"Activity", "DKT", "Rummikub", "Tick Tack Bumm": Es gibt wohl kaum jemanden, der mit diesen Spieletiteln nichts anfangen kann. Spieleabende boomen, die Klassiker aus dem Hause Piatnik sorgen für das nötige Equipment. Was ursprünglich in einem Haus in der heutigen Zieglergasse als Spielkartenmacher begonnen hat, findet heute auf 20.000 Quadratmeter Produktionsfläche im 14. Wiener Gemeindebezirk statt. Dort sind rund 100 Mitarbeitende beschäftigt. Die Wiener Spielkartenfabrik Ferd. Piatnik & Söhne, wie der offizielle Name lautet, feiert heuer ihr 200-Jahr-Jubiläum. Piatnik ist der größte Spieleverlag Österreichs und vertreibt die Produkte in 72 Ländern rund um den Globus. Der Geschäftsführer aus der sechsten Generation, Dieter Strehl, nutzte den Anlass und lud in das Firmengelände ein.

Die Tarockspielkarten
Im Tarockspiel "Szenen aus der Vaterländischen Geschichte" aus dem Jahr 1850 bildet Piatnik zahlreiche Habsburger-Herrscher ab.
Wiener Spielkartenfabrik Ferd. Piatnik & Söhne, Wien

Glück im Spiel

Alles begann 1824, als Anton Moser eine Kartenmalerei gründete. Knapp 20 Jahre später kam der gebürtige Ungar Ferdinand Piatnik als Geselle dazu. Als Moser 1842 das Zeitliche segnete, heiratete Piatnik die (deutlich ältere) Witwe Moser und übernahm die Manufaktur. Im Jahr 1882 traten dann Piatniks Söhne in das Unternehmen ein: Von nun an trug die Firma den Namen, der sich bis heute hält: eben Ferd. Piatnik & Söhne. Um Kosten zu sparen, übersiedelte Piatnik 1891 in die Hütteldorfer Straße, wo "damals nur grüne Wiese und nichts" war, so Strehl. Es folgte ein Expansionskurs durch die Übernahme von anderen Spielkartenherstellern, sodass Piatnik in der k. u. k. Monarchie rasch zum Inbegriff des Kartenspiels wurde. Aufbauend auf diesen Erfolg, eröffnete man auch Spielkartenfabriken in Budapest, Krakau und Prag sowie eine Papierfabrik in Slowenien. All diese wurden nach dem Zweiten Weltkrieg enteignet.

Gestartet hat man also nur mit Spielkarten: Piatnik entwickelt bekannte und bis heute verwendete Spielkartenmotive, wie zum Beispiel die Doppeldeutschen oder viele "Joker"- und "Rummy"-Karten. Ab 1956 kamen Brettspiele dazu, Puzzles komplettierten ab 1966 die Produktpalette. Den größten Erfolg landete man wohl mit dem allseits bekannten "Activity", das seit 1990 verkauft wird. Mit zwölf Millionen verkauften Exemplaren ist es aus dem Spielekasten nicht mehr wegzudenken. Weitere Erfolgsformate sind "Tick Tack Bumm", das elf Millionen Mal verkauft wurde, und "Rummikub" mit eineinhalb Millionen verkauften Stück. Profitiert habe man vom Aufschwung der Gesellschaftsspiele ab den 1980ern. Während andere Unternehmen in der Corona-Pandemie ins Straucheln kamen, brachte sie Piatnik einen Höhenflug: Die Nachfrage nach Spielwaren stieg in der Zeit enorm an. Die Spielbegeisterung platzte aus allen Nähten, gerade bei Erwachsenen. Geschäftsführer Strehl sieht den Grund dafür darin, dass die "Leute noch nie so viel Freizeit gehabt haben wie jetzt". Die Zeit der Polykrisen sieht Strehl pragmatisch, das Unternehmen habe schon viele Krisen überstanden, "fünf verschiedene Regime und sechs Währungen", um genau zu sein.

Piatnik-Geschäftsführer Dieter Strehl redet vor Vertreterinnen und Vertretern der Presse.
Piatnik-Geschäftsführer Dieter Strehl leitet das Unternehmen seit 1995.
APA/GEORG HOCHMUTH

Dass es der Firma heutzutage so gutgeht, führt Strehl nicht nur unternehmerisches Geschick zurück. Viele glückliche Zufälle trugen von jeher dazu bei. So landete die Produktionshalle nach dem Zweiten Weltkrieg in der französischen Besatzungszone, in der russischen Zone wären die Maschinen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nach Russland abtransportiert worden. Als weiterer Glücksfall entpuppte sich anschließend der Fall des Eisernen Vorhangs. Bereits in Zeiten der Monarchie pflegte man gute Kontakte nach Osteuropa. Die Bekanntheit überdauerte die Jahre, und der Vertrieb im Osten ist nach wie vor ein wichtiges Standbein.

Den meisten Umsatz macht Piatnik mit Spielen, Spielkarten liegen stückmäßig aber noch immer weit vorne. Insgesamt exportiert man 80 Prozent der gesamten Produktion. Trotz des Unternehmenserfolgs existieren keine Pläne in Richtung Börsengang oder anderweitigen Beteiligungen – "Piatnik ist und bleibt ein Familienunternehmen".

Spiel(ideen)produktion

In der Wiener Produktion werden 10.000 Spiele pro Tag gefertigt. Die größte Herausforderung sei, "dass es nur ein Weihnachten pro Jahr gibt". Für die Spielefirma ist der Dezember bei weitem der umsatzstärkste Monat, weswegen man die Produktion fast gänzlich darauf ausrichtet. Andere Unternehmen in dieser Situation produzieren nicht über das ganze Jahr hinweg und setzen auf Leiharbeitskräfte. Bei Piatnik möchte man die Arbeitsplätze stabil halten und fährt daher mit einem Modell der ganzjährigen kontinuierlichen Produktion.

Das Firmenlogo von Piatnik am Eingang zum Firmengebäude.
Der österreichische Spielehersteller Piatnik produziert in einem unscheinbaren Gebäude in der Hütteldorfer Straße.
APA/GEORG HOCHMUTH

Pro Jahr kommen im deutschsprachigen Raum rund 3.000 neue Spielwaren auf den Markt, man müsse also kreativ bleiben. Gleichzeitig sind solche Spielneuheiten eine risikoreiche Angelegenheit. Immerhin wisse man anfangs nie, wie ein neuer Artikel wirklich ankommt. Piatnik selbst bringt etwa 25 Spielneuheiten im Jahr auf den Markt, ausgewählt aus rund 1.000 Vorschlägen. Die Selektion trifft die hauseigene Spieleredaktion. Dass einen großen Teil der neuen Produkte Sondereditionen oder Erweiterungen zu bekannten Klassikern ausmachen, ist für Strehl logisch: "Wer liest schon gern neue Regeln?" (Sarah Kirchgatterer, 15.3.2024)