Die Nachricht kam am Dienstag, dem 12. März, um 23.07 Uhr: "Wir werden euch schreddern. Ihr werdet schließen müssen. Idioten. Fickt euch", stand im Whatsapp-Chat eines Mitglieds der Chefredaktion eines bekannten Online-Mediums. Der Absender: der Kabinettschef der Regierungspräsidentin. „Ist das eine Drohung?", war die empörte Rückfrage. "Nein, eine Ankündigung", lautete die Antwort. Russland? Ungarn? Weit gefehlt. Wir befinden uns in der von dem konservativen Partido Popular (PP) regierten spanischen Hauptstadtregion Madrid.

Isabel Diaz Ayuso hält nichts von kritischer Recherche, wenn es um ihren Lebensbereich geht.
IMAGO/Alberto Gardin

"Eldiario.es", Spaniens wichtigste Online-Zeitung, hatte kurz zuvor eine Recherche veröffentlicht. Alberto González Amador, Lebenspartner der Regionalpräsidentin Isabel Díaz Ayuso, erwartet ein Prozess wegen Steuerbetrugs im großen Stil. Mit falschen Rechnungen, ausgestellt von Unternehmen, ohne weitere Aktivitäten, "sparte" der Vermittler von Produkten aus dem Gesundheitswesen über 350.000 Euro Steuern für Einnahmen von zwei Millionen während der Covid-Pandemie. Er kaufte zwei Luxuswohnungen in Madrid und zog dort mit Ayuso ein. In der Garage steht ein teurer Sportwagen, dessen Kfz-Steuer und Strafzettel er ebenfalls schuldig ist.

"Es ist falsch, dass er dem Finanzministerium 350.000 Euro wegen Betrugs schuldet. Es ist das Finanzministerium, das ihm fast 600.000 Euro schuldet", erklärte Ayuso überraschend auf einer Pressekonferenz. Alle Anschuldigungen seien frei erfunden. Es handle sich um "einen zwielichtigen Fall aller Institutionen des Staates gegen einen anonymen Bürger (…) ein Privatmann, der von der ganzen Macht eines Staates getroffen wird, weil er mein Partner ist (…) Sie wollen mich zerstören und zerstören ihn", spielt sie sich zur furchtlosen Opponentin gegen die spanische Linkskoalition unter Pedro Sánchez auf, der im Hintergrund die Fäden ziehe würde. Und zum Abschluss dann Gossentheater: "Solange alles mit sauberem Geld gekauft wurde, steht es mir frei, in dieses Auto zu steigen oder in dieses Bett zu schlüpfen, und ich muss keine weiteren Erklärungen abgeben."

Doch große Lügen straft ein gutes Rechercheteam sofort. "Eldiario.es" veröffentlichte ein Schreiben des Anwalts von González Amador. Darin gesteht dieser Steuerbetrug und Dokumentenfälschung und bittet die Staatsanwaltschaft um eine außergerichtliche Einigung. Zu spät. Das Gerichtsverfahren ist in Vorbereitung. González Amador kann zu mehreren Jahren Haft verurteilt werden.

Schredder angeworfen

Angesichts des Scherbenhaufens warfen Ayuso und ihr Kabinettschef Miguel Ángel Rodríguez, der bereits unter dem ehemaligen spanischen Ministerpräsidenten José María Aznar Journalisten drohte, sie in den Knast zu bringen, den Schredder an. Am vergangenen Mittwoch in der Früh rieb sich so mancher die Augen beim Blick ins Netz. Von zwei vermummten Journalisten von "Eldiario.es", die mit Gewalt versucht hätten, in die Wohnung von Ayuso einzudringen, war in den rechten Online-Medien zu lesen. Außerdem hätten zwei weitere Reporter der größten spanischen Tageszeitung "El País" Nachbarn, darunter selbst Minderjährige, belästigt, damit diese Aussagen zu Ayuso machen. Die beiden wurden mit Namen und Foto gezeigt, wie sie sich auf einem Platz unweit des Hauses miteinander unterhalten.

Politiker aus den Reihen des konservativen PP teilten und kommentierten dies in den Netzwerken. So etwas habe es in der Demokratie noch nie gegeben. Das Spanien unter Sánchez sei eine gesetzlose Diktatur. Nach Protesten der betroffene Medien und von Journalistenverbänden gab Rodríguez zu, er habe diese Falschinformationen in die Welt gesetzt – in "privaten Unterhaltungen".

Skandal in Covid-Krise

Das Verhältnis von Ayuso zur nicht von ihr mit institutioneller Werbung hörig gemachten Presse ist seit langem angespannt. Denn der Skandal um die Steuermoral ihres Lebenspartner ist nicht der erste. So wohnte Ayuso im Lockdown in der Luxussuite eines Madrider Hotels für 6.000 Euro im Monat, ohne dass geklärt ist, wer dies bezahlte. In den Altersheimen der Region starben 7.291 alte Menschen an Covid, ohne in ein Krankenhaus verlegt zu werden, weil die Regierung Ayuso dies so angeordnet hatte. "Sie wären so oder so gestorben", verteidigt die Konservative dies bis heute. Im April 2020 schanzte Ayuso ihrem Bruder einen Vertrag für Atemschutzmasken zu. Über 240.000 Euro verdiente er damit. Ihr Vater befreite sich von der Rückzahlung eines sechsstelligen öffentlichen Kredits, die Mutter und ein Ex-Partner von Ayuso sollen mit dubiosen Verträgen Hunderttausende eingestrichen haben.

Ayusos Gegner leben gefährlich. Der ehemalige PP-Vorsitzende Pablo Casado beklagte sich öffentlich über den anrüchigen Maskendeal der Geschwister Ayuso und erfuhr den innerparteilichen Einfluss der Madrilenin mit voller Wucht: Er musste wenig später seinen Hut nehmen. Zwei Beamte, die einen Antrag auf Baugenehmigung für die beiden Luxuswohnungen von González Amador abgelehnt hatten, wurden versetzt.

Am Mittwochabend forderten mehrere hundert Menschen erstmals lautstark vor der PP-Zentrale den Rücktritt von Ayuso. Einige Straßenzüge weiter war die Präsidentin der Region so frei, einmal mehr in besagtes Bett zu steigen, auch wenn mittlerweile klar ist, das die Wohnung nicht mit sauberem Geld finanziert wurde. (Reiner Wandler aus Madrid, 22.3.2024)