Die Europäische Union hat bedeutende Schritte gesetzt, um die Dekarbonisierung voranzutreiben und so das Ziel eines klimaneutralen Europas bis 2050 zu erreichen. Das hat konkrete Auswirkungen auf österreichische Unternehmen: Eine Vielzahl muss in den nächsten Jahren entsprechende Maßnahmen umsetzen und nachhaltigkeitsrelevante Informationen bereitstellen. Die regulatorischen Anforderungen erhöhen nicht nur die Transparenz, sondern leiten eine umfassende ökologische und soziale Transformation der heimischen Wirtschaft ein.

Das Nachhaltigkeitsteam von BDO begleitet Unternehmen aller Größen und Branchen bei der Umsetzung der neuen Richtlinien: Mag. Sanela Terko (Partnerin), Mag. Christina Wieser (Senior Managerin), Matthias Hrinkow, MSc (Manager) und Poline Gisele Machacek, BBA MA (Managerin) berichten vor welchen Herausforderungen die Unternehmer:innen stehen.

Das Nachhaltigkeitsteam von BDO von links nach rechts: Poline Gisele Machacek, Sanela Terko, Christina Wieser, Matthias Hrinkow.
© BDO Austria | Georg Bauer

Welche Berichtspflichten kommen im Bereich Nachhaltigkeit auf Österreichs Unternehmen zu?

Sanela Terko:
Das sind insbesondere die EU-Taxonomie-Verordnung und die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Die EU-Taxonomie-VO bietet ein System, um Wirtschaftstätigkeiten als ökologisch nachhaltig einzuordnen. Außerdem müssen betroffene Unternehmen den mit diesen ökologisch nachhaltigen Wirtschaftsaktivitäten verbundenen Anteil an den Umsatzerlösen und den Betriebs- und Investitionsausgaben offenlegen. Die CSRD hingegen fordert neben der Bekanntgabe bestimmter Kennzahlen die Offenlegung von Managementansätzen, Strategien und Zielen im Bereich Umwelt, Soziales und Governance.

Wie sind die berichtspflichtigen Gesellschaften darauf vorbereitet? Mit welchen Aspekten haben viele Unternehmen Probleme?

Sanela Terko:
Man muss bedenken, dass etwa 50.000 Unternehmen in der EU von den Neuerungen betroffen sind, davon ca. 2.000 Kapitalgesellschaften in Österreich. Die Mehrheit von ihnen setzt sich momentan zum ersten Mal mit Transparenzanforderungen zu Nachhaltigkeit im unternehmerischen Kontext auseinander. In den meisten Organisationen fehlt es noch an entsprechenden Strukturen, Know-how und vor allem an personellen Ressourcen. Auch die Sammlung der für die Berichterstattung notwendigen Daten bringt eine große Herausforderung mit sich. Es ist unerlässlich, effektive, im Idealfall automatisierte Prozesse zur Datenerhebung zu entwickeln und diese in ein internes Kontrollsystem einzubauen. Als besonders wichtig hat sich die breite Einbindung der internen Stakeholder:innen erwiesen. Die Bedeutung des Themas sollte über die ganze Organisation hinweg bekannt sein und von der Unternehmensleitung vorgelebt werden. Strategien und Managementansätze müssen – egal ob sie in größeren Unternehmen ausformuliert vorliegen oder in kleineren Unternehmen einfach gelebt werden – in den meisten Fällen angepasst werden, um nachhaltigkeitsrelevante Aspekte entsprechend zu berücksichtigen.

Wer zählt in Österreich zu den berichtspflichtigen Unternehmen und gibt es Unterschiede zwischen KMU und Konzernen?

Matthias Hrinkow:
Die Berichtspflicht gemäß CSRD umfasst zum einen die großen börsennotierten Unternehmen, die bereits in den Anwendungsbereich des Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetzes (kurz NaDiVeG) fallen, und zum anderen große Kapitalgesellschaften, kapitalistische Personengesellschaften und kapitalmarktorientierte KMU. Die Berichtspflicht tritt gestaffelt in Kraft: In Konzernen ist jeweils die Muttergesellschaft berichtspflichtig, wobei die vom NaDiVeG erfassten Gesellschaften bereits für das Geschäftsjahr 2024 gemäß CSRD offenlegen müssen. Der Großteil der künftig Berichtspflichtigen hat noch bis zum Geschäftsjahr 2025 bzw. im Falle von kapitalmarktorientierten KMU bis zum Geschäftsjahr 2026 Zeit, sich vorzubereiten.

Nicht-kapitalmarktorientierte KMU, die grundsätzlich keine direkte Berichtspflicht trifft, sollten sich mit den neuesten Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung aber trotzdem genau auseinandersetzen. Denn die allermeisten KMU sind Teil der Wertschöpfungskette größerer und damit berichtspflichtiger Unternehmen. Als solche werden sie auch aufgefordert werden, Nachhaltigkeitsdaten bereitzustellen. Seit Jänner 2024 gibt es bereits einen EU-Entwurf für den freiwilligen Berichtsstandard für nicht-kapitalmarktorientierte KMU. Dieser kann genutzt werden, um einzuschätzen, wie gut unsere mittelständischen Kund:innen auf die ausstehenden Regularien vorbereitet sind.

Nationale Umsetzung wird weitere Klarheit bringen

Welche Aspekte der kommenden Berichtspflicht inklusive Prüfung stehen bereits fest, was muss noch definiert werden?

Matthias Hrinkow:
Die CSRD ist zwar bereits Anfang Jänner 2023 in Kraft getreten, die Umsetzung in nationales Recht steht derzeit in vielen Mitgliedstaaten aber noch aus. In Österreich soll dies bis spätestens Sommer 2024 erfolgen. Trotz eingeschränkter Mitgliedstaaten-Wahlrechte und dem nicht zu erwartenden "Gold-Plating" seitens Österreichs verzögert insbesondere die Frage der Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte den finalen Beschluss des künftigen Nachhaltigkeitsberichtsgesetzes (NaBeG). Fest steht, dass bereits ab dem ersten Berichtsjahr eine externe inhaltliche Prüfung mit begrenzter Sicherheit für alle Berichtspflichtigen vorgesehen ist. Unklar ist noch, ob in Zukunft neben Abschlussprüfer:innen weitere Stellen Nachhaltigkeitsberichte testieren dürfen.

Welche nachhaltigkeitsbezogenen Verantwortungen und Pflichten kommen auf Aufsichtsrat und Geschäftsführung bzw. Vorstand zu?

Christina Wieser:
Die deutlich anspruchsvolleren Transparenz- und Rechenschaftspflichten ziehen Konsequenzen für die Unternehmensführung nach sich. Bekanntlich verlangt die CSRD von Aufsichtsrat und Geschäftsführung bzw. Vorstand eine Beschreibung nachhaltigkeitsbezogener Zuständigkeiten und entsprechender Expertise. In unserem Beratungsalltag erleben wir, dass der Informationsbedarf zu neuen Nachhaltigkeitsagenden von Geschäftsführung bzw. Vorstand stetig wächst. Im Aufsichtsrat ist neben dem Gesamtgremium insbesondere der Prüfungsausschuss gefordert, den erweiterten, nachhaltigkeitsbezogenen Anforderungen gerecht zu werden. Angesichts der neuen Herausforderungen ist jedenfalls davon auszugehen, dass interdisziplinäre Nachhaltigkeitskompetenz bei der Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern künftig vermehrt Bedeutung erhalten wird.

Ein entscheidender Hebel für die nachhaltige Transformation ist die Gestaltung der Vergütungspolitik für das Top-Management. Je mehr die Vergütung an die Erfüllung von Nachhaltigkeitszielen gebunden ist, desto effektiver der Anreiz für eine nachhaltige Unternehmensführung. In der Praxis zeigt sich, dass Nachhaltigkeitsziele wie z.B. die Reduktion von CO2-Emissionen oder die Steigerung der Diversität im Unternehmen derzeit noch nicht ausreichend in den Vergütungsmodellen gewichtet sind, um eine spürbare Wirkung entfalten zu können. Das könnte sich schon bald ändern. Denn berichtspflichtige Unternehmen müssen künftig unter anderem Informationen darüber liefern, inwieweit die Erfüllung von Nachhaltigkeitszielen eine Rolle für die Gesamtvergütung spielt. Die Frage der Ausgestaltung von Sanktionen dürfte ein weiterer Knackpunkt im nationalen Gesetzeswerdungsprozess sein.

Welche Rolle spielt die Reduktion von Treibhausgasemission bzw. das Erreichen von Net Zero für Unternehmen?

Poline Gisele Machacek:
Unternehmen sind künftig dazu aufgefordert, ihre Übergangspläne zu einer dekarbonisierten Wirtschaft offenzulegen und entsprechende Maßnahmen umzusetzen. Die Implementierung einer wirksamen Net Zero-Strategie kann nicht nur dazu beitragen, den ökologischen Fußabdruck zu minimieren, sondern schafft auch langfristige wirtschaftliche Vorteile für Unternehmen. Somit wird Net Zero zu einem zentralen Element der strategischen Ausrichtung und langfristigen Erfolgssicherung.

Die Umsetzung einer Net Zero Strategie sollte nicht als isoliertes Vorhaben betrachtet werden, sondern als ein umfassendes Unterfangen. Dies erfordert eine ganzheitliche Betrachtung der Wertschöpfungskette, angefangen bei der Analyse der aktuellen Geschäftspraktiken über die Strategieentwicklung bis hin zur Berichterstattung. Vor diesem Hintergrund sind in Zukunft auch KMU als Teil der Wirtschöpfungskette gefordert, Informationen zu Nachhaltigkeitsaspekten offenzulegen.