Ein Schild mit der Aufschrift:
Nach einvernehmlichen Geschlechtsverkehr zwischen einem 18- und einer 13-Jährigen erhielt ein Teenager nun 15 Monate bedingte Haft.
APA / HARALD SCHNEIDER

Wien – Mit dem Brustton der Überzeugung bekennt Herr B. sich vor dem Schöffengericht unter Vorsitz von Katharina Adegbite-Lewy "nicht schuldig!". Nein, er habe nicht gewusst, dass seine Ex-Freundin unmündig, also unter 14 Jahre alt gewesen sei, als er im vergangenen Februar zweimal Hotelzimmer in Wien buchte und dort jeweils einvernehmlichen Geschlechtsverkehr mit ihr ausübte, behauptet er. Und ja, das Mädchen, dessen drei Jahre älterer Onkel und eine Freundin von ihr würden lügen, wenn sie das Gegenteil behaupten, beteuert der heute 19-Jährige.

Die Staatsanwältin ist dagegen davon überzeugt, dass die Zeuginnen die Wahrheit sagen, und fordert eine Verurteilung wegen schweren sexuellen Missbrauchs Unmündiger. Dass Zwang ausgeübt worden sei, behauptet offenbar nicht einmal die Unmündige, daher hegt Verteidiger Martin Mahrer einen ganz anderen Verdacht, wie er in seinem Eröffnungsstatement erklärt: "Mein Mandant ist nach dem zweiten Mal für zwei Monate nach Rumänien gefahren, um dort den Führerschein zu machen, und hat sich nicht mehr gemeldet. Das Mädchen schrieb ihm dann: 'Komm zurück, sonst muss ich dich anzeigen.' Sie war gekränkt!", ist der Rechtsvertreter überzeugt.

Der unbescholtene B. erzählt seine Version der Geschichte: Ende 2021 habe er sie kennengelernt, zunächst sei es eine Freundschaft gewesen. Ab dem Sommer 2022 habe man sich öfters gesehen, sei fortgegangen und schließlich zusammengekommen. "Haben Sie auch über das Alter gesprochen?", will die Vorsitzende wissen. "Ja, selbstverständlich. Ich sagte, dass ich 18 bin, und sie sagte, sie auch", lässt der Arbeitslose übersetzen. "Was hat sie denn beruflich gemacht?", fragt Adegbite-Lewy nach. "Sie hat gesagt, dass sie zur Schule geht. Damals war ich auch in der Berufsschule", erklärt der Angeklagte, warum ihm das nicht komisch vorkam.

Angeklagter ließ Mädchen Hotelzimmer zahlen

Als er fragte, ob Sie mit ihm schlafen möchte, habe sie die ersten Male noch abgelehnt. Im Februar war seine Landsfrau einverstanden – das Paar ging in ein Hostel, B. erwies sich entweder nicht als Gentleman oder als sehr emanzipierter Mann, er ließ jedenfalls seine Begleiterin den Zimmerpreis von 50 Euro begleichen. "Dort ist dann diese Sache passiert", versucht der älter als 19 aussehende Angeklagte auszuweichen. Zwei Tage später traf man sich in einer anderen Unterkunft, diesmal machte man halbe-halbe.

Die Vorsitzende blendet dem Teenager auf dem Monitor ein Bild der Unmündigen zum damaligen Zeitpunkt ein: "Für Sie schaut die aus wie ein 18-jähriges Mädchen?", will Adegbite-Lewy wissen. "Ja", antwortet der Rumäne knapp und zückt dann sein eigenes Mobiltelefon, um den Prozessbeteiligten ein Selfie mit dem Mädchen vom ersten Treffen im Sommer 2022 zu zeigen, wo sie für sein Dafürhalten deutlich älter aussah. Dass der Onkel des Mädchens, der gleichzeitig ein guter Bekannter von ihm gewesen ist, ihm das wahre Alter verraten habe, bestreitet er. "Ich wäre nicht so dumm, eine Beziehung mit einer Zwölfjährigen anzufangen!", beteuert er.

Ob er mit dem Onkel/Bekannten über die Beziehung je gesprochen habe, will die Staatsanwältin vom Angeklagten wissen. B. verneint. "Sie wollte das geheim halten wegen ihrer Eltern", behauptet der 19-Jährige. "Das ist Ihnen nicht komisch vorgekommen?" – "Doch. Aber ich habe sie geliebt, sozusagen", lautet die Antwort.

Zeuge angeblich im Vorfeld bedroht

Der 17 Jahre alte Onkel/Bekannte sagt als Zeuge, B. habe zu ihm Anfang 2022 über die Verwandte gesagt: "Sie ist sehr schön." – "Ja, aber sie ist erst zwölf!", habe seine Antwort gelautet. Privatbeteiligtenvertreterin Irene Oberschlick will von diesem Zeugen auch wissen, ob er im Vorfeld des Verfahrens bedroht worden sei. "Ja", meint er. "Eine Dame hat mich angerufen und bedroht." – "Haben Sie das angezeigt?" – "Nein." – "Was war der Inhalt des Gesprächs?" – "Es wurde gesagt: 'Wenn mein Sohn ins Gefängnis kommt, wird deine Familie leiden!'", insinuiert er eine Beteiligung der Mutter des Angeklagten, die schluchzend auf einem der Zuseherstühle sitzt.

Verwirrend ist zunächst die Einvernahme der Freundin der damals 13-Jährigen. "Ich kenne den Angeklagten nicht persönlich. Ich habe nie mit ihm gesprochen", lässt sie zunächst dolmetschen. "Sie sehen ihn das erste Mal?", ist die Vorsitzende verwirrt. "Nein, ich habe schon einmal bei einer Straßenbahn mit ihm und meiner Freundin gesprochen", korrigiert die 16-Jährige sich. Dabei habe man sich auch über das Alter aller drei ausgetauscht. "Wieso kommen Sie bei diesem Gespräch auf das Alter?", wundert sich die Schöffin. "Das ist normal beim ersten Treffen. Wir sagen unseren Namen und unser Alter", berichtet die Zeugin.

Während die auf Video aufgezeichnete kontradiktorische Einvernahme der heute 14-Jährigen vorgeführt wird, muss die Öffentlichkeit aus Opferschutzgründen den Saal verlassen. Erst nach einer rund halbstündigen Beratung verkündet Adegbite-Lewy das rechtskräftige Urteil: B. wird anklagekonform zu 15 Monaten bedingter Haft verurteilt, muss seiner Ex-Freundin 1.000 Euro zahlen und bekommt einen Bewährungshelfer zur Seite gestellt.

Senat sieht lebensfremde Aussage

Der Senat hält die Zeuginnen und den Zeugen für glaubwürdig. "Wir haben auch die Fotos und das Video gesehen: Sie schaut jedenfalls nicht aus wie 18, es ist auch lebensfremd, dass man nie hinterfragt, in welche Schule sie geht", zeigt sich die Vorsitzende überzeugt. Es sei zwar korrekt, dass die Sache erst aufgekommen sei, nachdem B. sich nicht mehr gemeldet hatte und "das Ganze offenbar total eskaliert ist zwischen den Familien". Dennoch sei der Angeklagte schuldig im Sinne des Strafantrags. (Michael Möseneder, 25.3.2024)