Ehemalige Mitglieder der Schweizer Regierung können es sich gutgehen lassen. Die früheren Bundesräte kassieren eine üppige jährliche Staatspension in Höhe von rund 230.000 Schweizer Franken (241.000 Euro). Fünf von ihnen sorgen nun für heftiges Kopfschütteln: Ausgerechnet die gutbetuchten Ex-Politiker missgönnen ihren normalen Landsleuten eine Pensionserhöhung von maximal 2.450 Franken (2.569 Euro) jährlich.

Kurz vor der Volksabstimmung am kommenden Sonntag über einen 13. Monatspension für Schweizerinnen und Schweizer verfassten die früheren Bundesräte einen Brief an die Schweizer Senioren: "Wir wenden uns heute mit ernster Besorgnis an Sie", zitieren die "Freiburger Nachrichten" die Verfasser, darunter die ehemaligen Bundespräsidenten Adolf Ogi und Pascal Couchepin. "Was verlockend klingt, ist brandgefährlich", schreiben die Politveteranen weiter. Der Tenor ihres Briefes: Die 13. Pension ist nicht finanzierbar.

"Brandgefährlich"

Auch die aktuelle Regierung, Wirtschaftsverbände und die rechtsnationale Schweizerische Volkspartei warnen vor einer Extrazahlung an die Älteren. Die meisten Pensionierten, so urteilt die Regierung, seien auf eine 13. Pension überhaupt nicht "angewiesen". Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB), die Sozialdemokraten und die Grünen hingegen wollen die Pensionisten besserstellen, um Altersarmut zu vermeiden. Nun sollen die Bürgerinnen und Bürger im Schweizer Pensionsstreit entscheiden. Konkret geht es bei der Abstimmung um die Zahlung einer 13. staatlichen Pensionszahlung aus der "Alters- und Hinterlassenenversicherung" (AHV). Zu den bisherigen zwölf Monatspensionen käme jedes Jahr eine 13. Zahlung dazu. Umfragen deuten auf einen knappen Ausgang bei der Abstimmung hin.

Eine Monatspension hat die Inflation in der Schweiz seit dem Jahr 2021 aufgefressen.
Eine Monatspension hat die Inflation in der Schweiz seit dem Jahr 2021 aufgefressen.
IMAGO/Geisser

"Praktisch alle, die öffentlich gegen unsere Initiative antreten, schwimmen persönlich im Geld", schimpft der Gewerkschaftspräsident Pierre-Yves Maillard. Die seit 2021 angefallene Teuerung habe bereits eine ganze Monatspension aufgefressen. Tatsächlich ächzen ärmere Alte unter dem Kostenanstieg: Mieten, Krankenkassenprämien, Stromkosten, öffentlicher Verkehr und Lebensmittel, fast alle Preise gingen in den vergangenen Jahren nach oben. Ohnehin gehört die Schweiz schon seit langem zu den teuersten Ländern der Welt.

Gut im Europavergleich

Im europäischen Vergleich schneiden die Schweizer Pensionistinnen und Pensionisten allerdings gut ab. Die kleinste "ganze AHV-Altersrente" beläuft sich derzeit auf 1.225 Schweizer Franken pro Monat, die Höchstpension auf 2.450 Franken. Obendrauf beziehen die meisten Schweizer Zahlungen aus betrieblichen Pensionskassen. Nach Aufstellungen Schweizer Medien liegt die durchschnittliche AHV-Pension von 1.874 Franken über der Standardpension in Deutschland und auch den Altersbezügen in Österreich. Gespeist wird die AHV aus Beiträgen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber, des Bundes sowie aus Steuern.

In der Abstimmungskampagne melden sich auch Betroffene zu Wort: "Die AHV soll die Existenz sichern, aber das tut sie nicht mehr", klagt der Pensionist Jakob Hauri, 71 Jahre. Die Befürworter verweisen auch auf die Benachteiligung der Frauen im Beruf. Die 13. AHV-Pension würde den Frauen mehr finanziellen Spielraum geben. "Wir Frauen erhalten weniger Lohn und übernehmen den Großteil der unbe­zahlten Kinder­­betreu­ung", erklärt die Pensionistin Ursula Mattmann, 76. "Im Alter büßen wir dafür mit zu tiefen Renten."

Und wer soll den "13. Monatslohn" bezahlen? Die Gewerkschafter sehen kein Problem. Das Vermögen der AHV reiche aus, es werde bis zum Ende des Jahrzehnts auf die Rekordsumme von 67 Milliarden Franken ansteigen. Schützenhilfe kommt von den Sozialdemokraten. Die Co-Fraktionschefin im Parlament, Samira Marti, unterstreicht: "Es wird seit Jahren gesagt, dass die AHV pleitegehen wird, doch es ist nie passiert, und das wird es auch nicht."

Ebenfalls am Sonntag stimmen die Eidgenossen über eine schrittweise Anhebung des Pensionsalters von 65 auf 66 Jahre ab. Danach soll es an die durchschnittliche Lebenserwartung gekoppelt werden. Doch diese Initiative dürfte scheitern und spielt in Helvetiens Pensionsdiskussion nur eine Nebenrolle. (Jan Dirk Herbermann, 2.3.2024)