Georgische Fans
Die georgischen Fans verliehen ihrer Freude über die geglückte EM-Qualifikation mit einem zünftigen Platzsturm Ausdruck.
AFP/GIORGI ARJEVANIDZE

Tiflis/Wien/Graz – Wo es Gewinner gibt, gibt es – nicht zwangsläufig, aber doch zumeist – auch Verlierer. Nach der sensationellen Qualifikation Georgiens für die Fußball-EM steht zweifellos der griechische Fußball als größter Verlierer fest. 20 Jahre nach dem sensationellen EM-Titel in Portugal unter Coach Otto "Rehakles" Rehhagel sind die Griechen bei der Endrunde nur Zuseher, weil im Elferschießen des Playoff-Finales gegen die Georgier in Tiflis Kapitän Tasos Bakasetas schlussendlich am georgischen Goalie Giorgi Mamardaschwili gescheitert war.

Zu den Verlierern nach der größten Qualifikationssensation zählt indirekt auch Österreichs Vizemeister und Cupsieger Sturm Graz. Vordergründig freuen sie sich in Graz natürlich mit ihrem Zehner Otar Kiteishvili, der an seinem 28. Geburtstag und nach seinem 35. Länderspiel mittendrin war im georgischen Siegesrausch, der den Triumph noch länger überdauern sollte. Andererseits hat Kiteishvili, der wesentlichen Anteil am sportlichen Höhenflug von Sturm hat, seinen im Sommer auslaufenden Vertrag bei den Steirern noch nicht verlängert – und er wird sich wohl hüten.

Süße Qualen

Die EM in Deutschland ist schließlich eine perfekte Auslage, in der der Edeltechniker ohne Ablösepreiszettel stehen wird. Bleibt Sturm also nur die Hoffnung, dass sein einziger sicherer EM-Teilnehmer – Alexander Prass könnte noch in Österreichs Kader rutschen – würdig Abschied feiert. Die kommenden beiden Duelle mit Meister Red Bull Salzburg – am Ostersonntag daheim in der Meisterschaft und am Donnerstag auswärts im Halbfinale des ÖFB-Cups – bieten Gelegenheit, zu brillieren und dem Sturm-Anhang süße Qualen zu bereiten.

Qualifikationsqualen hatten die Georgier bis zum Happy End am vergangenen Dienstag im durch 50.000 Fans restlos ausverkauften Stadion Boris Paichadze zu durchleiden. In Gruppe A hinter Spanien, Schottland und Norwegen auf Platz vier rutschten die "Dschwarosnebi" ("Kreuzzügler") genannten Georgier nur dank ihres auf Kosten Bulgariens gefeierten Gruppensiegs in der dritten Leistungsstufe der Nations League ins EM-Quali-Playoff, das mit einem 2:0-Heimsieg gegen Luxemburg programmgemäß begann und mit dem Sieg gegen die Griechen im Taumel endete.

Trainer Sagnol
Der scheidende Coach Willy Sagnol mit seinem Star Chwitscha Kwarazchelia, dem Meister von SSC Napoli.
AP/Tamuna Kulumbegashvili

Mitten im Trubel stand Irakli Kobachidse, der frischgebackene Regierungschef von 3,7 Millionen Georgiern, dessen Partei passenderweise "Georgischer Traum" heißt. "Das ist das Glück, das uns vereint", sagte der 45-Jährige, "diese Jungs sind Helden. Ich möchte allen meine große Liebe ausdrücken." Handfester ist die Verleihung des Ehrenordens von Georgien, die Kobachidse der Mannschaft um Napoli-Star Chwitscha Kwarazchelia in Aussicht stellte. Der dreimalige georgische Fußballer des Jahres, mit rund 15 Millionen Euro Marktwert der weitaus teuerste Kicker im Kader des nach Einwohnern zweitkleinsten EM-Teilnehmerlands (nach Slowenien), verwies auf den unbändigen Mannschaftsgeist der Seinigen. Der wird im Sommer in einer Gruppe mit Portugal, Tschechien und der Türkei auch nötig sein.

Ein stiller Genießer

Ein ziemlich stiller Genießer der Qualifikation war Coach Willy Sagnol, der 47-jährige Franzose, einst mit den Bayern Weltpokal- und Champions-League-Sieger sowie 2017 kurz auch interimistisch Trainer der Münchner, scheidet nach etwas mehr als drei Jahren nach der EM freiwillig aus dem Amt. Der einstige Verteidiger aus Saint-Étienne hat die Kritik auch in der Stunde des größten Triumphes nicht vergessen: "Ich weiß, dass in der Vergangenheit einige Leute manchmal gedacht haben, dass ich vielleicht hätte gehen sollen." Der Verband hielt an Sagnol fest und wurde reich belohnt. (Siegfried Lützow, 28.3.2024)