Es handelt sich, zugegeben, um ein Luxusproblem: Die meisten Menschen würden sich wohl freuen, gleich mehrere Traumvillen in Italien, an der Côte d'Azur und in der Karibik zu erben. Und die Kinder von Silvio Berlusconi beklagen sich ja auch nicht. Nicht prinzipiell. Aber: Die über ein Dutzend Villen und Residenzen, die der im Juni 2023 verstorbene Milliardär und vierfache ehemalige Regierungschef seinen Nachkommen hinterlassen hat, kosten eben auch Geld. Ziemlich viel sogar: Laut italienischen Medienberichten belaufen sich die Betriebskosten für die Villensammlung auf mindestens eine Million Euro – und zwar pro Monat! Und so haben Marina (57), Pier Silvio (54), Barbara (39), Eleonora (37) und Luigi Berlusconi (35) beschlossen, zumindest einen Teil des geerbten Immobilienparks abzustoßen.

Silvio Berlusconi
Silvio Berlusconi stellte seinen Reichtum gern zur Schau – unter anderem mit seinen zahlreichen, meist protzigen Villen.
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Immerhin: Die legendärste der Berlusconi-Residenzen, die Villa Martino in Arcore bei Mailand, soll in Familienbesitz bleiben. Der damals rasant aufsteigende Bau- und Medienunternehmer Berlusconi hatte das 3.500-Quadratmeter-Anwesen mit über hundert Räumen im Jahr 1974 für damals läppische 500 Millionen Lire (umgerechnet 250.000 Euro) der letzten Erbin des Adelsgeschlechts Casati Stampa abgekauft.

Villa mit Mausoleum

Villa Martino, meist auch Villa Arcore genannt, war jahrzehntelang der Hauptwohnsitz des Mailänders. Im Park der Villa hatte er für sich selbst, seine Eltern, seine verstorbene Schwester Maria Antonietta, seinen noch lebenden Bruder Paolo sowie für enge Freunde und Geschäftspartner auch ein Mausoleum bauen lassen, als letzte Ruhestätte im Kreise seiner Lieben.

Die Villa San Martino in Arcore bei Mailand galt in Italien jahrelang als inoffizieller Regierungsitz.
Die Villa San Martino in Arcore bei Mailand galt in Italien jahrelang als inoffizieller Regierungssitz.
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In der Villa von Arcore wurden während der vier Amtszeiten Berlusconis auch immer wieder wichtige politische Debatten geführt und ebensolche Entscheidungen getroffen, meist in ganz engem Rahmen und ohne das Gros der Ministerinnen und Minister miteinzubeziehen. In den italienischen Medien hieß es dann jeweils: "Arcore hat beschlossen, dass ..."

Bunga-Bunga

Doch spätestens nachdem im Sommer 2010 in Mailand eine minderjährige marokkanische Prostituierte mit dem Künstlernamen Ruby Rubacuori festgenommen worden war und der Polizei von sogenannten Bunga-Bunga-Partys im Keller der Berlusconi-Villa erzählt hatte, nahm die ganze Welt Anteil am Geschehen in der Villa von Arcore.

Verkauft werden soll dagegen die nicht weniger berühmte Villa Certosa auf Sardinen. Das Luxusanwesen an der Costa Smeralda zählt 126 Zimmer, die Gesamtfläche beträgt 4.500 Quadratmeter. Hinzu kommt ein Park von 120 Hektar Fläche. Es gab eine Zeit, in der Hausherr Berlusconi dort auch einen künstlichen Vulkan betätigen konnte, was bei einer besonders heftigen Eruption sogar die lokale Feuerwehr auf den Plan rief. In der Villa Certosa waren im Laufe der Zeit unzählige Staats- und Regierungschefs zu Besuch, darunter George W. Bush und Tony Blair. Legendär wurde die mehrtägige Visite von Wladimir Putin im Jahr 2003: Zu seiner Sicherheit ließ der Kreml-Chef zwei russische Kriegsschiffe vor der Mittelmeerinsel aufkreuzen, was bei Italiens Nato-Partnern für nicht geringe Irritationen sorgte.

In der Villa Arcore verkehrte u.a. auch Karima El Mahroug – besser bekannt als Ruby Rubacuori (Ruby Herzensbrecherin). In Polizeiveröhren berichtete sie von
In der Villa Arcore verkehrte unter anderen auch Karima El Mahroug – besser bekannt als Ruby Rubacuori (Ruby "Herzensbrecherin"). In Polizeiverhören berichtete sie von "Bunga-Bunga-Partys" bei Berlusconi.
AFP/FILIPPO MONTEFORTE/GIUSEPPE

Der Verkaufspreis der Villa Certosa wird auf 300 bis 500 Millionen Euro geschätzt. Die anderen Berlusconi-Villen dagegen dürften sich preislich mehrheitlich im ein- bis zweistelligen Millionenbereich bewegen. Dies gilt etwa für die Villa Grande an der Via Appia Antica in Rom. Berlusconi hatte die 1.200-Quadratmeter-Villa im Jahr 2001 für knapp vier Millionen Euro gekauft, renoviert und dann dem bekannten Filmregisseur Franco Zeffirelli jahrelang gratis zum Wohnen überlassen. Sie wird deshalb im Volksmund auch Villa Zeffirelli genannt. Erst ab 2020, nach dem Tod des Regisseurs, hatte sie Berlusconi dann zu seiner eigenen Römer Residenz erkoren. Es heißt, dass sein ältester Sohn Pier Silvio an der Liegenschaft interessiert sei.

Auch andere Berlusconi-Erben überlegen sich, eine der Villen des Vaters für sich zu behalten. So soll Barbara ein Auge auf die Villa Belvedere in Macherio (in der Nähe von Monza) geworfen haben, wo sie zusammen mit ihrer Mutter Veronica Lario, Berlusconis zweiter Frau, und ihren beiden Geschwistern Eleonora und Luigi aufgewachsen ist. Marina wiederum wird ein Interesse an der Villa Campari am Lago Maggiore nachgesagt, die ihr Vater 2008 der gleichnamigen Wermuth- und Bitter-Dynastie abgekauft hatte.

Villa auf Lampedusa

Bereits einen Käufer gefunden haben die Erben dagegen für die Villa Due Palme auf Lampedusa. Berlusconi hatte die kleinste seiner Villen im Frühjahr 2011 gekauft: Er wollte damit während eines Flüchtlingsnotstands seine Solidarität mit den Inselbewohnern demonstrieren. "Ich werde Lampedusaner", hatte er verkündet. Urlaub hat er in seiner Villa nie gemacht.

Schließlich ist da auch noch der Palazzo Grazioli in Rom zu erwähnen. Der imposante Barockbau im historischen Stadtzentrum galt unter Berlusconi jahrelang als inoffizieller Regierungssitz. Als er 2006 die Wahlen verlor, hatte der Cavaliere einen der Räume des Palazzos so umbauen lassen, dass er danach aussah wie der Kabinettssaal im Palazzo Chigi, dem offiziellen Regierungssitz. So konnte er sich auch als Oppositionsführer noch ein wenig als Regierungschef fühlen.

Daneben ist der Palazzo Grazioli unter anderem auch wegen des "Betts Putins" berühmt geworden, das der russische Präsident nach seinem Besuch in Sardinien Berlusconi geschenkt hatte und das fortan in einem Schlafzimmer des Palazzos stand. Eine Prostituierte plauderte einmal aus, dass ihr Berlusconi in Putins Bett Tipps gegeben habe, wie Frauen leichter zum Höhepunkt kommen.

Tempi passati – verflossene Zeiten. Fakt ist, dass der Palazzo Grazioli nie Berlusconi gehörte: Er hatte ihn bloß gemietet, für 40.000 Euro pro Monat. Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle erwähnt, dass in diesen Tagen die Associazione della Stampa Estera in Italia, der Verein der Auslandpresse, in den Palazzo Grazioli einziehen wird – und mit ihm auch der Autor dieser Zeilen (nicht zum Wohnen, nur zum Arbeiten). "Ich weiß nicht, was Silvio im Himmel oben von eurem Umzug in den Palazzo Grazioli hält. Er hat euch Korrespondenten ja immer als Bande von Kommunisten bezeichnet. Aber so ist das Leben", meinte Regierungschefin Giorgia Meloni augenzwinkernd vor einigen Tagen anlässlich eines Stehbuffets mit der Stampa Estera. (Dominik Straub aus Rom, 9.3.2024)