Lange fragte sich die Öffentlichkeit: Wann wird die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) mit Ermittlungen im Zusammenhang mit dem spektakulären Kollaps von René Benkos Signa beginnen? Bislang hat die WKStA immer nur kommuniziert, dass jede Menge Anzeigen vorliegen und diese auf einen Anfangsverdacht geprüft würden.

Am Freitagnachmittag hat sich das Blatt gewendet. Per Aussendung gab die Staatsanwaltschaft bekannt, dass gegen "Geschäftsführer einer Signa-Projektgesellschaft" ermittelt werde. Der Verdacht laute auf schweren Betrug. Wer die Verdächtigen sind und um welche Projektgesellschaft es sich handelt, wurde jedoch nicht kommuniziert.

Projekte der Signa beschäftigen heute die Staatsanwaltschaft.
APA/dpa/Marcus Brandt

Die Erhebungen drehen sich jedenfalls um Kapitalbeschaffungsmaßnahmen, bei denen es nicht mit rechten Dingen zugegangen sein soll. "In diesem konkreten Fall", so die WKStA, "sollen Investments von Kapitalgebern nicht in die versprochenen Projekte investiert worden sein." Die Schadenshöhe sei noch "Gegenstand der Ermittlungen".

Soko Signa

Laut ihren Angaben wurde in der WKStA diesbezüglich ein staatsanwaltliches Ermittlungsteam gebildet, das neben der Teamleitung aus mehreren Oberstaatsanwälten und Wirtschaftsexperten besteht. Involviert ist zudem eine Sonderkommission des Bundeskriminalamtes, die sogenannte Soko Signa. Sie wurde Anfang März aufgrund zahlreicher Anzeigen in der Angelegenheit gegründet.

Abseits des genannten Verfahrens hat die WKStA noch ein zweites eröffnet. Konkret hätten Verantwortliche einer Signa-Gesellschaft Selbstanzeige nach dem Finanzstrafgesetz erstattet. Es gehe dabei um die "nicht entsprechende Abführung der Kapitalertragssteuer für eine Dividendenausschüttung".

Steuer zu spät bezahlt

Bei dieser Causa handelt es sich möglicherweise um die Gesellschafter eines Tiroler Unternehmens im Umfeld von René Benko und dessen Großinvestoren, wie DER STANDARD in Erfahrung gebracht hat.

Die Gesellschafter beschlossen im Jahr 2022 eine Ausschüttung aus dem Bilanzgewinn des Vorjahres. Die Rede ist von einer Bruttodividendenzahlung von in Summe ungefähr elf Millionen Euro.

Die höchste Dividende floss dabei an eine Benko-nahe Stiftung, die mehr als 40 Prozent der Anteile des betreffenden Unternehmens hält. Daneben sind eine liechtensteinische, eine Luxemburger und eine Schweizer Gesellschaft beteiligt; zudem ein Schweizer Geschäftsmann als Privatperson.

Dann allerdings wurde – aus Versehen, wie es heißt – die Kapitalertragssteuer auf den Millionenprofit nicht rechtzeitig abgeführt. Die Kapitalertragssteuer-Anmeldung kam ebenfalls zu spät, erst Mitte Jänner 2023. Aufgrund all dessen erfolgte die besagte Selbstanzeige.

Yachten, Jobs und Steuern

Von einem weiteren Verfahren, das die WKStA führt, weiß die Öffentlichkeit schon länger: Infolge von Aussagen des Ex-Spitzenbeamten und Vertrauten von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) Thomas Schmid wird ebenfalls ermittelt.

Dabei geht es um den Vorwurf der Bestechlichkeit und Bestechung sowie des Missbrauchs der Amtsgewalt. Worum sich die Angelegenheit dreht: Laut Schmid soll Benko ihm selbst Anfang 2016 einen Spitzenjob bei der Signa angeboten haben, laut diesem Vorwurf, damit es zu einer möglichst geringen Abgabenfestsetzung kommt. Laut Aussagen von Schmid war dabei von 300.000 Euro Gehalt und gleich viel Bonus die Rede. Schmid gibt auch an, einen Vertragsentwurf bekommen zu haben. Der Spitzenbeamte traf Benko auch mehrfach persönlich, etwa auf seiner Yacht. Die dürfte ihn sehr beeindruckt haben, wie man aus Chats weiß. "Rene, du Mr. 64 Meter – irre!!", schrieb Schmid etwa an Benko, bezogen auf die Länge des Schiffs.

Schmid, der Kronzeuge werden will, sagte den Ermittlern auch, dass sich Benko Schmids Unterstützung bei seinen steuerlichen Anliegen erwartet habe. Benko hat den Vorwurf stets zurückgewiesen, und DER STANDARD betont, dass die Unschuldsvermutung gilt.

Laut einer Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der Neos an Justizministerin Alma Zadić (Grüne) sind bis jetzt in der Causa Signa 37 Strafanzeigen eingegangen; in sieben Fällen wurde kein Anfangsverdacht festgestellt. (Joseph Gepp, Renate Graber, 22.3.2024)