Lokalmatador Luke Shepardson gewann 2023 "The Eddie" auf Hawaii, auch wenn er nebenbei noch seinen eigentlichen Job verrichten musste.
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Es gibt Geduldsproben, und es gibt die Mutter aller Geduldsproben: "The Eddie" – der Super Bowl des Surfens, wie die Veranstalter das alljährliche Big-Wave-Event auf der Insel O'ahu/Hawaii bezeichnen. Das Surf-Spektakel in der Waimea-Bucht zählt zu den anspruchsvollsten seiner Art weltweit, es kann sich allerdings über Wochen erstrecken, ohne letztlich überhaupt ausgetragen zu werden. Bedingung ist nämlich, dass die Wellenberge eine geforderte Mindesthöhe von 40 Fuß, immerhin etwas mehr als zwölf Meter, erreichen. Bleiben sie darunter, gilt es für die Akteure abzuwarten. Aktuell ist das Zeitfenster seit 14. Dezember des vergangenen Jahres bis Dienstag (12. März) geöffnet.

Bis jetzt verharrten die 40 auserwählten Teilnehmer und Teilnehmerinnen vergeblich im Stand-by-Modus. Sie könnten sich etwa mit "Warten auf Godot" – einem Stück des 1989 gestorbenen irischen Schriftstellers Samuel Beckett, der den Inbegriff des absurden Theaters 1952 publizierte – die Zeit vertreiben oder bei einem Cocktail die Füße in den Sand stecken. Denn zumeist leuchtet die Ampel auf der Webseite der Veranstaltung rot: "Current Status: No Eddie swells on the horizon." Zwischendurch gab es zumindest Hoffnung in Gelb: "All eyes are on a possible Eddie-sized swell."

Benannt ist der Wettbewerb nach Edward "Eddie" Aikau, einem legendären hawaiianischen Rettungsschwimmer, dem ersten an der Nordküste O'ahus. Aikau verließ mit 16 die Schule, begann in einer Ananaskonservenfabrik zu arbeiten und kaufte sich von seinem ersten Lohn ein Surfbrett. Später soll er als Rettungsschwimmer mehr als 500 Menschen das Leben gerettet haben. 1971 wurde er als "Lifeguard of the year" ausgezeichnet.

Porträts der Legende Eddie Aikau zieren die Trophäe.
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Aikau galt als besonders mutiger Surfer, als Pionier des Big-Wave-Surfens. Er soll auch vor jenen Wellen nicht zurückgeschreckt sein, die anderen zu mächtig erschienen. 1978 blieb er allerdings als erst 31-Jähriger auf See. Er hatte in einem traditionellen polynesischen Doppelrumpfkanu an einer 30-tägigen Forschungsreise über 4.000 Kilometer von Hawaii nach Tahiti teilgenommen.

Wieder einmal hätte er sich dabei als Retter auszeichnen können: Als das Boot mehrere Meilen von der nächsten Insel entfernt Leck schlug und kenterte, wollte er auf einem Surfbrett Hilfe holen. Die Rettungsweste hatte er zurückgelassen, weil sie ihn beim Paddeln behindert hätte. Während seine Crewmitglieder später von der Küstenwache gerettet werden konnten, wurde Aikau trotz einer großangelegten Suchaktion nie gefunden.

Nur zehn Bewerbe in 40 Jahren

Kommen bis Dienstag nächster Woche nicht die erhofften Riesenwellen, so gibt es zum wiederholten Mal keinen Event. Seit der Premiere 1984 wurde in 40 Jahren erst zehnmal im Rahmen dieses Bewerbs tatsächlich auf Wellen geritten, zuletzt vergangenes Jahr. Damals bezwang der 27-jährige hawaiianische Rettungsschwimmer Luke Shepardson vor geschätzten 50.000 Zuseherinnen und Zusehern sensationell seinen Landsmann und zweifachen Weltmeister John Florence (31), obwohl er nebenbei auch seinen Job als Rettungsschwimmer in der Waimea-Bucht erledigen musste. Mit der Siegesprämie von 10.000 Dollar hat er längst nicht ausgesorgt.

2023 Eddie Aikau Invitational Highlights: Best Waves in Historic Surf at Waimea Bay
What will we remember most about January 22, 2023 at Waimea Bay? Everyone who took part, whether it be watching from afar via our live broadcast, standing on the beach with jaws hanging down to the sand, or in the water trying to hunt — we’ll all have differen
Surfline

2022/23 waren übrigens erstmals auch (sechs) Frauen zu dem Event eingeladen. Davor war das Surfen der Riesenwellen bzw. das Warten darauf lediglich Männern vorbehalten. Und wie gewartet wurde: Vor 2023 gab es 2016 einen Bewerb (Sieger John Florence) und davor 2009 (Greg Long aus den USA). Während von 1990 bis 1998 nichts ging, konnten von 2001 bis 2004 gleich drei Events ausgetragen werden, wobei 2002 die US-Surflegende Kelly Slater (elfmaliger Weltmeister) den prestigeträchtigen Titel holte. 1987 hatte übrigens Aikaus jüngerer Bruder Clyde den Wettbewerb für sich entschieden, als "The Eddie" erstmals in der Waimea-Bucht ausgetragen wurde.

Luke Shepardson.
APA/AFP/Getty Images/Donald Miralle

Beim ersten Eddie-Contest 1985 sollen die Wellen derart gewaltig und die Bedingungen so gefährlich gewesen sein, dass die Organisatoren in Erwägung zogen, den Wettbewerb abzusagen. Als der Surfer Mark Foo sagte: "Eddie would go", schuf er eine Phrase, die sich bis heute hielt, seit den 1980ern T-Shirts ziert und auch Titel einer Biografie ist.

Aus diesem legendären Sager entwickelten sich über die Zeit einige Varianten. Etwa: "Eddie wouldn't tow". Diese Phrase nimmt Bezug auf das teils wegen Unsportlichkeit verpönte Abschleppen mit Jet-Skis, das bei "The Eddie" nicht erlaubt ist, aber die Anreise zum Arbeitsplatz (Welle) wesentlich erleichtern bzw. nach einem Sturz den flotten Abtransport vor der zerstörerischen Wassermasse ermöglichen würde.

Aktuell fehlt wie in den Tagen und Wochen davor von derart respekteinflößenden Wogen vor O'ahu allerdings jede Spur: "Current Status: No Eddie swells on the horizon." Geduld ist gefragt. (Thomas Hirner, 6.3.2024)