Maria Teresa Corsi sieht bereits die Gefahr einer neuen Deutschfeindlichkeit am Horizont. "Wir sind fassungslos darüber, dass ein deutsches Unternehmen uns eines der letzten großen Waldstücke zerstören will, die wir noch haben", betont die Umweltschützerin vom Verband Verdi Ambiente e Società (VAS, Grüne, Umwelt und Gesellschaft). Und sie hält es für ein Unding, dass dabei auch noch etliche Landwirtschaftsbetriebe teilweise enteignet werden sollen.

Apulien und ganz besonders die Provinz Lecce, die sich im "Stiefelabsatz" Italiens befindet, leide wegen des Klimawandels ohnehin schon unter vermehrter Hitze und Trockenheit. Und zu allem Unglück habe auch noch das Xylella-Bakterium weite Teile der jahrhundertealten Olivenhaine in der Region zerstört. "In dieser Situation ist für uns jeder einzelne Baum wertvoll", betont Corsi.

Auf Überwachungskameras ist die Teststrecke aus verschiedenen Perspektiven zu sehen. 
Mit seiner kreisrunden, 12,6 Kilometer langen und gegen innen leicht abfallenden Hochgeschwindigkeitspiste, auf der Spitzengeschwindigkeiten von über 400 km/h möglich sind, ist das Nardò Technical Centerin der Welt des Automobils einzigartig.
Theodor Barth / laif / picturede

Der Anlass für Corsis Empörung sind die Erweiterungspläne für das Nardò Technical Center (NTC) von Porsche Engineering zwischen der Barockstadt Nardò und dem Badeort Porto Cesareo am Ionischen Meer. Mit seiner kreisrunden, 12,6 Kilometer langen und gegen innen leicht abfallenden Hochgeschwindigkeitspiste, auf der Spitzengeschwindigkeiten von über 400 km/h möglich sind, ist das Testzentrum in der Welt des Automobils einzigartig. Ursprünglich vom Fiat-Konzern gebaut, gehört das NTC seit 2012 zu Porsche. Jahrzehntelang war das Testzentrum wegen der unzähligen dort aufgestellten Geschwindigkeitsrekorde der Stolz der einheimischen Bevölkerung – und außerdem ein verlässlicher, gerngesehener Arbeitgeber. Allein im vergangenen Jahr stellte das Nardò Technical Center mehr als 30 neue Mitarbeiter ein, darunter 25 Ingenieure, wodurch sich die Mitarbeiterzahl laut Porsche auf rund 200 erhöhte.

Ausbau geplant

Doch nun will Porsche das Zentrum im tiefen Süden Apuliens um 450 Millionen Euro modernisieren und ausbauen. Vorgesehen ist in mehreren Phasen der Bau neuer Teststrecken, auf welchen nicht zuletzt Elektrofahrzeuge erprobt werden können. Aber Porsche will auch auf andere technologische Veränderungen in der Automobilbranche reagieren, etwa auf automatisiertes Fahren, die Entwicklung neuer Fahrassistenzsysteme oder auch bezüglich Konnektivität, wie das Unternehmen auf Anfrage erklärte. Das Problem dabei: Den neuen Pisten und Infrastrukturen soll ein Wald von 200 Hektar zum Opfer fallen – das entspricht einer Fläche von rund 300 Fußballfeldern. Der ökologisch wertvolle Wald befindet sich – wie auch die bereits bestehenden Testeinrichtungen – innerhalb der 12,2 Kilometer langen Ringstrecke.

Das Nardò Technical Center betont, dass die Hälfte des abgeholzten Waldes, also rund 100 Hektar, nach Abschluss der Bauarbeiten wieder aufgeforstet werde. Weitere 500 Hektar Wald sollen als Kompensation auf Grundstücken außerhalb des Testgeländes aufgeforstet werden, was "deutlich über das gesetzliche Maß an Renaturierungsmaßnahmen" hinausgehe. Insgesamt sollen rund 1,2 Millionen Bäume neu angepflanzt werden. Außerdem sei ein Hubschrauberlandeplatz geplant, der auch der lokalen Notfallversorgung dienen werde. Hinzu kämen neue Fahrrad- und Spazierwege sowie Picknick- und Spielplätze, die ebenfalls der lokalen Bevölkerung zur Verfügung stünden. Die Bewilligungen der Standortgemeinde Nardò und der Regionalregierung von Apulien hat Porsche bereits erhalten.

Zwei Autos und ein Motorrad sind auf der Teststrecke unterwegs. 
Für die Erweiterung der Teststrecke muss Wald abgeholzt werden. Das sorgt für Empörung.
Theodor Barth / laif / picturede

Doch die Gegner der Erweiterung, zu denen auch der Heimatschutzverein Italia Nostra gehört, wollen weiter kämpfen: Sie haben beim Verwaltungsgericht eine Beschwerde gegen das Projekt eingereicht, an den EU-Umweltkommissar geschrieben und in zwei Petitionen bereits über 120.000 Unterschriften gesammelt. Die von Porsche geplanten ökologischen und gemeinnützigen Ausgleichsprojekte vermögen sie nicht zu beschwichtigen, im Gegenteil. "Der Wald steht unter dem Schutz der europäischen Habitatdirektive und darf nicht abgeholzt werden", betont Enzo Debonis, der wenige Dutzend Meter außerhalb der Ringstrecke ein Ferienhaus besitzt. Eine Rodung sei nur möglich, wenn das Projekt dem Gemeinwohl diene. "Und so hat Porsche einfach einen Hubschrauberlandeplatz und andere Wohltaten für die lokale Bevölkerung geplant – eine reine Schlaumeierei, mit der die Schutzbestimmungen für den Wald ausgehebelt werden", sagt Debonis.

Die meisten Kritiker stören sich nicht an den Erweiterungsplänen als solchen. Gerade die Hoteliers und Restaurantbesitzer von Nardò und Porto Cesareo sind froh um die vielen Testpiloten und Ingenieure, die aus der ganzen Welt anreisen und so auch in der langen Nebensaison für etwas Umsatz sorgen. Die Gegner der Erweiterung stören sich vor allem daran, dass die Porsche-Verantwortlichen keine alternativen Standorte für die neuen Pisten und Infrastrukturen in Erwägung gezogen hätten, obwohl es solche gäbe. "Für die geplanten Wiederaufforstungen müssen ja Hunderte von Hektar Land aufgekauft werden – warum baut Porsche die neuen Pisten nicht gleich auf diesen Flächen?," fragt sich Cosimo Manca von Italia Nostra, der Porsche "Arroganz" vorwirft. Manca hat überdies starke Zweifel am Erfolg der Aufforstungen: "Wasser für Bewässerung der versprochenen 1,2 Millionen neuen Bäumchen ist knapp, sie drohen in unserem heißen und trockenen Klima in wenigen Monaten zu verdorren."

Unterstützung aus Deutschland

Gefreut hat die süditalienischen Umweltschützer dagegen die Unterstützung, die sie inzwischen auch in Deutschland für ihr Anliegen erhalten. Das Stuttgarter Linksbündnis will Porsche vor den Gemeinderat zitieren: Die Ausbaupläne in Nardò widersprächen den Nachhaltigkeitsversprechen des Unternehmens. Die erweiterte Teststrecke entpuppe sich "zum Inbegriff von Rücksichtslosigkeit gegen Natur- und Landschaftsschutz", betonten die Fraktionschefs des Linksbündnisses. Der nationale Präsident des Umweltverbands VAS, Stefano Zuppello, will nun den direkten Kontakt mit der Spitze der deutschen Grünen suchen – in der Hoffnung, sowohl in Deutschland als auch in Italien gemeinsame Initiativen gegen das Erweiterungsprojekt ergreifen zu können.

Gegenüber italienischen Medien bekräftigte Porsche Engineering sein "Engagement für das Entwicklungsprojekt", betonte aber gleichzeitig, dass man offen bleibe für "Transparenz und Dialog". Das Nardò Technical Center warte nun auf die Entscheidung der Verwaltungsrichter – "im Vertrauen darauf, dass die Rechtmäßigkeit des Genehmigungsverfahrens für seinen Entwicklungsplan anerkannt wird". Man sei überzeugt, dass die Bewohner von der Entstehung neuer Arbeitsplätze und von der geplanten 450-Millionen-Euro-Investition profitieren würden. (Dominik Straub aus Nardò, 24.3.2024)