Am Montag hat das kroatische Verfassungsgericht entschieden, dass Staatspräsident Zoran Milanović bei der Parlamentswahl am 17. April nicht als Spitzenkandidat für die Sozialdemokraten (SPD) kandidieren darf. Ein Staatschef dürfe sich während seines Amtes nicht an politischen Aktivitäten einer politischen Partei beteiligen, so die Richter.

Milanović hatte am Freitag angekündigt, als Spitzenkandidat in den Wahlkampf zu gehen, aber trotzdem Präsident bleiben zu wollen. Nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts begann er sogleich, den Präsidenten des Verfassungsgerichts zu beschimpfen, er nannte diesen einen Betrüger. Über die Entscheidung selbst sagte er: "Solche Bauern sind auch Analphabeten, weil die Entscheidung analphabetisch ist. Ein gebildeter Mensch, zumindest einer, der die Fahrschule abgeschlossen hat, hat ein Problem mit dem, was dort geschrieben steht."

Zoran Milanović darf als Präsident nicht gleichzeitig Spitzenkandidat bei einer Parlamentswahl sein.
AP/Markus Schreiber

"Politische Gewalt"

Er meinte, dass der Verfassungsgerichtshof kein Recht, sondern "politische Gewalt" ausübe, und kündigte an: "Am Ende werde ich Premierminister sein. Aber ich werde dieser Bande nicht sagen, wie." Er behauptete zudem, dass das Verfassungsgericht Kroatien in eine Krise treibe, und kündigte eine "dritte Republik" an, die sich vom "derzeitigen Bordell" unterscheiden werde. Milanović ist für seine Ausfälligkeiten und seine Freundlichkeit gegenüber dem Kreml-Regime bekannt.

Der kroatische Politikanalyst Davor Gjenero meint, dass es Milanović darum gehe, die Glaubwürdigkeit des Verfassungsgerichts zu untergraben und die demokratischen Institutionen in Kroatien zu schwächen. "Wir waren seit 1999 nicht in einer derartigen Verfassungskrise", sagt Gjenero zum STANDARD. Der Experte, der seit Jahren vor Milanović warnt, befürchtet, dass der Präsident auch nach der Wahl sein demokratiepolitisch gefährliches Spiel fortsetzen wird. So könnte Milanović etwa der konservativen HDZ, die die Wahl wahrscheinlich gewinnen wird, die Bildung eines Kabinetts verweigern und ein Kabinett seiner Wahl einsetzen.

Der Staatschef nutzt immer wieder soziale Medien, um die Leute aufzuhetzen. Er kreiert – ähnlich wie Donald Trump – Verschwörungstheorien und Außenfeinde, um sein eigenes problematisches Vorgehen zu legitimieren. Gjenero verweist darauf, dass die meisten vernünftigen Politiker bereits seit langem die Sozialdemokratische Partei Kroatiens verlassen hätten.

Buhlen um Rechte

Milanović, der immer wieder öffentlich seine Kritiker beschimpft, punktet auch bei nationalistisch gesinnten Kroatinnen und Kroaten. Bei manchen Themen hat er die HDZ rechts überholt. So verlieh er etwa kroatischen Militärs, die im benachbarten Staat Bosnien und Herzegowina Kriegsverbrechen begangen haben und dafür verurteilt wurden, Auszeichnungen. Genau diese extrem rechts gerichteten Kroaten will Milanović offensichtlich auf seine Seite ziehen. In den vergangenen Jahren hat er sich immer wieder negativ zur Ukraine und freundlich zum Kreml geäußert. Den Kroaten Željko Runje, Vizepräsident des größten staatlichen russischen Ölkonzerns Rosneft, der unter Sanktionen steht, nannte Milanović "einen Freund und Verwandten". In Kroatien gibt es deshalb auch die Befürchtung, Milanović könne auch im Sinne des Kreml versuchen, die Demokratie in Europa zu untergraben.

Milanović gibt sich manchmal progressiv, doch das ist sehr oberflächlich. Er fiel mit sexistischen Bemerkungen auf, so machte er sich etwa über die MeToo-Bewegung lustig. Als Grund für seine Kandidatur bei der Parlamentswahl gab er ursprünglich die Ernennung von Ivan Turudić zum neuen Generalstaatsanwalt Kroatiens an. Milanović geht es dabei ganz offensichtlich darum, seinen Hauptgegner, Regierungschef Andrej Plenković von der mächtigen konservativen HDZ, herauszufordern.

Milanović und Plenković verbindet eine langjährige innige Feindschaft, die sie immer wieder öffentlich austragen. Der Staatschef kündigte eine Regierung der "nationalen Rettung" an, er werde die "Augiasställe" ausmisten, die Plenković "und seine Tyrannen zurückgelassen haben", meinte er in dem für ihn typischen brachialen Tonfall.

Unabhängigkeit der Justiz in Gefahr

Tatsächlich hat die Ernennung von Turudić – der von der HDZ unterstützt wurde – bei vielen Kroatinnen und Kroaten zu Kritik und Verunsicherung geführt. In der Essenz geht es nämlich darum, dass die Unabhängigkeit der Justiz in Gefahr ist, die in Kroatien ohnehin nicht besonders etabliert ist. Turudić, der für vier Jahre ernannt wurde, steht nämlich mit Personen in Verbindung, die wegen Korruption entweder verurteilt oder verdächtigt wurden.

Turudić pflegt Kontakt zu einem der umstrittensten Kroaten, dem Ex-Chef von Dinamo Zagreb, Zdravko Mamić, der sich in die Herzegowina, also in den Nachbarstaat, absetzte, als er des Steuerbetrugs für schuldig befunden wurde. Ähnlich wie im Fall des ehemaligen ÖVP-Manns Thomas Schmid, dessen Handynachrichten ein Sittenbild der Partei lieferten, verraten auch Whatsapp-Nachrichten von Turudić einiges über den mächtigsten Staatsanwalt Kroatiens.

Die ehemalige HDZ-Staatssekretärin Josipa Pleslić (früher Rimac), die schwerer Korruptionsdelikte verdächtigt wird, nannte er beim Chatten "Schönheit". Sie nannte ihn "meine Freude". Pleslić wurde bereits 2020 festgenommen, der Prozess gegen sie hat allerdings noch nicht begonnen, weil die Akten aufgrund ihres enormen Umfangs noch nicht durchgearbeitet sind.

Korruptionsfälle

Besonders heikel ist Turudićs Kritik an der Europäischen Staatsanwaltschaft (EuStA). Die EuStA untersucht nämlich gerade zwei große Korruptionsfälle, die HDZ-Politiker betreffen. Einmal geht es um den Missbrauch von EU-Mitteln über 1,3 Millionen Euro durch die ehemalige Ministerin für EU-Mittel, Gabrijela Žalac, und drei ihrer Mitarbeiter. Auch gegen den ehemaligen HDZ-Landwirtschaftsminister Tomislav Tolusić wird ermittelt. Er wird verdächtigt, 600.000 Euro an EU-Mitteln für seinen privaten Weinbaubetrieb ausgegeben zu haben. Turudić sagte kürzlich, er sei sich nicht sicher, ob Kroatien in Zagreb wirklich ein Büro für die Europäische Staatsanwaltschaft habe einrichten sollen. Möglicherweise wäre es besser gewesen, Kroatien hätte das nicht getan.

Einen ganz ähnlichen Ton wie Turudić schlägt Premier Plenković an, wenn es um die Europäische Staatsanwaltschaft geht. Er behauptete, dass die EuStA nicht dafür zuständig sei, den mutmaßlichen Missbrauch von Geldern für den Wiederaufbau nach dem Erdbeben 2020 in Zagreb zu untersuchen, da es sich angeblich nicht um EU-Mittel handle. Der Regierungschef meinte, zuständig sei alleine das kroatische Büro zur Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität (Uskok).

"Gab es Betrug oder nicht?"

Die Generalstaatsanwältin der EuStA, Laura Kövesi, konfrontierte Plenković wegen dieser Aussagen nun öffentlich: "Das ist ein Paradebeispiel dafür, wie Politiker Bürger vernebeln. Es wird versucht, die Kompetenz der EuStA infrage zu stellen, während die eigentliche Frage, die die Bürger interessiert, lautet: Gab es Betrug oder nicht?" Falls die Arbeit der EuStA behindert werde, werde sie nicht zögern, dies der Europäischen Kommission zu melden, was den regelmäßigen Fluss europäischer Gelder nach Kroatien gefährden könnte. "Wir lassen uns nicht einschüchtern", so Kövesi.

Die zahlreichen Korruptionsfälle unter der HDZ-Regierung werden mit Sicherheit den Wahlkampf prägen. Im jüngsten Bericht der NGO Civil Liberties Union for Europe, die die "bürgerlichen Freiheiten" der Menschen in der EU wahren will, wurde bemängelt, dass auch in Kroatien – neben Ungarn und Bulgarien – die demokratische Kontrolle im Sinne der Gewaltenteilung unzureichend ist. Zudem wird in dem Bericht festgehalten, dass in Kroatien marginalisierte Gruppen vernachlässigt oder sogar angegriffen werden. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 19.3.2024)