Der zweite Anlauf war erfolgreich: Das Amnestiegesetz für mehrere Hundert Aktivisten und Politiker, die der Vorbereitung und Durchführung eines von Madrid untersagten Unabhängigkeitsreferendums im nordost-spanischen Katalonien am 1. Oktober 2017 beschuldigt werden, steht. Es wurde am Donnerstag vom regierenden sozialistischen PSOE von Ministerpräsident Pedro Sánchez und den beiden katalanischen Fraktionen, der in Barcelona regierenden Republikanischen Linken (ERC) und Gemeinsam für Katalonien (JxCat bzw. Junts), der Partei des im Brüsseler Exil lebenden ehemaligen katalanischen Präsidenten Carles Puigdemont, dem Justizausschuss des spanischen Parlament in einer überarbeiteten Version vorgelegt.

Die Amnestie, die Sánchez versprach, um die Mehrheit im Parlament für seine Amtseinführung im vergangenen Herbst zu erreichen, wird über 400 Menschen betreffen – darunter auch mehrere Dutzend Polizisten, die am Tag des Referendums in Katalonien im Einsatz waren und der Anwendung von Gewalt gegen friedliche Wähler und Wählerinnen beschuldigt werden.

Carles Puigdemont hat Grund zur Freude.
Carles Puigdemont hat Grund zur Freude.
IMAGO/David Borrat

Auf einer der kommenden Plenarsitzungen wird das Gesetz endgültig verabschiedet. Es wird dieses Mal – anders als vor fünf Wochen – eine Mehrheit bekommen. Damals hatte Junts dagegengestimmt, um Nachverhandlungen zu erzwingen.

Bei den Nachverhandlungen der vergangenen Wochen ging es vor allem um die Delikte Terrorismus und Hochverrat. Entsprechende Ermittlungen wurden just parallel zu den Verhandlungen um die Amnestie von Ermittlungsrichtern wieder aktiviert. Die ermittelnden Richter stehen der rechten Opposition in Spanien nahe. Es geht um Puigdemont. Dieser soll – so die spanische Justiz – Massenproteste des sogenannten "Demokratischen Tsunami" vom Exil aus organisiert haben.

Was ist Terrorismus?

Bei den Protesten im Oktober 2019 gegen die Verurteilung von neun Unabhängigkeitspolitikern und -aktivisten von bis zu 13 Jahren Haft wegen "Aufstands" wurde der Flughafen von Barcelona blockiert. In der Innenstadt kam es an mehreren Tagen zu Ausschreitungen und Auseinandersetzungen mit der Polizei. Dies sei Terrorismus, so der Vorwurf.

In einer anderen Ermittlung wird Puigdemont Zusammenarbeit mit Russland vorgeworfen, um Spanien und der Europäischen Union zu schaden. "Lass nicht zu, dass die Realität eine gute Anschuldigung verdirbt", reagierte Puigdemont auf die Ermittlungen. "Es fehlt jetzt nur noch ein geheimes Bankkonto in Panama", fügte er sarkastisch hinzu.

In der neuen Version des Amnestiegesetzes werden Terrorismus und Hochverrat nicht grundsätzlich von Bestrafung ausgenommen. Doch die angewandte Definition begünstigt Puigdemont. Als Grundlage für zu amnestierende Delikte im Bereich des Terrors und des Hochverrats dienen internationale Definitionen – und nicht die spanische Rechtslage oder Interpretation des spanischen Rechts durch einzelne Richter.

Und was ist Hochverrat?

Terrorismus ist nur dann von der Amnestie ausgenommen, wenn es entsprechend der europäischen Richtlinien um vorsätzlich schwere Menschenrechtsverletzungen geht. Dies ist im Falle der Massenproteste des "Demokratischen Tsunami" wohl kaum der Fall. Ähnlich ist es beim Hochverrat: Dieser ist im Sinne der Charta der Vereinten Nationen nur dann gegeben, wenn "eine wirksame Anwendung von Gewalt gegen die territoriale Integrität oder politische Unabhängigkeit Spaniens vorliegt". Auch dies ist nicht geschehen.

"Mit diesem Gesetz schließen wir eine Etappe der Konfrontation und Spannungen und öffnen eine Etappe des Dialogs", erklärte Justizminister Félix Bolaños vor der Ausschusssitzung. "Wir hatten uns verpflichtet, eine vollständige Amnestie zu erreichen, die niemanden zurücklässt – und wir werden eine vollständige Amnestie, die niemanden zurücklässt, beschließen", bewertet Junts die Einigung.

Die beiden rechten Oppositionsparteien – der konservative Partido Popular (PP) und die rechtsextreme Vox – kündigten einmal mehr an, alles zu tun, um in der zweiten Parlamentskammer – dem Senat, wo sie die Mehrheit haben – die Verabschiedung der Amnestie hinauszuzögern und später dann vor das Verfassungsgericht zu ziehen. Eine aufschiebende Wirkung wird dies nicht haben: Denn das Gesetz sieht die unmittelbare Umsetzung vor, sobald es die parlamentarischen Hürden genommen hat und im Amtsblatt veröffentlicht wurde. (Reiner Wandler aus Madrid, 7.3.2024)