Abschiedszeremonie beim Sarg von Alexej Nawalny. Nur wenige Trauergäste fanden in der Kirche Platz.
Abschiedszeremonie beim Sarg von Alexej Nawalny. Nur wenige Trauergäste fanden in der Kirche Platz.
REUTERS/Stringer

"Kommen Sie, um Alexej Nawalny auf seinem letzten Weg zu begleiten, wenn Sie in Moskau sind. Es werden Ihnen alle danken, die aus verschiedenen Gründen nicht dort sein können." So lautete die Aufforderung von Leonid Wolkow, einem engen Vertrauter des Kreml-Gegners, der im Exil lebt. Und es kamen Tausende, als am frühen Nachmittag die Trauerfeier in der Kirche zu Ehren der Gottesmutterikone "Lindere mein Leid" im südöstlichen Moskauer Bezirk Marjino begann.

Trotz riesigen Polizeiaufgebots hatten sich die Menschen schon Stunden zuvor vor der Kirche versammelt und eine lange Schlange gebildet. Alle unerlaubten Handlungen während der Beerdigung würden als Gesetzesverstoß angesehen, hatte der Kreml zuvor gewarnt. Auf die Frage, ob der Kreml Nawalny als politische Persönlichkeit einschätzen könne, antwortete Kreml-Sprecher Dmitri Peskow: "Nein, das kann er nicht."

Die Angehörigen hatten den Körper des 47-jährigen Nawalny am Morgen in der Leichenhalle erst nach Verzögerung erhalten. In der Kirche durfte nicht gefilmt, nicht fotografiert werden – trotzdem verbreiteten sich Bilder und Videos des aufgebahrten Nawalny im Netz. Nur etwa 300 Trauergäste konnten die Kirche betreten, berichtet die Zeitung "Nowaja Gaseta". Die Feier sollte "so schnell wie möglich abgehalten" werden. Bilder im Netz zeigen, dass sie trotzdem stimmungsvoll war. Zu sehen war auch Alexej Nawalnys Gesicht. Seine Mutter, die eine Kerze in der Hand hielt, und sein Vater saßen während der Zeremonie am Sarg.

Letzter Gruß von Julija Nawalnaja

Julija Nawalnaja, die Witwe des Verstorbenen, seine Tochter Darja und Sohn Sachar nahmen nicht an der Trauerfeier teil, weil sie zu ihrer eigenen Sicherheit im Ausland sind. In einem Post schrieb Julija Nawalnaja über ihren verstorbenen Mann: "Ljoscha, ich danke dir für 26 Jahre absolutes Glück. Ja, sogar für die letzten drei Jahre des Glücks. Für die Liebe, dafür, dass du mich immer unterstützt hast, dass du mich sogar im Gefängnis zum Lachen gebracht hast, dass du immer an mich gedacht hast."

"Alexej Nawalny hat sein Leben für uns gegeben", sagte ein Mann vor der Kirche. Er sei aus der hunderte Kilometer entfernten Stadt Petrosawodsk extra angereist. Eine junge Frau meinte: "Er hat Licht, Freude und Hoffnung in unser Leben gebracht. Jetzt hat jemand versucht, diese Hoffnung durch Alexejs Tod zu vernichten. Aber wir dürfen nicht zulassen, dass die Dunkelheit kommt, wir dürfen nicht aufgeben."

Menschen auf dem Weg zum Moskauer Borissowskoje-Friedhof, wo Nawalny beerdigt wurde.
REUTERS/Stringer

Viele hatten Angst vor der Polizei. Eine Frau mit Blumen in der Hand sagte: "Ich bin hier, um Alexej meine Ehre zu erweisen. Sein Mut und Kampfgeist sollten Vorbild sein für uns." Neben anderen westlichen Vertretern war auch Werner Almhofer anwesend, Österreichs Botschafter in Moskau. "Die Teilnahme des protokollarisch höchsten Vertreters Österreichs in Russland ist ein klares Signal an das russische Regime", sagte eine Sprecherin des österreichischen Außenministeriums. Nach der Trauerfeier umarmten Menschen Nawalnys Mutter Ljudmila Nawalnaja, sagten "Danke für Ihren Sohn!".

Vor dem Friedhof, wo Nawalny beerdigt wurde, waren Metallzäune aufgestellt, ein massives Polizeiaufgebot war auch hier vor Ort. Die Beamten prüften die Dokumente der Besucher, befragten nach Berichten im Netz die Trauernden. Auch Taschen und persönliche Gegenstände wurden überprüft. Die Absperrmaßnahmen hatten bereits am Vortag begonnen. "An jedem Laternenpfahl wurden Überwachungskameras installiert", berichtet der Telegram-Kanal "RusNews". Das Internet vor Ort war gestört.

Festnahmen in Moskau

Zwischenzeitlich schlugen die Trauerbekundungen für den vor zwei Wochen im Straflager gestorbenen Nawalny dennoch in Proteste gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin und den Krieg gegen die Ukraine um. Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation OWD-Info wurden mehr als 45 Menschen im Zusammenhang mit der Beerdigung festgenommen. Unterstützer und Angehörige Nawalnys werfen Putin vor, den Oppositionsführer in Haft gezielt getötet zu haben. Der Kreml weist das zurück.(Jo Angerer aus Moskau, 1.3.2024)