Eine gute wirtschaftliche Entwicklung garantiert noch keiner Regierung eine Wiederwahl, in den USA macht gerade Präsident Joe Biden diese Erfahrung. Die US-Wirtschaft brummt, aber in Umfragen liegt sein Herausforderer Donald Trump vorn. Aber wenn schon gute Wirtschaftsdaten nicht helfen, was ist dann erst bei schlechten? Diese Frage dürfte die Politik in Österreich in den kommenden Wochen noch beschäftigten. Im Herbst stehen bekanntermaßen die nächsten Parlamentswahlen an, und nach den aktuellen Prognosen bleibt das wirtschaftliche Umfeld bis dahin eher schwach.

Wifo-Chef Gabriel Felbermayr (links) und IHS-Chef Holger Bonin präsentierten am Freitag die neuen Prognosen ihrer Institute.
APA/ROLAND SCHLAGER

Am Freitag haben die beiden führenden Forschungsinstitute Wifo und IHS ihre neuen Prognosen für 2024 und 2025 präsentiert. Kernaussage: Die noch vor wenigen Monaten für heuer vorhergesagte Erholung ist vorerst abgesagt. Noch im Dezember hatte das Wifo erwartet, dass die heimische Wirtschaft heuer um 0,9 Prozent zulegen werde, das IHS hatte 0,8 erwartet. Schon das war eher bescheiden, doch selbst diese Werte dürften nicht erreicht werden. Das Wifo rechnet für heuer mit Wirtschaftswachstum von gerade einmal 0,2 Prozent. Beim IHS sind es 0,5 Prozent. Der Aufschwung setzt laut IHS schon im zweiten Quartal ein, laut Wifo erst im dritten.

Konsum stützt Konjunktur etwas

Wie kommt so eine Korrektur in so kurzer Zeit zustande? Belastend wirken sich die hohen Zinsen aus. Sie sorgen dafür, dass Unternehmen wenig investieren und auch Häuselbauer zurückhaltend sind. Die Baubranche schrumpft heuer weiter, vor allem der Wohnbau schwächelt. Dieser Effekt ist offenbar deutlich stärker als bisher angenommen. Die Investitionen von Unternehmen in neue Maschinen und andere Ausrüstung wird laut Wifo heuer zurückgehen. Noch im Dezember hatte man dagegen mit einem Anstieg gerechnet. Schwächer als gedacht wird sich auch die Industrieproduktion entwickeln. Die hohen Zinsen sorgen europaweit dafür, dass die Nachfrage nach Industriegütern schwächelt. Etwas stützend sind die Konsumausgaben: Nach den Reallohnverlusten als Folge der Inflation 2021 und 2022 steigen die Einkommen heuer wieder spürbar. Interessant: Die Sparquote nimmt zu.

Die abgesagte Erholung bedeutet, dass Österreich de facto vor zwei verlorenen Jahren steht. 2023 war die Wirtschaft sogar geschrumpft, nun droht Nullwachstum. Erst 2025 dürfte die Konjunktur wieder anziehen, nicht zuletzt weil die Ökonomen da eine Zinssenkung erwarten. Da soll es auch wieder deutlicher nach oben gehen, das Wifo erwartet ein Wachstum von 1,8 Prozent.

Der Arbeitsmarkt bleibt weitgehend stabil, das ist eine gute Nachricht inmitten des ernüchternden Ausblicks, auch wenn die Arbeitslosigkeit etwas steigen wird. Auch die Inflationskrise ist zu Ende, nach 7,8 Prozent im vergangenen Jahr sollen die Verbraucherpreise heuer "nur" um 3,8 Prozent steigen. Das bedeutet, die heimischen Löhne werden über die Inflationsphase hinweg stärker gestiegen sein als bei europäischen Mitbewerbern. Zwischen 2019 und 2025 wird Österreichs Industrieproduktion im Vergleich zu ausländischen Konkurrenten um sechs Prozent teurer geworden sein, sagte Wifo-Chef Gabriel Felbermayr. IHS-Chef Holger Bonin sprach davon, dass ihm vor allem die schlechte Stimmung vieler Unternehmer Sorgen bereite. Ein Konjunkturprogramm sei nicht notwendig.

Lohnnebenkosten sollen sinken

Was ist dann notwendig? Sowohl Felbermayr als auch Bonin plädierten für eine Senkung der Lohnnebenkosten, etwa indem auf Löhnen basierende Beiträge zum Wohnbau und für Familienleistungen künftig stärker aus dem allgemeinen Steuertopf finanziert werden. Die Idee der beiden dahinter: Damit würde der heimische Standort attraktiver werden. Ist das nicht Dogma, niedrigere Steuern können ja auch einfach zu höheren Unternehmensgewinnen führen? Nein, sagt Felbermayr, die Belastung durch Lohnnebenkosten in Österreich sei im europäischen Vergleich sehr hoch. Eine Gegenfinanzierung der Reform könnte so aussehen, dass Boden höher besteuert wird. Gegen solche Gedankenspiele sprach sich Bonin aus.

Ein anderer interessanter Punkt: Die Abschaffung der kalten Progression trägt dazu bei, dass die Defizite in Österreich recht hoch sind und Spielräume für zusätzliche staatliche Investitionen kleiner werden. Zugleich steigt die Sparquote der privaten Haushalte heuer deutlich an, auf das Niveau des Noch-Pandemie-Jahrs 2022. Sprich: Viele Haushalte geben das zusätzlich verfügbare Geld nicht aus. War die Abschaffung der schleichenden Steuererhöhungen also ein Fehler? Auch das verneint Felbermayr. Die Abschaffung sei richtig gewesen, das Problem sei, dass aktuell das Konsumentenvertrauen fehle. Auch die höheren Lohnsteigerungen werden zum Teil offenbar weggespart und nicht ausgegeben, auch das sei kein Fehler gewesen. (András Szigetvari, 22.3.2024)