Michelle Yeoh
Die Schauspielerin Michelle Yeoh mit ihrem Oscar im Jahr 2023.
REUTERS/MARIO ANZUONI

Pro: Mehr als schöne Politur

Früher einmal waren mir die Oscars Wurst. Damals klopfte mein Herz nicht für Hollywood. Doch dann änderte sich etwas – sowohl bei mir als auch bei der Academy, die sich in den letzten sieben Jahren mehr bewegt hat als in den vorangegangenen 70: Es wird mehr Wert auf Diversität gelegt, und die Filme im Rennen entspringen nicht länger nur der Traumfabrik. Durch das Öffnen der Perspektive gewinnt die Veranstaltung, die 1929 von Filmproduzenten ins Leben gerufen wurde, um das Ansehen der Filmindustrie aufzupolieren, wieder an Relevanz. Selbst die großen europäischen Filmfestivals brüsten sich mehr und mehr damit, Oscar-Kandidaten durch ihre Wettbewerbe ins Rennen geschickt zu haben. Heuer machen diese sogar den Bärenanteil der "Bester Film"-Kategorie aus, etwa mit dem Venedig-Gewinner "Poor Things" oder dem Cannes-Preisträger "Anatomie eines Falls". Die Oscars sind also nicht nur schöne Politur, sie erfüllen – angespornt durch Social Media – auch den Zweck, leidenschaftlich über das Kino zu diskutieren. (Valerie Dirk, 8.3.2024)

Kontra: Der meiste Film gewinnt

Wenn sich einmal im Jahr die sogenannte Traumfabrik selbst am Goder krault, ist das okay, aber ich könnte ohne leben. Die Gala versagt sich ja jede Spontanität und kommt daher wie ein Formatradio. Die Oscar-Verleihung ist auch keine Veranstaltung, die Qualität auszeichnet, sie ist eine der Quantität: Der meiste Film gewinnt. Als jemand, dem schon in der Kindheit stets viereckige Augen prophezeit wurden, weil ich alle erdenklichen Filme angeschaut habe, suche ich aber nach einer Form der Orientierung im Dschungel der Neuerscheinungen. Aber spätestens nach dem 723. Artikel über "Barbie" will ich den Film dann gar nicht mehr sehen, da bin ich eigen. Und so geht’s mir bei Oscar-nominierten Filmen oft. Zu viel Marktgeschrei, Betonung auf Markt. Ich will aber gute Filme sehen. Das können kommerziell betrachtet Rohrkrepierer sein, aber ich will berührt und begeistert werden, und das nicht von der größten Marketingmaschinerie, sondern vom Werk selbst. Also, wenn es in der Sonntagnacht wieder heißt "And the winner is …", geht mir das im Tiefschlaf an der Pyjamahose ganz, ganz weit vorbei. (Karl Fluch, 8.3.2024)