Kapitän Andreas Herzog begleitet Ismael Urzaiz in Valencia: Österreichs Optimismus schlug im Qualifikationsmatch gegen Spanien in lähmendes Entsetzen um.
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"Werden die Spanier jetzt nachlassen, sie führen 5:0, was macht Camacho?" Der ängstlich befragte spanische Journalist und Szenekenner stellte zunächst in gebrochenem Englisch eine kurze Gegenfrage ("Was Camacho macht?"), warf seine erst halbgerauchte Zigarette auf die Stufe des Estadio Mestalla zu Valencia und zertrat sie mit Nachdruck. "Das macht Camacho."

Tatsächlich war José Antonio Camacho, der Trainer der Spanier, die vor 25 Jahren in Valencia Österreichs Fußball eine der schwersten Niederlagen der Geschichte beibrachten, für seine Humorlosigkeit bekannt. In mehr als 400 Pflichtspielen für Real Madrid und in 81 Länderspielen für Spanien hatte der Mann aus Murcia den eisenharten Verteidiger gegeben. Und am 27. März 1999 hatte er als Teamchef eine Furia Roja anlässlich der EM-Qualifikation aufs Feld des Mestalla geschickt, die wegen der Klasse ihres Personals eigentlich zum Schrecken Europas werden sollte, dann aber doch hinter den Erwartungen zurückblieb.

An diesem warmen Frühlingstag in Valencia standen Camacho und die Seinen vor 45.000 Fans im Stadion und den Augen der ganzen Fußballnation schwer unter Druck, hatten sie doch zum Auftakt der Qualifikation im vorhergehenden September auf Zypern überraschend mit 2:3 verloren.

Anfang vom Ende

Wenig später, im Oktober, brillierten die Österreicher unter Coach Herbert Prohaska in Larnaka mit einem 3:0 über die Zyprioten. Für Anton Pfeffer, den Verteidiger der Austria, war es das 60. Länderspiel und retrospektiv der Anfang vom Ende. "Wir haben geglaubt, dass wir im nächsten Jahr mit dem Toilettentascherl nach Spanien fliegen und sie reinhauen können. Dementsprechend haben wir dann auch gespielt."

Ja, Fußballösterreich hat das 0:9 in gewisser Weise ebenso nicht kommen sehen wie das 0:1 gegen die Färöer neun Jahre zuvor in Landskrona. Diese Schmach hat sich Pfeffer erspart, weil Teamchef Josef Hickersberger damals überhaupt keine Austrianer in seinem Aufgebot hatte. "Es hieß, wir seien außer Form", sagt Pfeffer, "aber sonst war ich eh bei jeder Schmarrenpartie dabei."

Anton Pfeffer 1998.
Anton Pfeffer schmückte auch die WM 1998. Das Ende der Karriere im Team kam dann flott.

Der Niederösterreicher war unter Hickersberger bei der WM 1990 in Italien dabei, und er gehörte zu Prohaskas WM-Aufgebot 1998. In beiden Fällen war für Österreich enttäuschenderweise nach der Vorrunde Schluss gewesen.

Herbert brennheiß

Das Länderspieljahr 1998 schloss mit einem 4:1 gegen San Marino. Der Ausklang gegen das Team des Zwergstaats sollte noch ein Torrekord-verdächtiges Fest werden. Tatsächlich dauerte es dann aber fast eine Stunde, bis Ivica Vastic das Führungstor der ebenso übermächtigen wie pomadig auftretenden Gäste gelang. Der Ehrentreffer von San Marino und eine unnötige Gelbe Karte für Vastic, die die Sperre des Genialen für die Partie in Spanien nach sich zog, erzürnte Coach Prohaska. "Der Herbert war brennheiß", erinnert sich Pfeffer.

Im folgenden Frühjahr war der Ärger verraucht, ein 4:2-Testsieg gegen die Schweiz in St. Gallen stärkte den Optimismus, auch wenn längst nicht alles funktioniert hatte. Den gereizten Spaniern, so plante es Prohaska, sollte jedenfalls möglichst wenig Platz zur Entfaltung geboten werden, vor allem an den Flügeln. Nach sechs Minuten war der schöne Plan Makulatur, ein trockener, zentraler Steilpass eines gewissen Pep Guardiola auf einen gewissen Raul Gonzalez, der nach einem Doppler mit Sturmpartner Ismael Urzaiz netzte, wies den Weg in den österreichischen Untergang.

Bis zur Pause legten Raul (15.), Fernando Hierro (34., Elfmeter) und zweimal Urzaiz (27., 45.) gegen das taumelnde, hilflose Österreich nach. Und während oben auf der Tribüne der spanische Journalist an einer halbgerauchten Zigarette das weitere Schicksal der Gäste demonstrierte, sprach unten Verteidiger Pfeffer einen denkwürdigen Satz ins von Andreas Felber geführte ORF-Mikrofon: "Hoch werma’s nimma g’winnen, des is amoi kloa." Der Erkenntnis folgten vier weitere Stück, zwei durch Raul (48., 75.), ein Eigentor von Arnold Wetl (77.) und die Kegelhommage durch Fran (84.). Eine zweistellige Demütigung verhinderte Franz Wohlfahrt im Tor der Österreicher. Danach war Fiesta. Im Mestalla verspotteten Kinder österreichische Augenzeugen, vor dem Stadion lud Spaniens Edelfan Manolo (der mit der Trommel) die triumphtrunkenen Fans der Roja in seine Bar El Bombo.

Toni Pfeffer's legendäre Halbzeitanalyse (Spanien - Österreich 9:0)
Anton "Rambo" Pfeffer hat bei seinem letzten Interview als Nationalspieler die Lacher auf seiner Seite. EM-Qualifikation 1999, ESP-AUT 9:0 (5:0)
jonathanjackson

Coach Prohaska löste sich schnell aus der Schockstarre, bot Beppo Mauhart, dem Präsidenten des Fußballbundes, seinen Rücktritt an. Pfeffer: "Mauhart wollte den Herbert halten. ‚Wenn du es aushältst, ich halte es aus‘, hat er gesagt. So einer war das." Zwei Tage später musste der "Tschick-Beppo" genannte, ehemalige Vorstandsvorsitzender von Austria Tabak mit Bedauern die Trennung von Prohaska bekanntgeben.

Aus unter Otto

Das Nationalteam übernahm der Kroate Otto Baric. Ein 0:5 in Israel besiegelte das Scheitern in der Qualifikation für die EM 2000 in den Niederlanden und Belgien. Auch diesen Schmarren hat sich Toni Pfeffer erspart. Valencia war sein 63. und letztes Länderspiel gewesen. "Da mussten viele gehen."

Den 58-Jährigen, der in der Sportabteilung des Landes Niederösterreich diverse Projekte betreut, wurmt es nicht sonderlich, dass man sich seiner weniger wegen der Verdienste um die Nationalmannschaft und die Wiener Austria, aber immer wieder wegen Valencia entsinnt. "Das ist ein gesellschaftliches Thema, dass man sich eher an die negativen Dinge erinnert."

Anrufe wegen anstehender Valencia-Jahrestage nerven ihn nur mäßig. Immerhin bereicherte Pfeffer mit seinem "Hoch werma’s nimma g’winnen" den österreichischen Zitatenschatz. Der Spruch, das glaubt auch Pfeffer, wird ihn überleben. "Und so etwas können nicht viele von sich behaupten." (Sigi Lützow, 25.3.2024)

Die Highlights der Partie