Blick auf Rohre der der Nord-Stream-Pipeline, die bei Lubmin an Land kommt
Bei Lubmin im Nordosten Deutschlands kam bis vor eineinhalb Jahren sehr viel Gas aus Russland an. Im September 2022 wurde ein Anschlag auf die Nord Stream-Pipeline verübt, die seither als Transportweg ausfällt.
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Mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine hat vor zwei Jahren in mehrerlei Hinsicht eine neue Zeitrechnung begonnen, auch bei Energie. Russland war jahrzehntelang ein zuverlässiger und günstiger Lieferant von Öl und Gas. Sich einzugestehen, dass dem nicht mehr so ist, fällt manchen Verantwortungsträgern bis heute schwer.

Dennoch reichte der Konsens in der EU-27 so weit, russisches Rohöl und Derivate auf die Sanktionsliste zu setzen. Gas hingegen ist noch immer nicht sanktioniert – und füllt Wladimir Putins Kriegskasse Tag für Tag. Neben Deutschland hat sich Österreich vehement gegen ein Importverbot ausgesprochen. Die Abhängigkeit von Lieferungen sei zu hoch, als dass man sofort darauf verzichten könnte. Bis 2027 ja, hieß es kurz nach Ausbruch der Krise aus dem schwarz-grünen Regierungslager.

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Die Fakten sind andere. Statt gesunken ist der Russland-Anteil an Österreichs Gasimporten zuletzt gestiegen – sogar dramatisch. Mit 98 Prozent war er im Dezember so hoch wie nie, 97 Prozent waren es im Jänner, ist der Regierungs-Website zu entnehmen. Mit einer Diversifizierungsverpflichtung für die rund 60 Unternehmen, die in Österreich Gashandel betreiben, will Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) nun dagegen vorgehen und russisches Erdgas hinauszwingen.

Dafür braucht es eine Zweidrittelmehrheit. Ob die SPÖ mitgeht, ist alles andere als sicher. Die FPÖ hat bereits abgewunken. Noch gibt es außerdem die Gesetzesvorlage gar nicht.

OMV-Verträge überprüfen

Zudem soll der Ausstieg aus den OMV-Verträgen mit Gazprom vorbereitet werden. Diese sehen Gaslieferungen bis zum Jahr 2040 im Ausmaß von jährlich sechs Milliarden m3 vor; Gas, das bei Nichtinanspruchnahme dennoch zu bezahlen wäre – take or pay. Damit wird sich früher oder später wohl ein internationales Gericht beschäftigen müssen.

Die Langfristverträge der OMV sind der Hauptgrund, warum Österreich bei insgesamt verringerten Importmengen noch immer einen so hohen Anteil an russischem Gas hat. Und dass die vereinbarten Mengen auch tatsächlich wieder am vereinbarten Übergabepunkt in Baumgarten ankommen.

Deutschland war ohne Wahl

Deutschland hingegen war gezwungen, in kürzester Zeit Alternativen für russisches Gas zu finden. Nord Stream, bis dahin Haupttransportweg für russisches Gas nach Deutschland, ist bekanntlich durch eine gezielte Aktion noch unbekannter Täter im September 2022 in der Ostsee zerstört worden.

Wenn man die Abhängigkeit der EU-27 von russischem Gas betrachtet, ist diese mittlerweile deutlich gesunken: von gut 45 Prozent vor Ausbruch des Krieges auf knapp 15 Prozent 2023. Gut sechs Prozent davon sind russisches LNG. In Österreich sind etwa zwei Prozent des Gases auf russisches LNG zurückführbar.

Deutliche Entspannung

Sollte kein russisches Gas mehr nach Europa kommen, wäre dies kompensierbar durch LNG-Importe aus anderen Weltregionen, sagt Georg Zachmann vom Brüsseler Thinktank Bruegel, im STANDARD-Gespräch. Die Lage habe sich gegenüber vergangenem und vorvergangenem Jahr deutlich entspannt. Es gebe massig Flüssigerdgas und mittlerweile genügend Verlade- und Entladeterminals.

Für Ungarn, die Slowakei und Österreich zeichne sich eine weniger erfreuliche Situation ab, die Gaspreise würden wohl steigen. Das deshalb, weil die genannten Länder nicht mehr am Anfang der Lieferkette stünden, sondern am Ende. Weil Italien kein Gas mehr über Baumgarten bezieht, hat sich auch die Liquidität am regionalen Gasmarkt verringert. Das hat zur Folge, dass die Preise jetzt schon höher sind als notwendig. (Günther Strobl, 18.3.2024)