Sie haben jeweils 4000 Punkte und noch mehr auf dem Konto. Von links: Sarah Lagger, Verena Mayr, Ivona Dadic, Isabel Posch, Chiara-Belinda Schuler.
ÖLV / Manfred Karner

Vergessen Sie die Fliegen, die hinter Fliegen fliegen, und die Bremsen, die hinter Bremsen bremsen. Wenn mehr Mehrkämpferinnen mehrkämpfen, kämpfen mehr Mehrkämpferinnen mehr, das ist der Spruch der Stunde! Bei den Hallenmeisterschaften in Linz traten kürzlich fünf Fünfkämpferinnen an, und jede schloss den Bewerb mit mehr als 4000 Punkten ab. Das ist weltweit einzigartig.

Den Meistertitel sicherte sich Verena Mayr mit 4525 Punkten vor Ivona Dadic (4408), Sarah Lagger (4319), Isabel Posch (4174) und Chiara-Belina Schuler (4008). Die ersten drei sind seit Jahren – im Freien im Siebenkampf wie in der Halle im Fünfkampf – auch international präsent. Mayr (29) war WM-Dritte 2019, Dadic war EM-Dritte 2016, Hallen-EM-Zweite 2017, Hallen-WM-Zweite 2018 und Olympia-Achte 2021, Sarah Lagger U20-Weltmeisterin 2016 und Hallen-WM-Achte 2022. Die jüngere Vergangenheit verlief da wie dort und auch hier wegen diverser Blessuren nicht ganz so erfreulich. Jetzt streben alle drei zurück zur Spitze, und andere streben mit.

Verena Mayr ist in Glasgow im Einsatz
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Das kann kein Zufall sein, das ist auch kein Zufall. Die heimische Präsenz in just dieser einen Disziplin hat gute Gründe. "Es gibt seit vielen Jahren einen Mehrkampfschwerpunkt", sagt Hannes Gruber, Sportkoordinator im österreichischen Verband (ÖLV). Im Mehrkampf sei "die Chance, an die Spitze zu kommen, besser als in vielen anderen Sparten". Ergo habe sich Österreich beim Coaching eine spezielle Expertise erarbeitet, zudem sei eine gewisse Tradition gegeben. Sepp Zeilbauer und Georg Werthner zählten in den 1970ern und 80ern zur Weltspitze. Und das seit 1975 jährlich ausgetragene Meeting in Götzis gilt weltweit als der Mehrkampf-Event schlechthin.

Eingerissene Sehne

Mayr (Mädchenname Preiner) schlug sich lange mit Oberschenkelproblemen herum, die sich fast genauso lange nicht erklären ließen. Erst nach vielen Monaten wurde festgestellt, dass am Oberschenkelansatz beidseitig die Sehne am Sitzbeinhöcker eingerissen war. Die gute Leistung in Linz hat Mayr zuletzt viel Selbstvertrauen gegeben. Nicht zuletzt ein Trainerwechsel setzte neue Reize. Da ihr Langzeitcoach Wolfgang Adler in die Schweiz übersiedelte, wird Mayr nun vom Franzosen Rudy Bourguignon betreut, einem früheren 8000-Punkte-Zehnkämpfer.

Bei Dadic ist die Situation nicht unähnlich. Auch sie hat einen neuen Haupttrainer, sie ist sogar eigens nach Stockholm übersiedelt, wo sie in der Trainingsgruppe des Montenegriners Vlado Petrovic unterkam. Und auch ihr machten Abnützungen und Verletzungen zu schaffen. "2022 hab ich wirklich gelitten."

Eingerissener Meniskus

Fast eineinhalb Jahre lang bestritt sie keinen Wettkampf. Eine Knieoperation wirkte sich stärker aus, als sie gedacht hätte. "Es war kein megagroßer Eingriff, der Meniskus war ein bisserl eingerissen, das musste genäht werden." Doch in der 16-monatigen Pause zeigte sich, dass die eigentlichen Probleme tiefer reichten. "Ich betreibe seit zwanzig Jahren Leistungssport und hatte zuletzt schon drei Jahre lang immer irgendwelche Probleme, und ich hatte auch Stress." Deshalb der Beschluss, "Körper und Seele endlich ausheilen zu lassen. Ich hab diese Zeit gebraucht, ich hab auf mein Gefühl gehört."

Dadic wollte "Körper und Seele endlich ausheilen zu lassen".
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Dadic will wieder dorthin, wo sie 2020 war. Just das Pandemiejahr war, sportlich gesehen, ein herausragendes für sie. Sie fixierte in Amstetten einen famosen Weltrekord im Einstunden-Siebenkampf, die 6235 Punkte hätten in der Jahresweltrangliste des "echten" Siebenkampfs sogar Rang sieben ergeben. Diese Rangliste schloss Dadic aber ohnedies auf Platz eins ab, dank ihrer 6419 Punkte bei den Meisterschaften in Götzis. Erstmals seit Hochspringerin Ilona Gusenbauer 1971 war eine Österreicherin die Jahresbeste in einer Disziplin. Das wird es so schnell auch nicht wieder spielen, doch die Freiluft-EM im Juni in Rom und die Olympischen Spiele in Paris (ab 26. Juli) sind für Dadic – wie auch für Mayr und Lagger – große Ziele. In Paris könnten theoretisch auch drei Österreicherinnen im Siebenkampf starten.

Für die Hallen-WM ab Freitag in Glasgow ist im Fünfkampf nur Mayr qualifiziert. Freilich gesellen sich laufend noch Susanne Gogl-Walli (400 m), Markus Fuchs, Magdalena Lindner (je 60 m) und Karin Strametz (60 m Hürden) dazu. Wenn Sprinter hinter Sprintern sprinten, sprinten Sprintern Sprinter nach. (Fritz Neumann, 1.3.2024)