Frühlingsanfang heißt üblicherweise auch: Eine neue Version des Linux-Desktops Gnome ist nicht weit. Wie ein gut geöltes Uhrwerk veröffentlicht das Open-Source-Projekt zweimal im Jahr ein großes Update, das sowohl strukturelle Verbesserungen als auch neue Funktionen enthält. Nun ist es wieder einmal so weit: Gnome 46 ist da.

Globale Suche

Eine der wichtigsten Neuerungen ist dabei wohl im Dateimanager zu finden, der in früheren Jahren einmal unter dem Namen Nautilus firmierte. Dort gibt es nun eine globale Suche, die Inhalte quer durch alle Verzeichnisse aufspüren kann – und zwar auch anhand von deren Inhalten. Erreicht werden kann diese über ein neues Icon ganz links oben beim Fenster.

GNOME 46
Gnome 46 ist da, und es ist gut geworden.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Passend dazu gibt es einen neuen Einstellungsdialog, in dem die Nutzerinnen und Nutzer selbst bestimmen können, welche Verzeichnisse für die Suche ein- oder ausgenommen werden können. Wer will, kann dabei auch Ordner außerhalb des Home-Directorys in die Suchfunktion einbinden. Wie gewohnt kann die Suche zudem nach Dateityp oder Datum eingeschränkt werden, und natürlich kann auch weiterhin auf Wunsch exklusiv im gerade aktuellen Verzeichnis gestöbert werden.

Im Detail

Ebenfalls neu ist der Umgang mit zeitintensiven Aufgaben, etwa dem Kopieren großer Datenmengen. Ein entsprechender Dialog wird nun im linken unteren Eck des Sidebars positioniert, wenn gleichzeitig mehrere Aufgaben aktiv sind, werden sie untereinander präsentiert.

Wer will, kann bei den Informationen zu Datum und Uhrzeit in der Listenansicht jetzt deutlich mehr Details anzeigen, bei der Icon-Ansicht werden favorisierte Verzeichnisse nun mit einem Stern versehen. Aber für viele wohl noch wichtiger: Der Wechsel zwischen Icon- und Listenansicht ist deutlich flotter als bislang – im Test erfolgte dieser nun wirklich umgehend.

GNOME 46
Die globale Suche kann direkt über das Icon links oben beim Fenster erreicht werden, was dabei durchsucht wird, können die Nutzerinnen und Nutzer selbst entscheiden.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Im Umbau befindet sich gerade die Darstellung von Benachrichtigungen bei Gnome. In der aktuellen Version heißt das zunächst, dass mit einer standardisierten Titelzeile angezeigt wird, von welcher App eine Notification stammt. Mit einer folgenden Release soll dann der nächste Schritt folgen – die Gruppierung mehrerer Benachrichtigung einer App in einem einzelnen Eintrag, ähnlich wie man es von mobilen Betriebssystemen kennt.

Online-Anbindung

Über die Gnome Online Accounts gibt es die Möglichkeit, den Desktop zentral mit den Cloud-Diensten diverser Anbieter zu verbinden – von Nextcloud bis zu Microsoft und Google. Ganz neu ist dabei der Support für OneDrive, das nach der Einrichtung direkt über den Dateimanager aufgerufen werden kann.

Nicht minder wichtig: Zur Authentifizierung wird nun der standardmäßig eingestellte Webbrowser genutzt, was zusätzliche Optionen zum Login eröffnet. So klappt die Einbindung von Google-Konten nun etwa auch, wenn diese mit einem USB-Token abgesichert sind. Parallel dazu wurden die Online-Accounts auf GTK4 portiert und damit auf die aktuelle Generation jenes grafischen Toolkits, das dem Linux-Desktop zugrunde liegt.

GNOME 46
Die Einbindung von Online-Konten wurde neu gestaltet.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Parallel dazu macht das Projekt aber auch einen kleinen Rückzieher bei der Cloud-Anbindung: Dieser Dialog wird nun nämlich nicht mehr beim ersten Login auf einem frischen Desktop präsentiert. Wer all das einrichten will, muss sich also schon selbst in die Systemeinstellungen bequemen.

Software und Maps

Die Softwarezentrale von Gnome erhält wieder mal ein bisschen optischen Feinschliff und auch so manche Performance-Optimierung. Die wichtigste sichtbare Änderung ist, dass nun bei Apps, wo das Paket vom Originalautor stammt, ein entsprechender Badge angezeigt wird. Konkret geht es dabei um von Flathub bezogene Pakete, wo dieses Konzept vor einigen Monaten eingeführt wurde.

GNOME 46
In der Softwarezentrale wird nun bei Paketen von Flathub angezeigt, wenn das Paket direkt von den Entwicklerinnen und Entwicklern des jeweiligen Projekts stammt.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Eine ganze Reihe an Neuerungen gibt es bei der Kartenanwendung Gnome Maps. Im experimentellen Kartenmodus wird jetzt ein eigenes Gnome-Theme für die Kartendarstellung genutzt, dazu gehört auch ein passender Dark Mode. Wer all das verwenden will, muss diesen Modus allerdings noch immer über das Ebenenmenü explizit auswählen. Mit der nächsten Version von Gnome Maps will man sich dann aber von den alten OpenStreetMaps-Tiles als Default-Wahl verabschieden.

Die Icons für Sehenswürdigkeiten sind auch in dieser Ansicht nun direkt klickbar. Und bei Pop-ups zu einzelnen Orten wird nun im Bedarfsfall auch das Stockwerk angezeigt – nützlich etwa, um ein Geschäft in einem Einkaufszentrum zu finden.

Es naht ein Problem

Für die nahe Zukunft hat das Projekt – indirekt – aber wesentlich weniger erfreulichere Nachrichten parat. Die recht kurzfristig angekündigte Einstellung des Mozilla-Location-Service bringt nämlich auch das Gnome-Projekt in Nöte. Ist man doch vermittels der Geoclue-Bibliothek bisher für die Standortermittlung stark von diesem Service abhängig. Derzeit ist noch unklar, was das für die Zukunft bedeutet, ein direkter Ersatz drängt sich bisher nicht auf.

GNOME 46
Gnome Maps bekommt wieder einige Neuerungen.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Der System-Monitor von Gnome wurde ebenfalls auf GTK4 portiert, leider handelt es sich dabei aber um eine Art Minimalumsetzung ohne relevante Änderungen an der Oberfläche. Am Rande: Das Programm könnte dringend mal eine Modernisierung vertragen, wie alternative Programme wie Mission Center oder Resources sehr gut zeigen.

Ein bisschen ähnlich verhält sich das bei Gnome Music, auch das basiert nun auf GTK4 und der Gnome-eigenen Libadwaita. Hier wurde die Oberfläche zumindest leicht modernisiert, auch ein frischer Einstellungsdialog ist dazugekommen. Der Support für Last.fm wurde hingegen gestrichen.

Eine Frage der Einstellung

Eine größere Reorganisation hat bei den Systemeinstellungen stattgefunden. So wurden diverse Kategorien zusammengefasst, die Einstellungen zu Apps und die Wahl der Default-Apps für einzelne Dateitypen finden sich nun beispielsweise beim selben Eintrag. Auch Sicherheit und Privatsphäre wurden kombiniert. Dazu kommt noch einiger optischer Feinschliff sowie kleinere Neuerungen wie zusätzliche Touchpad-Einstellungen.

Neben der klassischen Bildschirmfreigabe gibt es nun auch direkt in den Gnome-Einstellungen die Option, eine Fernanmeldung auf den eigenen Desktop zu erlauben. Dieser bietet für den Client auf der anderen Seite zusätzliche Möglichkeiten – etwa die freie Wahl der Bildschirmauflösung. Auf der technischen Seite funktioniert das via RDP.

GNOME 46
Die Einstellungskategorien wurden aufgeräumt, ganz neu ist die Einrichtung der Fernanmeldung für den eigenen Desktop.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Flotter ist immer besser

Gnome 46 zeichnet sich zudem durch eine Reihe von Performance-Verbesserungen in unterschiedlichen Bereichen aus. Dazu zählen eine gesteigerte Geschwindigkeit bei der Anzeige von Bildern und ein effizienteres Screen-Recording dank der Nutzung von Hardwarebeschleunigung über das H.264-Codec – falls dies auf einem System vorhanden ist.

Eine ganze Fülle an performancerelevanten Optimierungen gab es an der VTE-Bibliothek, die die Basis für viele Kommandozeilenanwendungen bildet. Dazu gehören neben der aktuellen Gnome-Default-Wahl Console auch der alte Gnome Terminal sowie das noch recht neue Ptyxis. Letzteres stammt vom Autor der Entwicklungsumgebung Gnome Builder, der auch für die aktuellen Geschwindigkeitsverbesserungen bei VTE zu großen Teilen verantwortlich zeichnet. Ptyxis glänzt dabei vor allem mit einem Fokus auf die Nutzung von Containern.

An der Basis

Beim Toolkit GTK wurden zwei neue Renderer eingeführt, die in vielerlei Hinsicht den Weg in die Zukunft bereiten sollen. Etwa für den verstärkten Einsatz der Grafikkarte beim Rendering, aber auch für ein besseres Farbmanagement – nicht zuletzt mit dem Blick auf die Unterstützung von HDR-Inhalten mit entsprechenden Monitoren. Derzeit sind die neuen Renderer zwar noch etwas langsamer als die bisherige Lösung, das Projekt geht aber davon aus, dass sich das künftig ändern wird.

Aktuell profitieren Gnome-User von diesem Umbau vor allem durch eine verbesserte und schärfere Darstellung von grafischen Elementen sowie Schriften. Das gilt insbesondere bei der Nutzung von fraktionaler Skalierung für den Desktop, also wenn man beispielsweise Inhalte mit 125 Prozent darstellen will. Apropos bessere Darstellungsqualität: Die Bildschirmhintergründe von Gnome werden nun mit JPEG-XL kodiert, wodurch sie gezielter optimiert werden können. Passend dazu gibt es auch gleich wieder einen Schwung an neuen Wallpapers.

GNOME 46
Neue Wallpapers dürfen natürlich nicht fehlen – noch dazu in besserer Qualität.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Sicherheit und variable Bildwiederholraten

Eine interessante Sicherheitsverbesserung: Die Anzeige von Bildern über das im Desktop enthaltene Tool erfolgt nun in einer Sandbox, isoliert vom restlichen System. Beim Kern-Desktop selbst – also der Gnome Shell – gibt es zumindest eine erwähnenswerte Verbesserung: Die als Favoriten im Dash abgelegten Apps können jetzt automatisch über einfach zu merkende Tastatur-Shortcuts erreicht werden. Die von links gezählte erste App ist immer über Strg+Super+1 erreichbar, die zweite über Strg+Super+2 und so weiter.

Eine sehr spannende Entwicklung gibt es beim Fenstermanager Mutter. Allerdings eine, die von Haus aus noch versteckt ist. Unterstützt Gnome darüber nun doch variable Bildwiederholraten. Das Ganze muss zwar noch über eine versteckte Einstellung manuell aktiviert werden, mittelfristig verspricht das aber eine bessere Darstellung von Videos, Spielen und Co. Ansonsten steht bei Mutter gerade Großreinemachen auf dem Programm, also das Verabschieden von vielen nicht mehr aktuellen Softwareabhängigkeiten. Mittelfristig ist das Ziel des gesamten Desktops, vollständig ohne installierten X-Server auszukommen, also auf einem reinen Wayland-System zu laufen.

Barrierefreiheit

Ein großer Schwerpunkt der aktuellen Entwicklungen ist die Verbesserung der Barrierefreiheit, diese hat seit den Anstrengungen von Sun rund um Gnome Anfang der 2000er-Jahre nämlich deutlich an Qualität verloren. In Gnome 46 machen sich die neuen Anstrengungen unter anderem über zahlreiche Verbesserungen beim Screenreader Orca bemerkbar – von der Performance über Zuverlässigkeit bis zu einer experimentellen Unterstützung für Sprachausgabe.

Verfügbarkeit

Gnome 46 ist ab sofort in Form des Quellcodes der einzelnen Komponenten verfügbar und wird bald in die Entwicklungsversionen diverser Linux-Distributionen einfließen. So soll es die Basis für die in wenigen Wochen folgenden Fedora 40 und Ubuntu 24.04 bilden.

Wer einfach nur mal gefahrlos in den aktuellen Stand des Gnome-Desktops hineinschnuppern will, kann zu einem Download von Gnome OS greifen, das wahlweise als Live-System von einem USB-Stick oder in einer virtuellen Maschine läuft. (Andreas Proschofsky, 20.3.2024)