Mary Villiers (Julianne Moore) nützt ihre ganzen Verführungskünste, um ihren Sohn George (Nicholas Galitzine) dem König (Tony Corran) schmackhaft zu machen.
Mary Villiers (Julianne Moore) nützt ihre ganzen Verführungskünste, um ihren Sohn George (Nicholas Galitzine) dem König (Tony Corran) schmackhaft zu machen.
HBO/Sky

Fiktionale Serien mit historischen Inhalten sind selten für ihre zarte Klinge bekannt. Da spritzt das Blut, da fließen die Körpersäfte, je nach Genre werden Liebe und Leidenschaft ausdrucksstark praktiziert. Der Faktencheck hat keine oberste Priorität. Das (Zu-)Packende steht im Vordergrund und soll – egal ob Lust oder Leid – das Interesse beim Publikum wecken. Es gelingt, wie etwa Serien wie "Vikings", "Barbaren", "Rome" und – angereichert mit Fantasy – "Game of Thrones" demonstrieren: Es ist alles Chimäre, Hauptsache, es unterhält.

Gemein ist Serien und Geschichte: Sie sind mehrheitlich aus männlicher Perspektive geschrieben. Erst in jüngster Zeit ändert sich das Bild, so werden Biografien von Frauen "geradegerückt", Filme wie "The Favourite" oder "Mary, Queen of Scots" zeigen Alternativen: So könnte es auch gewesen sein.

Diese Richtung schlägt die Sky-Serie "Mary & George" mit Julianne Moore, Nicholas Galitzine und Tony Curran ein. Die Bücher kennen Mary Villiers, Herzogin von Buckingham, und ihren Sohn George. Sie schreiben beiden einen gewissen Einfluss am britischen Königshof zu Beginn des 17. Jahrhunderts zu. Der erste Herzog von Buckingham soll für seine außergewöhnliche Schönheit bekannt gewesen sein, weshalb König James VI. von Schottland, später zusätzlich König von England und Irland, auf ihn aufmerksam wurde. Buckingham nützte den Umstand und wurde einflussreicher Staatsmann. Ob es tatsächlich eine sexuelle Beziehung zwischen den beiden gegeben hat, wie es die Serie erzählt, darüber streiten die Historiker. Über die Rolle der Mutter im Speziellen ist wenig bekannt.

Darum geht es in "Mary & George"

Die Geschichte von "Mary & George" ist inspiriert von Benjamin Wooleys "The King's Assassin". Und natürlich ist sie wahr, in gewisser Weise. Mary Villiers will nach oben, und jedes Mittel dazu ist ihr recht. Einen guten Stand am Königshof zu haben hilft. Die homosexuellen Neigungen des amtierenden Königs sind dem Ansinnen förderlich. Wenn da nicht schon eine Reihe anderer stünden, die ihrerseits Interessen haben und in deren Umsetzung – wie Mary und Sohn George auch – nicht zimperlich sind.

Und zwar von Anfang an. Die recht rüden Gewohnheiten im Hause Villiers werden deutlich, als Mary ihren soeben Zweitgeborenen am Nabelstrang baumeln sieht und kaum erschrocken selbst zum Messer greift, um ihren Sohn George zu lösen.

Auf rustikale familiäre Zustände deutet auch das Glas hin, das der Familienvorstand wenig später nach der Gattin wirft, sie am Kopf trifft, was zu Scherben und klaffenden Schnittwunden im Unterarm führt. Da muss man sich doch wehren. Am Totenbett will schließlich keiner etwas Gutes über den Verstorbenen sagen. Selber schuld.

Jedenfalls ist das Haus nach dieser Episode ohne Familienvorstand, was nicht unmittelbar zur Verbesserung der Sitten führt. Gleichfalls ungünstig wirkt sich der Umstand aus, dass der verstorbene Ehemann vor seinem Tod das Erbe einem Cousin überschrieben hat und die Witwe fuchsteufelswild und mittellos hinterlässt. Die einzige Möglichkeit, dem Übel zu entkommen, ist ein nächstes Übel: Ein neuer Ehemann muss her. Das gelingt ebenso wie Lehrjahre des Sohnes in Frankreich, wo das Kind zum Manne werden soll.

Das Kind geht zuerst widerwillig, merkt aber schnell, dass es anderswo nicht ganz schlecht ist, und schon gar nicht in französischen Lusthäusern.

Solcherart lebensgeschult, sieht Mutter Mary den Sohn reif für den englischen Königshof. Dort wartet mit James ein Regent, der Fleischeslüsten ebenfalls nicht abgeneigt ist und sich über den Neuankömmling entsprechend freut. Damit beginnt es aber erst.

Denn es warten Neid, Missgunst, Eifersucht – toxische Mischung, dazu mittelalterliche Kostüme, alte Bauwerke und softpornografisches Geschehen. In "Mary & George" bekommt das Auge etwas zu sehen. Allerhand!

Mary & George | Official Trailer | STARZ
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Julianne Moore, Nicholas Galitzine und Tony Curran zu "Mary & George"

DER STANDARD war beim Round-Table-Interview mit den Hauptdarstellern: Julianne Moore in der Rolle der Mary Villiers, Nicholas Galitzine als George Villiers und Tony Curran als King James.

Erstkontakt mit der Story:

Moore: Ich kannte die Geschichte von Mary und George Villiers nicht. Ich wusste auch nicht wirklich viel über King James. Erst nachdem ich den Roman gelesen und mit dem Autor Benjamin Wooley gesprochen hatte, bekam ich ein größeres Verständnis für den kometenhaften Aufstieg von Mary und George. Sie war mittellos, verschuldet, und nach dem Tod des Ehemanns hatte sie niemanden, der ihre Schulden bezahlte. Und so schaffte sie es, mit der ihr eigenen Weisheit, Zickigkeit, ihrer kompromisslosen, zielstrebigen, feurigen Natur, sich einen Weg durch die Politik, die Monarchie und die Gesellschaft zu bahnen und aufzusteigen.

Galitzine: Das Drehbuch landete auf meinem Schreibtisch, und als ich sah, dass Oliver Hermanus als einer der Regisseure vorgesehen war, stand meine Entscheidung schon fest. Ich bin ein großer Fan von ihm und war von dieser Welt sofort fasziniert: der königliche Hof, die Beziehungen zwischen George und seiner Mutter und zwischen George und dem König. Nachdem ich das Drehbuch gelesen hatte, wollte ich sehr schnell ein Teil davon sein.

Curran: Ich war sofort beeindruckt von der Sprache, aber auch vom Schreibstil und von der Frische der Erzählung. Ich habe noch nicht viel mit historischen Themen zu tun gehabt, und ich fand, dass dies eine andere Art ist, eine wahre, aber unbekannte Geschichte zu erzählen. Es handelt sich um eine historische Fiktion. Über Mary ist nicht viel bekannt, denn natürlich wird Geschichte im Allgemeinen von Männern und nicht von Frauen erzählt. Genau deshalb war es interessant, diese Geschichte aus einer weiblichen und queeren Perspektive zu erzählen. Mary wird in vielen Texten als Hexe bezeichnet. Ich glaube nicht, dass sie tatsächlich die Einzige war, die ihren Sohn erzogen hat, und ihn alleine in diese bestimmte Position gebracht hat. Ich glaube, dass es Leute am Hof gab, die den beiden halfen, den Kreis von König James zu infiltrieren.

Das Besondere ihrer Rolle

Galitzine: George ist eine Figur, wie ich sie noch nie zuvor gespielt hatte. Er wird von seiner Mutter in die wirklich reiche Welt des königlichen Hofes hineingestoßen, muss von ihrer Hartnäckigkeit lernen und Macht für seine Familie erlangen. George ist anfangs sehr verletzlich und schüchtern. Das ändert sich im Laufe der Serie sehr. Das zu spielen war unglaublich aufregend.

Curran: Ich habe jede Minute geliebt, in der ich James gespielt habe – mit seiner Lebensfreude, aber auch mit seiner Verletzlichkeit, seiner Dunkelheit. Es gibt etwas Ungreifbares, das er zu erreichen versucht. Er versucht, es zu begreifen, sei es durch die Beziehungen zu Männern oder durch andere Zeitvertreibe. Ich fand ihn extrem menschlich und nachvollziehbar.

Moore: Bei Mary gefiel mir, wie aktiv sie ist. Ich mochte die Tatsache, dass sie offen ist – bis zur Unersättlichkeit. Sie scheint unersättlich zu sein, was das Leben und die Erfahrungen betrifft, und sie ist seltsamerweise nie mit irgendetwas zufrieden. Das ist nicht unbedingt eine großartige Eigenschaft, aber es macht sie interessant. Aus irgendeinem Grund kommt sie nie an. Sie will immer mehr. Sie hat etwas an sich, das unerträglich ist, weil sie so habgierig und so ehrgeizig ist. Für mich war sie interessant und fesselnd.

Die Zusammenarbeit mit den drei Regisseuren Oliver Hermanus, Alex Winckler und Florian Cossen:

Curran: Eine Serie zu drehen ist, als würde man einen großen Film machen. Eine Herausforderung, finde ich. Der Regisseur gibt den Ton an und hat seinen eigenen visuellen, aber auch emotionalen und physischen Stil. Oliver Hermanus war unser Hauptregisseur. Mit ihm haben wir die meiste Zeit verbracht. Ich habe mich sehr an seinen Stil gewöhnt, an die Art, wie er die Kamera bewegt und wie er kommuniziert, und an die Geschwindigkeit, mit der er arbeitet. Und dann war er plötzlich weg, und Alex (Winckler, Anm.) war da. Als Brite hat er eine ganz andere Art zu kommunizieren als der Südafrikaner Oliver. Und dann ging Alex, und Florian (Cossen, Anm.) kam. Florian ist Deutscher, und er hat wieder einen anderen Stil. Es war faszinierend, denn es war auch unsere Aufgabe, uns anzupassen.

Moore: Ich stehe nicht erst am Anfang meiner Karriere, aber in dieser Hinsicht fühle ich mich noch sehr unerfahren. Es hat Spaß gemacht, in einer kurzen Zeitspanne mit so vielen verschiedenen Stilen zu arbeiten. Die abrupten Wechsel waren definitiv eine Herausforderung.

Mary sagt zu ihrem Sohn: "Wenn ich ein Mann wäre und so aussähe wie du, würde ich den Planeten beherrschen." Gilt das heute auch noch?

Moore: Ich glaube nicht, dass wir in einer gerechten Welt leben. Frauen haben nach wie vor nicht die gleichen Möglichkeiten wie Männer. Was sie damit sagen will, ist, dass sie die Möglichkeiten nicht hat, die ihr Sohn hat. Wir würden heute nicht immer noch über Feminismus reden, wenn wir der Meinung wären, dass Frauen und Männer die gleichen Chancen in der Welt haben. Ich denke also, es ist sehr, sehr relevant und unglaublich gültig.

Galitzine: Männer haben es zu lange zu einfach gehabt. Es ist an der Zeit, dass die Welt von Frauen erobert wird und Männer mehr aufstehen und Verständnis haben müssen für das, was unsere Schwestern durchmachen. Und hoffentlich können wir versuchen, uns dessen bewusster zu werden und mehr zu tun, um das zu erreichen. (Doris Priesching, 8.3.2024)