Kinder kolorieren eine Weltkarte mit Blau- und Grünstiften
Nicht nur, aber auch Kinder sollen in einer ökologisch wie sozial besseren Welt aufwachsen können. Der verantwortungsvolle Umgang mit Ressourcen ist ein erster Schritt dorthin.
IMAGO/Pete Muller

Kreislaufwirtschaft ist angesichts der Umweltproblematik in aller Munde. Spätestens seit dem im Dezember 2019 von der EU-Kommission auf den Weg gebrachten Green Deal, einem Paket politischer Initiativen zur ökologischen und sozialen Verbesserung der Welt, sind kleine wie große Unternehmen instruiert, in welche Richtung es geht. Noch aber spießt es sich an vielen Stellen, und die Kreislaufwirtschaft nimmt weniger rasch Fahrt auf als geboten erscheint. Wo genau die Schwachstellen sind, hat die Plattform Industrie 4.0 Österreich, ein Thinktank mit Ideengebern aus verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen, herauszuarbeiten versucht.

21 Seiten umfasst das Papier mit der Überschrift "Auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft". Es ist das Ergebnis eines breitangelegten Diskussionsprozesses. Kreislaufwirtschaft sei viel mehr als Recycling, betonen René Hofmann und Roland Sommer im Gespräch mit dem STANDARD.

Digitalisierung

Hofmann ist Vorstand des Instituts für Energietechnik und Thermodynamik an der TU Wien und hat die Expertengruppe geleitet, die auch Vorschläge an die Politik formuliert hat. Sommer ist der Geschäftsführer der als Verein organisierten Plattform Industrie 4.0. Zu den Gründungsmitgliedern gehören neben dem Klimaschutzministerium und der Bundesarbeiterkammer auch die Fachverbände Elektro- und Elektronik- sowie Metalltechnische Industrie, die Industriellenvereinigung sowie die Produktionsgewerkschaft Pro-Ge.

Digitalisierung sei zentral, um alle benötigten Informationen sofort greifbar zu haben, auch was vor- und nachgelagerte Schritte bei der Herstellung eines Produkts betreffe. Generell sei ein stärkeres Zusammenspiel der Unternehmen samt Preisgabe von Daten notwendig, damit Kreislaufwirtschaft in der Breite funktionieren könne, sagen Hofmann und Sommer. Unternehmen hätten einen Vorteil, wenn sie ihre Produktionsprozesse – unterstützt von der Politik durch Förderprogramme – rechtzeitig umstellten.

Von linear zu zirkulär

Die heutige Wirtschaft ist mehrheitlich linear aufgebaut. Das heißt, Ressourcen werden in der Natur abgebaut, verarbeitet, konsumiert und schließlich weggeworfen. Die Kreislaufwirtschaft will dieses lineare Modell überwinden. Produkte werden am Ende des Lebenszyklus nicht aussortiert, sondern wieder in den Kreislauf integriert, entweder das ganze Produkt, Teile davon oder eben gewisse Materialien, die wiederverwendet werden können. Die Kreislaufwirtschaft bremst Geschäftsmodelle aus, die auf einen stetig wachsenden Absatz physischer Produkte setzen.

Dennoch könnten Unternehmen auch in einer Kreislaufwirtschaft wachsen, sie müssten jedoch ihre Geschäftsmodelle anpassen. Einen Eindruck davon gibt beispielsweise Signify. Das Tochterunternehmen von Philips, früher bekannt als Philips Lighting, verkauft neuerdings Licht als Dienstleistung. Als Konsument oder Konsumentin ersteht man nicht mehr die einzelnen Lampen im Raum, sondern zahlt für die konsumierte Lichtstunde. Der Anreiz hat sich vom Kunden zur Unternehmung verschoben. Im konkreten Fall hat Signify ein Interesse, dass die Lampen möglichst lange halten bzw. dass die Lampen einfach zu reparieren sind. Andernfalls würde die angebotene Dienstleistung viel teurer.

Test in Reallaboren

Ziel bei alldem sei, Ressourcen, Energie und Emissionen einzusparen, sagen Hofmann und Sommer, und zwar bei jedem Produktionsschritt, in der Logistik genauso wie anschließend beim Verbrauch, wo das Muster des Konsumierens und Wegwerfens durchbrochen werden müsse. Deshalb sei es wichtig, dass in der Schule das Fach "Konsumverhalten" etabliert werde, damit bereits von Kindesbeinen an qualifizierte, bewusste Entscheidungen getroffen werden könnten.

Beide, Hofmann von der TU Wien wie Sommer, Geschäftsführer der Plattform Industrie 4.0, plädieren unter anderem für die Einrichtung von Reallaboren zum Ausprobieren neuer Geschäftsmodelle. In diese sollte auch die öffentliche Hand als großer Nachfrager von Gütern und Dienstleistungen involviert sein. Neue Geschäftsmodelle auf ihre Tauglichkeit zu testen sei insofern wichtig, weil sich am Ende des Tages die Kreislaufwirtschaft für die Unternehmen rechnen müsse. "Sonst werden sie das nicht tun", meint Sommer. (Günther Strobl, 27.3.2024)