Eine Frau steht vor einer Präsentation.
Die Entgelttransparenz-Richtlinie, die spätestens am 7. Juni 2026 in allen EU-Staaten umgesetzt sein muss, soll mehr Transparenz bei Löhnen und stärkere Durchsetzungsmechanismen schaffen.
APA/dpa/Annette Riedl

Im Gastbeitrag erklären die Juristen Nicolaus Mels-Colloredo und Ramona Maurer, warum ungleiche Bezahlung rechtliche Folgen haben kann.

25 Millionen US-Dollar muss Oracle an Arbeitnehmerinnen auszahlen, die ab Juni 2013 in den Abteilungen Produktentwicklung, Support und Informationstechnologie am kalifornischen Standort tätig waren. Der Vergleich beendet einen siebenjährigen Rechtsstreit, in dem etwa 4.000 Mitarbeiterinnen des IT-Konzerns seit Juni 2017 gegen die fehlende Geschlechtergleichstellung bei der Bezahlung kämpften.

Pro Kopf ist die Vergleichssumme zwar nur eine kleine Versöhnungsgeste, schließlich darf jede Mitarbeiterin abzüglich aller Kosten nur auf eine Auszahlung von etwa 3.750 US-Dollar hoffen. Dennoch ist der Vergleich insofern ein Sieg, als Oracle nicht nur für die Vergangenheit eine Entschädigung leisten muss, sondern auch die gegenwärtige Entgeltstruktur von einem unabhängigen Experten evaluiert wird, um zu gewährleisten, dass Mitarbeiterinnen in Zukunft diskriminierungsfrei entlohnt werden.

Weitere Fälle

Der Fall Oracle gesellt sich ein in eine Reihe von aktuellen Fällen, bei denen Unternehmen wegen diskriminierender Entlohnung zu Entschädigungszahlungen verpflichtet wurden. Goldman Sachs etwa bezahlte letztes Jahr insgesamt 215 Millionen US-Dollar an 2.800 Mitarbeiterinnen bzw. 50.000 US-Dollar pro Mitarbeiterin. Die Stadt Birmingham geriet aufgrund von jahrelangen Rechtsstreitigkeiten wegen Entgeltdiskriminierung sowie den damit zusammenhängenden hohen Strafen, Schadenersatzzahlungen und Anwaltskosten im September 2023 sogar an den Rand der Zahlungsunfähigkeit.

2023 kämpfte eine Frau in Deutschland vor dem Bundesarbeitsgericht erfolgreich gegen den ungerechtfertigten geschlechtsspezifischen Entgeltunterschied von 1.000 Euro pro Monat für dieselbe Position und Tätigkeit. Das bessere Verhandlungsgeschick des männlichen Kollegen war nach Ansicht des Gerichts kein Argument für eine ungleiche Bezahlung.

Rechtsanspruch

Die Fälle zeigen, dass Entgeltdiskriminierung Unternehmen schon jetzt teuer zu stehen kommen kann. EU-weit gilt schon seit einigen Jahren der Grundsatz der Entgeltgleichheit. Der Pferdefuß: Um gleiches Entgelt erfolgreich einfordern zu können, müssten die Betroffenen wissen, was ihre Kollegen für dieselbe Position verdienen. Die EU nimmt hier künftig Unternehmen stärker in die Pflicht und sorgt für Entgelttransparenz.

Die Entgelttransparenz-Richtlinie, die bis spätestens 7. Juni 2026 in allen Mitgliedsstaaten umgesetzt sein muss, soll mehr Transparenz bei Löhnen und Gehältern und stärkere Durchsetzungsmechanismen schaffen. Zentrale Elemente sind das Recht von Arbeitnehmerinnen und Stellenbewerberinnen auf Informationen über die Entgeltstrukturen ihrer (künftigen) Arbeitgeber, die verpflichtende Entgeltberichterstattung für Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitenden sowie die Nachbesserungspflicht für Unternehmen, die einen geschlechtsspezifischen Entgeltunterschied von mehr als fünf Prozent aufweisen und diesen nicht durch objektive, geschlechtsneutrale Kriterien argumentieren können.

Um die Rechte der Arbeitnehmerinnen zu stärken, sieht die Richtlinie nicht nur Schadenersatzansprüche vor, sondern auch eine Beweislastumkehr. Beklagte Unternehmen müssen damit künftig nachweisen, dass keine unmittelbare oder mittelbare Entgeltdiskriminierung vorliegt. Anderenfalls können die Nachzahlung entgangener Entgelte (auch etwa Boni und Sachbezüge), der Ersatz für entgangene Chancen sowie allfällige erlittene immateriellen Schäden eingeklagt werden.

Chance für Unternehmenskultur

Unternehmen sind schon jetzt gefordert, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Dafür spricht nicht nur die Rechtslage, sondern auch dass Unternehmen, die auf Entgeltgleichheit setzen, eine positive Unternehmenskultur schaffen und damit talentierte Fachkräfte anwerben, die diese Werte teilen.

Individuelle Leistung finanziell zu würdigen ist aber weiterhin möglich, etwa über variable Entgeltsysteme. Diskriminierungsfreie variable Entgeltsysteme müssen transparent ausgestaltet sein, und die Voraussetzungen, unter denen ein variables Entgelt wie beispielsweise eine Prämie gewährt wird, müssen für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gleichermaßen gelten. (Nicolaus Mels-Colloredo, Ramona Maurer, 5.3.2024)