Eine junge Frau mit gelb spiegelnder Sonnenbrille und Sonnenhut sitzt mit einem jungen Mann vor Cocktails und einem Teller geschnittenem Obst
Bei hohen Außentemperaturen essen Menschen tendenziell weniger.
Miodrag Ignjatovic/Getty

In sommerlicher Hitze fällt es vielen Menschen leicht, auf schwer im Magen liegende Gerichte zu verzichten. Überhaupt haben wir normalerweise weniger Appetit, wenn es um uns herum sehr warm ist. Obwohl dies bereits wissenschaftlich belegt war, waren die Hintergründe dafür bisher unklar. Ein internationales Team unter der Leitung der Medizinischen Universität Wien hat nun erstmals jenen neuronalen Signalweg beschrieben, der die Nahrungsaufnahme bei Hitze drosselt, wie die Med-Uni am Mittwoch mitteilte. Die entsprechende Studie wurde im Fachjournal "Nature" veröffentlicht.

Wie die Untersuchungen bei Mäusen zeigten, startet die Signalkaskade im Nucleus parabrachialis, dem "Thermostat im Kopf", der für die Wahrnehmung der Temperatur zuständig ist. "In diesem Areal haben wir im Gehirn von Mäusen, die eine Stunde lang einer Temperatur von 40 Grad Celsius ausgesetzt waren, die Aktivierung spezieller Zellen beobachtet", berichtete Tibor Harkany vom Zentrum für Hirnforschung der Med-Uni Wien, der die Studie in Zusammenarbeit mit Tamas L. Horvath von der Yale University School of Medicine (USA) geleitet hat.

Diese Nervenzellen strecken ihre Fortsätze, die sogenannten Axone, in den Hypothalamus aus. Dort sitzen jene Neurone, die die Nahrungsaufnahme koordinieren. Die Signalübertragung auf die Neurone erfolgt aber nicht direkt, sondern über spezialisierte Zellen. Sie tragen einen Namen, der bei manch einer verzwickten Scrabble-Situation viele Punkte liefern könnte: Sie heißen Tanyzyten.

Sie findet man in einem von vier Hohlräumen (oder Ventrikeln) im Gehirn: Tanyzyten kleiden die Wand des dritten Ventrikels aus. Sie geben für die Kommunikation mit entfernten Zielen Signalmoleküle in die Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit ab.

Nahrungssuchezellen blockiert

Die Forschenden klärten, dass die nach außen ragenden Strukturen der Tanyzyten in das Hirngewebe eindringen und schließlich mit jenen Neuronen in Kontakt treten, die zur Nahrungsaufnahme anregen. Der neu entdeckte Signalweg zeigt laut Harkany, "dass die Einwirkung von Hitze nicht wie bisher angenommen das Sättigungsgefühl beeinflusst. Vielmehr wird über die Freisetzung eines bestimmten Wachstumsfaktors die Aktivität jener Gehirnzellen gehemmt, die zur Nahrungssuche und -aufnahme anregen".

Die Kerntemperatur zwischen 36,5 und 37,4 Grad zu halten ist für den Menschen überlebensnotwendig. Deswegen setzt der Körper bei akuter Einwirkung von Hitze oder Kälte verschiedene Reaktionen in Gang. Reduzierte Nahrungs- beziehungsweise Kalorienaufnahme ist eine dieser Bewältigungsstrategien bei hohen Temperaturen.

Die Ergebnisse erklären aber nicht nur, wie unser Körper aufgrund von Hitze die Essensaufnahme reguliert. Sie könnten der Mitteilung der Med-Uni zufolge auch Ansatzpunkte für neue Therapien für krankhaftes Über- und Untergewicht liefern. (APA, red, 27.3.2024)