Eine der mehr als 120 Skihallen weltweit, wegen besserer Konnotation auch Schneeerlebniswelten genannt, steht samt Hüttenzauber in Dubai.
imago/Frank Sorge

In der Sportstadt Wien tut sich schon etwas, auch wenn es oftmals zu wenig erscheint. Jedenfalls gibt es viel Nachholbedarf, auch oder gerade im Bereich des oft gescholtenen Skisports. Roland König, der seit 2022 als Präsident des Landesverbands Wien Ski fungiert, hat sich zum Ziel gesetzt, den Skisport in Wien wieder aufzuwerten, und betätigt dabei verschiedene Hebel. Einer davon ist eine Skihalle. König: "Sie wäre aus verschiedenen Gründen eine positive Sache, ein wesentlicher Schritt. Zu Trainingszwecken ist es fast unabdingbar, dass wir eine Skihalle bekommen, weil wir sonst international den Anschluss verpassen."

Allerdings gebe es erst "Fragen zu beantworten und Konzepte zu finden, warum der Schritt in die Halle auch hinsichtlich des CO2-Fußabdrucks sinnvoller ist, als im Sommer um die ganze Welt dem Schnee nachzufliegen." Nachhaltigkeit sei im Skisport schließlich ein Riesenthema, sagt der 46-jährige Jurist, der auch als Geschäftsführer von "Haus der Barmherzigkeit" fungiert, das Pflegeeinrichtungen in Wien und Niederösterreich unterhält. "Unsere Sportausübungsmöglichkeiten werden weniger, und die Kinder werden sich nur mehr nachhaltig konzipierten und ökologisch sinnvollen Dingen anschließen." Gegen diesen Trend solle man nicht arbeiten.

Matte statt Schnee

Als Beitrag für mehr Bewegung der Kinder wurde etwa die "Wiener Skiwiesn", eine temporäre, aus Kunststoffmatten bestehende Piste auf der Hohen-Wand-Wiese in Wien/Mauerbach installiert. In diesem milden Winter zogen dort von Ende November bis Mitte Februar rund 1500 Kinder aus Wiener Pflichtschulen erste Schwünge. Ein bis zwei weitere solcher Mattenpisten sind in Wien angedacht. Sie sollen ein erster Schritt sein, das Skifahren zu erlernen. Wie weit es so sportlich gehen kann, hat etwa Dave Ryding gezeigt. Der Brite hat zunächst auch auf Matten gelernt und 2022 den Slalomklassiker in Kitzbühel gewonnen.

König: "Die Realität der Klimaveränderung muss man akzeptieren." Allerdings seien die Umstände diese Saison durchaus akzeptabel gewesen. "Wir sind perfekt in die Saison gestartet, hatten in unseren Destinationen am Semmering, in Annaberg und in St. Corona bis Ende Jänner Top-Bedingungen." Generell gelte es, den Kindern in der Stadt im Winter mehr Möglichkeiten zu bieten, wenn die klassischen Outdoor-Angebote oftmals nicht attraktiv sind. Welcher Youngster wird eine Wanderung im Wienerwald einem Besuch im Shoppingcenter vorziehen? Eben. Gemma Lugner!

Roland König hat mit seinem "Hobby" allerhand vor.
Skiverband/WienSki

König ortet Nachholbedarf: "Der Leistungssport ist nur das Ende einer Kette, aber gesellschaftspolitisch geht es darum, dass wir möglichst viel Bewegungskultur und Sportsgeist in die Gesellschaft bekommen. Diesbezüglich liegen wir in Wien nicht besonders gut."

Eine Skihalle, wie auch von Ski-Austria-Präsidentin Roswitha Stadlober gewünscht, könne ein Beitrag dazu sein. Allerdings, sagt König, müsse man sich die Fragen stellen, welche positiven Auswirkungen eine Halle in Wien langfristig habe und wie sich eine solche in das Gesamtkonzept der Sportausübung hinsichtlich Nachhaltigkeit einbette. "Wenn diese Fragen positiv beantwortet werden, dann ist eine Skihalle nicht unrealistisch und auch kein Monster, sondern kann eine tolle Maßnahme sein. Ob Wien allerdings der richtige Standort dafür ist, sei dahingestellt."

Jedenfalls wäre es kein Novum. 1927 wurde in der Ankunftshalle des stillgelegten Nordwestbahnhofs die erste Indoor-Wintersportanlage der Welt eröffnet. Im sogenannten "Schneepalast" gab es zwei Kunstschneepisten, eine Rodelbahn und eine Schanze – wenn auch nur 103 Tage lang, dann folgten die Schließung und ein Ausgleichsverfahren.

Die 1927 zum "Schneepalast" umfunktionierte Nordwestbahnhalle.
Willinger,... / ÖNB-Bildarchiv /

Eine Skihalle hat für König allerdings nicht oberste Priorität. In erster Linie gehe es unmittelbar darum, andere Trainingsinfrastruktur, seien es Matten oder Skimaschinen (ähnlich wie Laufbänder), für den Skisportnachwuchs zu schaffen, um die schneelose Zeit durch Simulationen überbrücken zu können. "Wenn sie ein halbes Jahr das Sportgerät nicht benützen können, dann werden wir es schwer haben, die Kinder beim Skisport zu halten."

Eine andere Baustelle ist das Skispringen in der Stadt. Das vom früheren ÖSV-Präsidenten Peter Schröcksnadel ins Spiel gebrachte Happel-Stadion mit integrierter Sprungschanze wird es wohl nie geben, aber bezüglich einer kompletten, dauerhaften Trainingsinfrastruktur für den Nachwuchs mit Schanzen für 15-, 30- und 50-Meter-Sprünge soll es laut König gute Gespräche mit der Stadt geben.

Schanzen für Wien

Gesucht wird ein geeignetes Areal für die jungen Stadtadler, die dann ab 15 in die bestehenden Zentren für Leistungssportler von Eisenerz bis Stams übersiedeln könnten. König ortet in Wien ein "irrsinniges Potenzial an Kindern mit viel Talent". Mit Schanzen in Wien würden weite Wege, hohe Kosten, enormer Zeitaufwand für Eltern und Kinder sowie eine damit verbundene, unnötige Vorselektion wegfallen.

Eine weitere Perspektive würden Sportarten mit "Airtime" bieten. Eine in Mauerbach bei der Mattenpiste aufgestellte Schanze mit Airbag zum Landen soll "irrsinnigen Zulauf" genossen haben. Auch hier sieht König großes Potenzial, um den Skisport besser zu positionieren und Vorbilder wie die zweimalige Big-Air-Olympiasiegerin Anna Gasser zu schaffen. "Es braucht einen Identifikationsfaktor."

Um den Skisport nach den vielen negativen Medienberichten wieder in besserem Licht erstrahlen zu lassen, wurde vergangenes Jahr die Kampagne #WienLiebtSki ins Leben gerufen. Man wolle "zeigen, wie lebendig der Skisport in Wien ist und wie gut die Möglichkeiten trotz aller Unkenrufe und Schwierigkeiten, die es natürlich gibt, noch sind".

Neue Strukturen für Mädchen

Die Nachwuchssituation bei den Alpinen in Wien sei generell "recht gut, stabil, besser als in Niederösterreich", sagt König. Zwischen 60 und 100 Kinder aus Wien gehen bei Schülerrennen an den Start. Allerdings sind es deutlich weniger Mädchen als Burschen. Daher will König die männlich dominierten Strukturen aufbrechen und ein altersgruppendurchmischtes Team für Mädchen schaffen, das deren Bedürfnissen entspricht.

Ändern solle sich auch die negative Einstellung hinsichtlich Skihallen, die früher als Köder zum Anfüttern für den hiesigen Skitourismus gern ausschließlich im Ausland gesehen wurden. König: "Das war Teil der Markenbildung des Skifahrens, ist aber eine Fehleinschätzung gewesen, die man sehr wohl korrigieren kann."

Nun brauche es sehr wohl eine Halle, damit der Nachwuchs entsprechend trainieren könne. "Wenn die Kinder aus Tirol und Wien im Sommer nach Hamburg fahren müssen, um Trainingsmöglichkeiten zu haben, dann ist das auf Dauer ein Minderheitenprogramm." (Thomas Hirner, 2.3.2024)