Dass Wien nicht nur beim Schnitzel, g'mischten Satz und der Musik den Ton angibt, sondern auch bei der hohen Qualität des Trinkwassers ganz vorn mitmischt, ist weit über die Grenzen hinaus bekannt – und das schon seit 1873.

"Die Ausgangslage war klar: Wien benötigte dringend Wasser", beginnt der Historiker Peter Payer sein Buch "Gebirgswasser für die Stadt" und fährt fort: "Um das Jahr 1860 hatte die Einwohnerzahl die Halbmillionen-Grenze überschritten, Tendenz weiterhin rasch steigend."

Lokale Trinkwasserversorgungen, Hausbrunnen, die vielfach verkeimt und Träger von Krankheiten waren, konnten den Anforderungen der Reichshaupt- und Residenzstadt nicht länger und schon gar nicht nachhaltig entsprechen. Wien war damals nicht alleine, auch Paris und London suchten in Sachen Trinkwasserversorgung Lösungen.

Folgende Optionen standen in Wien zur Diskussion: Wassergewinnung aus der Donau, dem Wienfluss und anderen nahen Gerinnen, aus Tiefquellen (Fischa-Dagnitz) des südlichen Wiener Beckens oder – als zunächst kaum vorstellbare Idee – aus den Hochquellen des Rax- und Schneeberggebietes. Zur Entscheidungsfindung setzte der Gemeinderat auf die Expertise einer eigens gegründeten Wasserversorgungskommission. Deren Obmann war (ab 1863) Vizebürgermeister Cajetan Felder. Als Felder 1868 Bürgermeister wurde, war das Wasserthema zur Chefsache geworden.

Bassena
Eine klassische Bassena, wie sie in jedem Wiener Haus vorhanden war.
© Thomas Hofmann

Der Schwur von Leobersdorf

Payer zeichnet fachlich fundiert die Chronologie der Entstehungsgeschichte von der Wassermisere, über Entscheidungsfindung, Bau und Eröffnung nach. Entscheidender erster Meilenstein war der sogenannte Schwur von Leobendorf. Cajetan Felder, der Geologe Eduard Suess, den Felder in die Kommission geholt hatte und Regierungsrat Heinrich von Fellner hatten die Kaiserbrunnquelle im Höllental (Niederösterreich) besucht, deren glasklares Quellwasser erste Wahl sein sollte.

Als es am Bahnhof von Leobersdorf zu einer Wartezeit kam, gelobten die drei einander, alles zu unternehmen, um dieses Wasser nach Wien zu holen. Felder resümierte in seinen Memoiren: "So wurde […] Leobersdorf der Rütli der Hochquellenleitung." Wussten die drei was so wollten, galt es 1866 den Gemeinderat zu überzeugen. Die Abstimmung ging mit 65 Ja und 45 Nein-Stimmen für das Projekt der 95 Kilometer langen Hochquellenleitung aus.

Zahlreiche historische Fotos, Karikaturen und Aquarelle, unter anderem von Franz und Rudolf von Alt, dokumentieren den Bau der Leitung mit ihren imposanten Aquädukten in Leobersdorf, Baden und Liesing bis zu den drei Reservoiren in Wien (Rosenhügel, Schmelz und Wienerberg).

Nach der Eröffnung: Mythenbildung und Optimierung

Mit der Eröffnung durch den Kaiser am 24. Oktober 1873 beim Hochstrahlbrunnen am Schwarzenbergplatz, ist noch lange nicht Schluss. An diesem Tag endet bloß die Vorgeschichte. Schon der erste Winter (1873/74) brachte eine Wasserknappheit, zum einen lieferten die Karstquellen weniger Wasser, zum anderen gab es erhebliche Leitungsverluste. In den Jahren 1887 bis 1900 wurden weitere Quellen angeschlossen.

Abseits der Baugeschichte zeichnet Payer auch den Mythos und die Popularisierung des Hochquellenwassers durch zeitgenössische Dokumente nach. Musikstücke, Ansichtskarten, euphorische Medienberichte und vieles mehr, steigerten den Ruf des Wiener Wassers und manifestieren deren Wert nachhaltig in der Bevölkerung. Wer beim Publikum punkten wollte, setzte auf "Hochquellen-Sodawasser". Legendär ist der Werbespruch der Anker-Brotfabrik aus den 1930er Jahren: "Worauf freut sich der Wiener, wenn er vom Urlaub kommt? Auf Hochquellenwasser und Ankerbrot."

Denkmal und Hochstrahlbrunnen
Das Denkmal von Eduard Suess und der Hochstrahlbrunnen auf dem Schwarzenbergplatz in Wien.
© Thomas Hofmann

Die Schäden des Zweiten Weltkrieges werden ebenso beleuchtet wie der Ausbau und die Leitungsverbesserung in den 1960er Jahren, die dazu führte, dass heute bis zu 220 Millionen Liter pro Tag ohne (!) Pumpleistung, rein mit natürlichem Gefälle, nach Wien fließen.

Zur aktuellen Situation

Neben dem Artikel von Peter Payer geben ein Gespräch mit Paul Hellmeier, Leiter der Magistratsabteilung 31 Wiener Wasser und die fotografische Erkundung ("Wasserschlösser, Einstiegstürme, Aquädukte") von Johannes Hloch Einblicke in das Heute der ersten Hochquellenleitung. Einmal mehr zeigt sich, wie gut alles funktioniert und organisiert ist. "Wir sind bisher nicht an unsere Kapazitätsgrenzen gestoßen", so Hellmeier.

Das abschließende Quellen- und Literaturverzeichnis listet nicht nur Bücher, sondern auch Zeitungsartikel und Musikkompositionen wie auch Filme (unter anderem von Georg Riha) auf. Die Zeittafel beginnt mit 1861, dem Jahr der Ausschreibung eines internationalen Wettbewerbs, und endet 162 Jahre später (2023).

Fazit: Das Buch, ein Querformat mit Hardcover, ist eine gut lesbare, übersichtliche und umfassende Darstellung der Erfolgsgeschichte der ersten Wiener Hochquellenleitung mit ansprechendem Layout. (Thomas Hofmann, 22.3.2024)