Jürgen Melzer und Dominic Thiem
Nur als Daviscup-Kapitän hat Sportdirektor Jürgen Melzer mit Dominic Thiem direkt zu tun – wie beim Daviscup-Match gegen Kroatien (1:3) im Februar 2023.
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Natürlich war die Leistung grottenschlecht. Steht man vier Meter hinter der Grundlinie, dann gewinnt man, falls überhaupt, einen bei der Tankstelle gekauften Blumenstrauß. Dominic Thiem hat also beim Sandplatz-Challenger in Zadar im Achtelfinale gegen Landsmann Lukas Neumayer 2:6, 1:6 verloren, dieses Resultat fällt in die Rubrik "Debakel".

Form von Genialität

Es ist eine österreichische Eigenschaft, sich nicht mit dem 21-jährigen Sieger, der die Nummer 219 im Ranking ist, zu freuen, sondern über den 30-jährigen Verlierer zu lästern. Thiem trägt eine Teilschuld, es lag an ihm und seinem Umfeld (u. a. Günter Bresnik), ein außergewöhnlicher Tennisspieler zu werden. 17 Titel, darunter 2020 die US Open, sind ein unumstrittener Beleg für eine Form von Genialität. Die großen Zeiten sind Geschichte, der Niederösterreicher ist vor langer Zeit nicht zuletzt aufgrund einer Handgelenksverletzung in ein finsteres Loch gefallen, um in diesem zu verharren. Er selbst weiß das, hat zuletzt Rücktrittsgedanken geäußert. "Wenn ich weiter verliere, werde ich aufhören. In jedem Job musst du dich wohlfühlen, sonst ist es Zeit, etwas zu ändern." Prinzipiell habe er aber vor, 2024 keinen Schlussstrich zu ziehen. "Ich will mich verbessern."

Spott und Häme

In den Internetforen und sozialen Medien sieht er sich Spott und Häme ausgesetzt, andere User haben Mitleid, es gibt natürlich auch jene Gruppe, die ihm durchaus Respekt zollt. Was liegt, das pickt. Insofern ist Resthoffnung vorhanden. Warum Thiem polarisiert, ist rätselhaft, er ist immer brav, lange sehr erfolgreich und kein Fußballer gewesen, unüberlegte Wortmeldungen liegen unter der Wahrnehmungsgrenze.

Jürgen Melzer, der Sportdirektor des österreichischen Tennisverbands, bekommt all das zumindest am Rand mit. "Lasst Thiem in Ruhe", sagt er dem STANDARD. "Die schlauen Internetclowns sollen vor der eigenen Türe kehren." Thiem sei nur sich selbst verantwortlich. "Er tut niemandem weh, schuldet niemandem etwas, er kann spielen, wo und so lange er will. Irgendwann wird er eine Entscheidung treffen. Es ist sein Leben, seine Karriere. Es geht um seine Zufriedenheit. Er braucht keine Tipps." Melzer hat zu Thiem kaum Kontakt. "Ich maße mir nicht an, Urteile abzugeben, irgendetwas zu kritisieren."

Unkommentierte Information

Der legendäre Thomas Muster hatte Ende Jänner in der Causa Thiem im STANDARD für Entspannung plädiert: "Es ist nicht mein Bier, er braucht keine Besserwisser. Er muss es lösen. Er soll mit oder ohne Tennis glücklich sein." In der nächsten Woche spielt Thiem den Sandplatz-Challenger in Neapel. "Das geht nur ihn etwas an", sagt Melzer. Aus Gründen der Informationspflicht wird der Ausgang vermeldet. Unkommentiert. Das hat ein ehemaliger Weltranglisten-Dritter verdient. Zur Erinnerung: Dem Debakel von Zadar war eine glatte Erstrundenniederlage in Székesfehérvár gegen Daniel Michalski vorausgegangen. Der Pole ist die Nummer 295. (Christian Hackl, 21.3.2024)