Helmut Marko und Max Verstappen sind seit Sommer 2014 ein Erfolgsduo.
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Das Bremsen ist für große Karrieren im Motorsport zumindest ebenso essenziell wie das Gasgeben. Für Helmut Marko stieg einst der Vater einmal im richtigen Moment mächtig in die Eisen. Als der junge Mann unter dem Einfluss eines aus betuchtem Haus stammenden Schulfreundes namens Jochen Rindt wie dieser nach der Matura in den Motorsport strebte, wurde ihm ein Jusstudium derart nahegelegt, dass er gar nicht anders konnte, als zuerst seinen einschlägigen Doktor zu machen.

Das damals Erlernte hat Helmut Marko stets genützt – in seiner kurzen Karriere als Rennfahrer, als Hotelier, vor allem aber als Manager, Besitzer und Berater im Motorsport. Aktuell scheint der mit allen Wassern gewaschene Vater zweier Töchter im Begriff zu sein, einen Machtkampf bei Red Bull Racing zu gewinnen, der selbst William Shakespeare als Vorlage geeignet erschienen wäre. In diesem Ringen geht es nur noch vordergründig um die Vorwürfe unangemessenen Verhaltens, die eine enge Mitarbeiterin gegen Teamchef Christian Horner erhoben hat. Es geht vor allem um die Dominanz innerhalb des Imperiums Red Bull mit dem thailändischen Mehrheitseigner auf der einen und dem österreichischen Minderheitseigner samt dessen Stellvertretern auf der anderen Seite. Dass Marko in dieser Konstellation besser dasteht als Horner, der offensichtlich Rückhalt aus Asien genießt, liegt an der engen Verbindung des Grazers mit dem besten Formel-1-Piloten der Gegenwart, Max Verstappen, und dessen Vater Jos.

Einmal der Gigl

Unmittelbar vor Beginn der neuen Saison schien es um Horner, der seine Unschuld beteuert, geschehen zu sein. Doch der 50-jährige Brite wurde in einer teaminternen Untersuchung so weit gestärkt, dass er beim Grand Prix von Bahrain lächelnd an der Seite seiner Ehefrau durch das Fahrerlager spazierte und ebenso frohgemut mit dem Oberboss aus Thailand posierte. An die Öffentlichkeit gespielte Chats schienen Horner dann allerdings endgültig den Garaus zu machen, ehe plötzlich Marko am vergangenen Freitag vor dem Qualifying für den Grand Prix von Saudi-Arabien in einem TV-Interview seine Suspendierung als Motorsportberater der Red Bull GmbH andeutete.

Helmut Marko, Max Verstappen und Teamchef Christian Horner.
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Ob gewollt oder nicht – Max Verstappen sah sich genötigt, erstmals wirklich klar Stellung zu beziehen. Der dreimalige Weltmeister hatte sich zuvor und ganz im Gegensatz zu Vater Jos, der in Zeitungsinterviews gegen Horner wütete, nicht festgelegt und überaus erfolgreich auf seine eigentliche Profession konzentriert. Nach Markos Andeutungen und seinem ersten Qualifikationssieg in Saudi-Arabien stieg der 26-Jährige jedoch aus seinem Auto und gab den zugunsten von Marko entscheidenden Satz in der Causa von sich: "Ich habe immer klar gesagt, dass er bleiben muss, ich kann ohne ihn nicht weitermachen."

Das Aus für den 80-jährigen Grazer, der als enger Vertrauter von Dietrich Mateschitz seit den 1990er-Jahren als Berater bei Red Bull wirkt, ist für Verstappen eine rote Linie, die zu überschreiten wohl auch dem ausdauerndsten Unterstützer von Horner nicht in den Sinn kommt. Wenn sich die Frau, die den Teamchef belastet, wie angekündigt demnächst wirklich erstmals selbst zu Wort meldet, könnte die Affäre im Sinne Markos endgültig einer Erledigung zugeführt sein.

Pech und pures Glück

Der Doktor, wie sie ihn nennen, wird wohl selber entscheiden, wie lange er noch in einer Szene präsent sein will, die er als Fahrer in ihrer für Leib und Leben gefährlichsten Zeit kennenlernte. "Unfälle", so erinnerte er sich einst in einem Gespräch mit dem STANDARD, "waren kein Pech. Es war pures Glück, wenn langfristig nichts passiert ist."

Helmut Marko als Racer in Zeltweg 1971.
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Ein Glück, das Marko selbst in vollem Umfang nicht hatte. Nach seinem Durchbruch mit dem Sieg bei den 24 Stunden von Le Mans, den er 1971 zusammen mit dem Niederländer Gijs van Lennep in einem Porsche 917 gefeiert hatte, waren ihm nur neun Starts in der Formel 1 gegönnt. Am 2. Juli 1972 saß er beim Grand Prix von Frankreich zu Clermont-Ferrand in einem Boliden von British Racing Motors, als der vor ihm liegende Schwede Ronnie Peterson mit seinem March von der Strecke abkam. Ein aufgewirbelter Stein durchschlug Markos Visier und ruinierte das linke Auge des 29-Jährigen. Ein Vorvertrag mit Ferrari war da nur noch Makulatur, Marko, dem das durchaus zugetraut worden war, konnte nicht mehr auf den Spuren seines bereits 1970 auf dem Weg zum Weltmeistertitel in Monza tödlich verunglückten Jugendfreundes Rindt wandeln.

Sicher Pech, aber vielleicht vielmehr Glück. Auch für die zahllosen Piloten, die durch die Hände Markos gingen – von Jo Gartner über Gerhard Berger, Karl Wendlinger und Juan Pablo Montoya bis hin zu den Red-Bull-Weltmeistern Sebastian Vettel und Max Verstappen. Das sportliche Geschick des Niederländers soll gar vertraglich an jenes des passionierten Kunstsammlers Marko geknüpft sein. Das wäre gleichsam der zweite Abschluss des Juristen Helmut Marko gewesen. (Sigi Lützow, Philip Bauer, 12.3.2024)