherd. Aber jene, die es tun, sind alle 60 plus", sagt er. Den Jungen sei das "komplett wurscht". Ein Eindruck, den auch andere Installateure bestätigen.

Relativ wenige Emissionen

Es ergebe auch wenig Sinn, auf Fernwärme oder Wärmepumpe umzusteigen und weiter mit Gas zu kochen, heißt es von der Wien Energie. Doppelte Infrastruktur sei immer ineffizient.

Für das Klima ist der Gasherd in absoluten Zahlen weniger schlimm als vielleicht angenommen. Nur 0,8 Prozent des in österreichischen Haushalten verbrauchten Gases wird laut Statistik Austria zum Kochen verwendet. Selbst in den USA, wo Gasherde viel weiter verbreitet sind, tragen sie nur mit rund 0,1 Prozent zu den Treibhausgasemissionen bei.

Problematisch ist allerdings das Erdgas selbst, das zu großen Teilen aus Methan besteht – einem Gas, das rund 27-mal so klimawirksam ist wie CO2. Dass Teile des Erdgases bei Förderung, Transport oder Verbrennung in die Atmosphäre gelangen, ist praktisch unvermeidlich. Auch Gasherde stoßen klimaschädliches Methan aus – einen Großteil davon im ausgeschalteten Zustand, wie eine Studie nachwies.

In Summe sei Kochen mit Gas aber energieeffizienter als mit Strom, schreibt das Deutsche Umweltbundesamt auf seiner Website. Wird in Großkraftwerken aus Brennstoffen Strom erzeugt, gehe viel mehr Energie verloren als auf der heimischen Kochplatte. Elektro- und Induktionsherde werden allerdings immer sauberer, je mehr nachhaltiger Strom im Netz fließt.

Übergangslösung für einige Bereiche

Rund ein Drittel der Weltbevölkerung hat keinen Zugang zu sauberen Kochstellen – mit verheerenden Folgen für die Gesundheit.
APA/AFP/INDRANIL MUKHERJEE

In einigen Teilen der Welt könnten Gasherde hingegen eine Übergangslösung sein. Nämlich für ein Drittel der Weltbevölkerung, das keinen Zugang zu "sauberen Kochstellen" hat und mit Holz, Kerosin oder sogar Kohle oder Müll kocht. Das ist noch schädlicher als Gas – und laut Internationaler Energieagentur (IEA) sterben aufgrund der dadurch entstehenden Luftverschmutzung jedes Jahr 3,7 Millionen Menschen einen frühzeitigen Tod.

Für das Klima sind die "unsauberen Kochstellen" auch nicht gut – weil oft Holz verheizt wird, das aus Entwaldung stammt. Da viele Menschen keinen Zugang zum Stromnetz haben oder dieses unzuverlässig ist, war es bisher vor allem Gas, das die Menschen weg von den gefährlichen Herden brachte, schreibt die IEA. Aber das ist nun eine rein praktische Frage und kein Kulturkampf. (Philip Pramer, 2.3.2024)