Die Zufahrt in den Hafen von Baltimore ist derzeit versperrt.
AP

Maryland – Die drei Kilometer lange Francis Scott Key Bridge im US-Bundesstaat Maryland ist in der Nacht auf Dienstag eingestürzt, nachdem ein Frachtschiff einen Brückenpfeiler gerammt hatte. Auf Videos von Überwachungskameras sind Bilder des Einsturzes zu sehen. Über die Zahl der Vermissten gab es einige Verwirrung. Gegen Mittag Ortszeit teilten die Behörden mit, man gehe davon aus, dass insgesamt acht Menschen bei der Kollision ins Wasser gestürzt seien. Zwei seien bisher gefunden worden, einer sei nicht verletzt, der andere in ernstem Zustand. Sechs weitere würden noch vermisst. Es handle sich um Arbeiter, die zum Zeitpunkt des Unfalls Schlaglöcher ausgebessert hätten.

Unklarheit gab es zur Frage, ob auch Fahrzeuge ins Wasser gestürzt seien: Wes Moore, Gouverneur von Maryland, sagte bei einer Pressekonferenz am Nachmittag, der Verdacht habe sich nicht erhärtet. Wenig später teilte allerdings der Feuerwehrchef der Stadt, James Wallace, mit, man habe via Sonar drei Autos, einen Lkw und ein weiteres Fahrzeug in den Fluten geortet. Das Wasser im Hafen von Baltimore hat nach Angaben der "New York Times" derzeit eine Temperatur von neun Grad. Die Lufttemperatur lag um den Gefrierpunkt.

Verkehrsminister stellt sich auf Lieferkettenprobleme ein

Der Einsturz der Autobrücke hat nach Angaben von US-Verkehrsminister Pete Buttigieg auch wirtschaftliche Folgen. Man stelle sich wegen der Bedeutung des dahinter liegenden Hafens schon jetzt auf Lieferkettenprobleme ein, "von denen wir wissen, dass sie kommen werden", sagte Buttigieg am Dienstagnachmittag (Ortszeit) bei einer Pressekonferenz vor Ort. Diese beträfen dann nicht nur die Region um Baltimore, "sondern die gesamte US-Wirtschaft".

Keine Hinweise auf Terror

Was genau zu der Kollision geführt habe, könne noch nicht gesagt werden, hieß es. Allerdings habe die Besatzung des Schiffs vor dem Unfall den Verlust des Antriebs und der elektrischen Systeme gemeldet. Man habe daher rechtzeitig die Zufahrt zur Brücke sperren können. Alle 22 Besatzungsmitglieder seien in Sicherheit, aber vorerst noch an Bord des Schiffs. Das treffe auch auf die beiden US-amerikanischen Lotsen zu, die zum Unglückszeitpunkt zuständig gewesen sein. Zum Grund der Kollision konnten die Behörden auch bei ihrer ersten größeren Pressekonferenz Dienstagmorgen noch keine Angaben machen. Dafür, dass das Unglück absichtlich herbeigeführt worden sein könnte, gebe es aber "absolut keine Indizien", sagte der Polizeichef von Baltimore, Richard Worley. Gouverneur Moore sagte, es gebe "keinerlei glaubhafte Hinweise auf Terrorismus". Alle bisherigen Hinweise würden auf einen Unfall hindeuten.

Biden kündigt Regierungshilfe an

Den Behörden zufolge gibt es absolut keine Hinweis auf Terrorismus. US-Präsident Biden erklärte, es gebe keinen Grund zur Annahme, dass das Unglück auf böse Absichten zurückzuführen sei. Biden versprach den Verantwortlichen in Maryland am Dienstag Hilfsgelder aus dem Bundesbudget. Die Regierung habe die Absicht, die Kosten des Wiederaufbaus vollständig zu tragen. Man wolle den Hafen von Baltimore so schnell wie möglich wieder zum Laufen bringen. Er selbst werde alsbald nach Baltimore reisen, sagte Biden.

Auf Bildern ist noch ein Rest des Brückenpfeilers zu sehen, den die Dali rammte.
GETTY IMAGES NORTH AMERICA/ROB C

Baltimores Bürgermeister Brandon Scott verglich die Bilder in kurzen Worten bei einer Pressekonferenz mit "etwas, was man in Actionfilmen sieht", und sprach von einer "Tragödie, die man sich niemals hätte vorstellen können". Schon zuvor hatte er seine Follower auf X aufgefordert, für die Betroffenen zu beten. Der Bundesstaat Maryland, dessen größte Stadt Baltimore ist, hat den Notstand ausgerufen.

Die Pressekonferenz nach dem Brückeneinsturz
The Telegraph

Bei dem Unglücksschiff handelt es sich um einen in Singapur registrierten Frachter namens Dali, wie die Synergy Marine Group, in deren Besitz sich das Schiff befindet, Dienstagfrüh bestätigte. Dieser ist rund 300 Meter lang. Laut Schiffsradardaten war die Dali auf dem Weg von Baltimore nach Colombo in Sri Lanka.

Auf Videos ist zu sehen, dass die Dali leicht rechts versetzt vom üblichen Kurs der Schiffe im Hafen unterwegs war. Kurz vor der Kollision beginnt das Schiff offenbar eine Kurve in Richtung des Pfeilers. Zuvor scheint auf dem Schiff für einige Zeit ein Großteil der Lichter auszufallen. Welche Schäden der Frachter erlitten hat, war vorerst nicht zu eruieren. Bei der letzten Inspektion in den USA, im September 2023, wurden keine Schäden festgestellt. Die Dali wurde 2015 in Südkorea gebaut, im Jahr 2016 war sie schon einmal in eine Kollision verwickelt. Damals traf sie eine Hafenmauer in Antwerpen, wie die "New York Times" recherchiert hat. Unterwegs war sie Dienstagnacht im Auftrag der Reederei Maersk, die nach eigenen Angaben jedoch kein Personal an Bord hatte.

Der Einsturz brachte Teile des Verkehrs in Baltimore zum Erliegen. "Alle Fahrspuren sind in beide Richtungen wegen eines Zwischenfalls auf der I-695 Key Bridge gesperrt. Der Verkehr wird umgeleitet", schreibt die Maryland Transportation Authority in einem Beitrag auf X. Die Brücke wurde im Jahr 1977 eröffnet und überquert den Handelshafen von Baltimore und den Patapsco River.

In den Morgenstunden lag das Containerschiff Dali weiter unter der eingestürzten Brücke.
via REUTERS/HARFORD COUNTY MD FI

Sie ist nicht nur für Pendler in Baltimore wichtig, sondern stemmt gemeinsam mit einem Tunnel in der Stadt Baltimore auch einen Gutteil des Reiseverkehrs im Nordosten der USA, etwa zwischen New York und Washington. An sich war sie, wie aus Fotos hervorgeht, durch große Schiffsabweiser vor einem Anprall geschützt. Wieso sie nach der Kollision mit dem Schiff trotzdem so einfach in sich zusammenfallen konnte, muss noch geklärt werden.

Wichtiger Hafen

Durch den Einsturz ist der Zugang zum Hafen Baltimores versperrt, er ist derzeit nicht erreichbar und außer Betrieb. Der Hafen liegt nach Volumen der gehandelten Waren in den USA auf Platz 18. Für manche Branchen aber ist er von größerer Bedeutung. So handelt es sich bei Baltimore um den wichtigsten Hafen für die amerikanische Autoindustrie. Außerdem hat er für die Kreuzfahrttouristik in den USA große Wichtigkeit.

Brücke in Baltimore nach Einsturz
Die Francis Scott Key Bridge in Baltimore war rund drei Kilometer lang.
IMAGO/Port of Baltimore

Zu den Autobauern, die über Baltimore In- und Exporte regeln, gehören Toyota, General Motors und Volkswagen. Mehr als 40 Schiffe mussten nach dem Einsturz im Hafen bleiben. Mindestens 30 Schiffe waren noch auf dem Weg nach Baltimore.

Benannt war die Brücke nach Francis Scott Key, dem aus Baltimore stammenden Texter der amerikanischen Hymne. Von dem Ort aus, an dem bis vor kurzem die Brücke stand, soll er den britischen Angriff auf das amerikanische Fort McHenry beobachtet haben, von dem der Text der Hymne handelt. (awie, mesc, Reuters, 26.3.2024)