An Tagen wie diesen finden allerorts Wahlkampfveranstaltungen statt. Die Toten Hosen ließen einst verlautbaren, dass es "unanständig und unkorrekt" sei, ihre Musik dafür zu missbrauchen.
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Im Gastbeitrag erklärt Rechtsanwalt Thomas Höhne, wie sich Musikerinnen und Musiker gegen ungewollte Wahlkampfauftritte wehren können.

Wie super das "Superwahljahr" wirklich ist, werden wir sehen. Sicher ist wohl, dass eher kein Politiker zu den Klängen von Sunshine Superman (das war Donovan, falls Sie sich erinnern) das Wahlkampf-Bierzelt betreten wird – wo doch die Auswahl an geeigneten Hymnen groß ist, etwa mit An Tagen wie diesen von den Toten Hosen oder We Are the Champions von Queen. Ja, passen könnten diese Songs zu Wahlveranstaltungen, wie wenn sie gerade dafür geschrieben worden wären.

Leider passt es meist den Interpreten nicht, wenn ihre Werke zur Emotionalisierung des Wahlvolks eingesetzt werden. Die Wahlkampfmanager wissen aus Erfahrung: Mit Musik funktioniert ein Wahlkampf besser, einerseits durch Priming – die Popularität eines Songs strahlt auf den Kandidaten ab und wird mit dessen Wahlkampf assoziiert – und andererseits durch Framing – der Songinhalt wird Teil der politischen Botschaft. Vorgemacht hat das schon Ronald Reagan 1984, der für seine Wahlkampfauftritte Born in the U.S.A. von Bruce Springsteen instrumentalisierte.

Klagen gegen die NPD

Klar, wenn man Angela heißt und als Kanzlerin kandidiert, dann gibt’s nichts Passenderes als Angie von den Rolling Stones (sofern man sich darauf verlassen kann, dass das Publikum bei "All the dreams we held so close seemed to all go up in smoke" nicht so genau hinhört). Allerdings war die Kanzlerkandidatin dann doch enttäuscht, als die Stones, überrascht, nicht gefragt worden zu sein, die Nutzung ihres Songs als Wahlkampfhymne ablehnten.

Und auch die Toten Hosen waren mit der Verwendung ihres Songs auf Wahlkampfpartys sowohl von CDU wie auch von SPD nicht glücklich, wenn sie der Presse mitteilten: "Wir empfinden es als unanständig und unkorrekt, dass unsere Musik auf politischen Wahlkampfveranstaltungen läuft." Nicht anders erging es Donald Trump, den Queen leider nicht zum "Champion" mit dem von Freddie Mercury komponierten Song machen wollten.

Oft bleibt es nicht beim Protest. Wir sind Helden klagten die NPD, die den Song Gekommen, um zu bleiben 2014 bei ihren Wahlkampfveranstaltungen in Thüringen spielte, und erwirkten eine einstweilige Verfügung. Dann versuchte es die Partei mit Wenn nicht jetzt, wann dann und Jetzt geht’s los – und kassierte die nächste Klage. Die Musikgruppe Die Höhner (nein, nicht verwandt und nicht verschwägert) ließ der NPD vom deutschen Bundesgerichtshof sagen, dass "bei der dramaturgischen Einbindung der Musikstücke in die Wahlkampfveranstaltung durch eine Partei, gegen deren politische Ziele sich die Kläger bereits öffentlich ausgesprochen hatten und die vom Bundesverfassungsgericht als verfassungsfeindlich eingestuft worden ist, im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung den Interessen der Urheber der Vorzug zu geben ist". Und auch gegen Helene Fischer blieb die NPD glücklos. Die Verwendung von Atemlos wurde ihr ebenfalls verboten.

Aber es muss gar nicht eine verfassungswidrige Partei sein, die ungefragt Musikstücke in ihren Wahlkampf einspannt. Was das Gericht im Fall von Atemlos sagte, ist durchaus verallgemeinerbar: Urheber oder Interpreten können sich dagegen wehren, wenn ihr Ansehen oder ihr Ruf gefährdet wird. Und dies ist dann der Fall, wenn ihre Musik, als "Stimmungsmacher" eingesetzt, "nicht nur ein (neutrales) Gefühl der Unterhaltung, sondern darüber hinaus noch ein positives Gefühl oder Wir-Gefühl verstärken soll oder einen solchen Beliebtheitsgrad hat, dass sie auch einen gewissen Anlockeffekt ausübt". Und zumindest ein Teil des Publikums wird dann annehmen, dass Helene Fischer, um bei diesem Beispiel zu bleiben, "aufgrund ihrer eigenen politischen Überzeugung zumindest nichts dagegen habe, dass ihre Darbietung bei dieser Wahlkampfveranstaltung gespielt wird".

Recht der Urheber

Die rechtliche Grundlage für derartige Urteile, die in Österreich genauso lauten würden, ist das Persönlichkeitsrecht der Urheber bzw. Interpreten. Es geht um die Beziehung der Künstler zu ihrem Werk; das nicht nur Rückschlüsse auf die künstlerische Auffassung erlaubt, sondern auch auf deren politische Einstellung. Sie müssen es sich nicht gefallen lassen, dass aufgrund der Verwendung ihrer Werke das Publikum falsche Schlüsse zieht.

Wenn ein Musikstück bloß als Geräuschkulisse verwendet wird, dann wird das (Zahlung an die AKM vorausgesetzt) kein Problem sein – schließlich gibt ein Künstler durch den Verkauf von CDs zu erkennen, dass er oder sie mit einer üblichen Kommerzialisierung einverstanden ist. Ist aber offensichtlich, dass die Musik instrumentiert wird, um der Wahlveranstaltung oder den Kandidaten ein besonderes Image zu verleihen, erst recht, wenn ein Musikstück hymnenhaft, als "Aufmarschmusik" oder mottomäßiges Intro eingesetzt wird, hat diese Verletzung der Persönlichkeitsrechte Ansprüche auf Unterlassung, Urteilsveröffentlichung, Entgelt und Schadenersatz zur Folge. (Thomas Höhne, 27.3.2024)