Vor rund zwei Wochen zeigte die seit 1998 jährlich durchgeführte Infinite-Dial-Umfrage von Edison Research, dass X (vormals Twitter) von einem starken Rückgang der Nutzerschaft betroffen sein dürfte. Gemäß den Ergebnissen büßte die Plattform in den USA rund 30 Prozent ihrer User ein. Nutzten 2022 noch 27 Prozent der Befragten das Netzwerk, so waren es 2023 nur noch 19 Prozent.

Nun zeigt eine weitere Untersuchung einen deutlichen Schwund an Usern. Diesmal stammen die Daten von Sensor Tower, einem Marktforschungsunternehmen, das mit einem eigenen Panel an Konsumenten Daten zur Popularität von Onlineplattformen und Apps erhebt. Dort fällt der Absturz zwar nicht ganz so dramatisch aus, zeigt seit dem Führungswechsel aber auch einen Absprung von rund jedem vierten Nutzer, wie NBC News zusammenfasst.

Alle verlieren, X am stärksten

Vorweg ist zu bemerken, dass die Analyse nicht nur X umfasst, sondern auch Facebook, Instagram, Snapchat und Tiktok. Insgesamt scheint dabei eine gewisse Social-Network-Müdigkeit zu verzeichnen zu sein. Seit November 2022, dem ersten vollen Monat mit Elon Musk als neuem Eigner und damals auch noch CEO, blieben Facebook (minus 0,6 Prozent) und Snapchat (minus 1,7 Prozent) noch einigermaßen stabil, was ihre "täglichen aktiven User" betrifft. Instagram verzeichnet hier ein Minus von 4,4 Prozent, Tiktok eines von 9,5 Prozent.

Nach der Untersuchung von Edison Research zeigen nun auch Daten von Sensor Tower einen deutlichen Nutzerschwund bei X.
AFP/ODD ANDERSEN

Für X zeigen die Sensor-Tower-Daten einen deutlich stärkeren Abfall. Er liegt, Stand Februar 2024, bei minus 22,9 Prozent. Das Unternehmen liefert auch eine Einschätzung für die internationale Entwicklung. Weltweit fällt der Userschwund bei X geringer aus als in den USA, wird aber immer noch mit 15 Prozent angegeben. Als "täglichen aktiven Nutzer" erfasst Sensor Tower jemanden, der an einem Tag zumindest zwei Sekunden lang bei einer Plattform eingeloggt ist.

"X hatte den wesentlichsten Rückgang im Vergleich zu seinen Mitbewerbern", resümiert Abe Yousef, Analyst bei Sensor Tower. Als mögliche Gründe führt man Frustration der User ob der Inhalte auf der Plattform, technische Probleme sowie die wachsende Bedrohung durch auf Kurzvideos fokussierte Netzwerke an. Auch beim Werbegeschäft sieht man einen starken Einbruch. Seit Oktober 2022 sollen 75 der 100 wichtigsten Werbeunternehmen ihre Ausgaben auf X eingestellt haben. Besonders viele Absprünge dürfte es dabei Ende 2023 gegeben haben, als Elon Musk ein antisemitisches Verschwörungsposting geteilt und wenige Wochen später den flüchtenden Anzeigekunden auf einem "New York Times"-Event ein "Fickt euch" ausgerichtet hatte.

X-Daten sehen leichtes Wachstum

Ein anderes Marktforschungsunternehmen, Apptopia, zählte im Februar 2,9 Millionen Downloads der X-App durch US-Nutzer. Im Jahresvergleich bedeutet das ein Plus von 14 Prozent, im Vergleich mit Oktober 2022, wo es noch 3,7 Millionen waren, ist es aber ein klarer Rückgang. Kombiniert mit der Erhebung zur Nutzerschaft liefert dies ein Indiz dafür, dass X sich schwer damit tut, neu angemeldet User zu halten.

Vor einer Woche von X selbst veröffentlichte Daten widersprechen den Analysen allerdings. Das Netzwerk gibt eine tägliche Nutzerschaft von 250 Millionen an. Im Monat seien es sogar 550 Millionen. Letzteres wäre ein leichtes Plus zu Juli 2023, als Musk von 542 Millionen monatlich aktiven User sprach. Jeder Nutzer verbringt laut den Angaben im Schnitt 30 Minuten täglich auf X. Das sei im Vergleich zu den letzten sechs Monaten ein Plus von 13 Prozent. Täglich verzeichnet man demnach außerdem 1,7 Millionen Neuanmeldungen.

Eigenangabe von X zu Nutzerzahlen
X

Anzumerken ist, dass die Erhebungen sich nicht unbedingt eins zu eins vergleichen lassen. Es ist nicht bekannt, nach welchen Maßstäben X einen "täglichen aktiven Nutzer" definiert. Man sieht sich jedenfalls als "unverzichtbare" Plattform für den öffentlichen Diskurs.

Threads zieht bei App-Downloads davon

Was X auf Dauer Sorgen bereiten könnte, ist das starke Wachstum des Konkurrenten Threads von Meta. Für dessen App misst Apptopia 46,2 Millionen Downloads im Februar. Weltweit erzielt sie derzeit rund achtmal so viele Downloads wie X, in den USA sogar 16-mal mehr. Auf Google Play und in Apples Appstore in den USA rangiert Threads beständig in den Top Five, während X um Platz 30 und 40 herum rangiert.

Währen X allerdings als Twitter schon seit 2006 existiert, ging Threads erst im Juli 2023 online. In der EU startete man aufgrund notwendiger Anpassungen im Hinblick auf Datenschutzvorgaben überhaupt erst im Dezember. Das Netzwerk kann sich zudem auf seine Anknüpfung an Instagram stützen, das seinerseits gut zwei Milliarden monatliche Nutzer zählt. Threads kommt laut Metas eigenen Daten für das vierte Geschäftsquartal 2023 auf 130 Millionen monatlich aktive User. Das bedeutet einen Anstieg von rund 30 Prozent im Vergleich zum vorhergehenden Jahresviertel, aber nur rund 24 Prozent der Nutzerbasis, die X für sich angibt. Nach anfänglichem Hype verlangsamte sich das Wachstum von Threads deutlich. Probleme scheint es vor allem dabei zu geben, User auf täglicher Basis anzulocken. (gpi, 25.3.2024)