Mit den Erfolgen von Noa-Lynn van Leuven häuften sich auch die kritischen Stimmen.
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Ihren sensationellen Erfolg gegen die britische Weltranglistenerste Beau Greaves konnte Noa-Lynn van Leuven nur bedingt genießen. Die 27-jährige Niederländerin, Nummer sechs der Weltrangliste, sieht sich nach ihrem Erfolg in der Women's Series der Professional Darts Corporation (PDC) in Wigan in England nicht nur mit Kritik und Hasspostings in diversen Onlineforen konfrontiert, sie muss auch von ihren Teamkolleginnen einstecken, wie die britischen Medien "Express" und "LBC" berichten.

Van Leuven spielt seit 2022 in der Frauenserie der PDC, mit 17 hatte sie sich einer geschlechtsangleichenden Operation unterzogen und lebt seitdem als Frau. Vor knapp einer Woche hatte sie mit ihrem Turniererfolg auf der Challenge Tour in Hildesheim in Deutschland Geschichte geschrieben: Als erste Transgender-Dartspielerin hat sie nun sowohl in einem gemischten als auch in einem reinen Frauenbewerb der PDC einen Turniererfolg verbucht.

Ihre Teamkolleginnen Aileen de Graaf (33) und Anca Zijlstra (50) sind nun aus Protest aus dem niederländischen Team ausgetreten. Sie haben Zweifel, dass ein Wettkampf mit van Leuven fair sei. Mehr Muckis in den Armen können freilich auch beim Dartsspiel von Vorteil sein, geht es doch darum, mitunter über Stunden immer wieder den Arm zu heben, gezielt zu werfen und dennoch locker zu bleiben. Ein zitternder Arm wäre gewiss nicht von Vorteil.

Zijlstra habe sich geschämt, weiter für das Team zu spielen. Deshalb sei es für sie an der Zeit, einen Schlussstrich zu ziehen. Sie habe versucht, es zu akzeptieren, aber sie könne es nicht gutheißen oder dulden. Sie glaube, dass es im Sport ein gleichberechtigtes und faires Feld geben sollte.

"Leute vergessen, dass ich auch ein Mensch bin"

Van Leuven war daraufhin bemüht, nicht weiter Öl ins Feuer zu gießen. "Ich habe nicht wirklich das Bedürfnis, mich weiter damit zu befassen", wird sie auf "Dartsnews.de" zitiert. Sie versuche, es nicht zu sehr in ihren Kopf eindringen zu lassen. "Es ist sehr schwierig. Es war hart in den letzten zwei Jahren." Das Einzige, was sie bedaure, sei, "dass viele Leute vergessen, dass ich auch ein Mensch bin".

De Graaf bat in einem Facebookeintrag um respektvollen Umgang miteinander und vor allem mit van Leuven: "Wenn ich sehe, was es für Reaktionen gibt, bekomme ich wirklich Angst. Besonders die Art und Weise, wie die Leute über Noa reden, das wünscht man niemandem. Jeder darf eine Meinung haben, aber bitte auf eine respektvolle Art und Weise." Sie gebe zu dem Thema auch keine Interviews, "um keine weiteren Anlässe für respektlose Reaktionen zu bieten".

De Graaf wies den Vorwurf, transphob zu sein, zurück. Sie beruft sich auf "Studien, die zeigen, dass es tatsächlich einen Unterschied gibt." Man solle auch nicht vergessen, wie viele Frauen in den vergangenen Jahrzehnten darum gekämpft hätten, Frauen-Darts eben auch in Abgrenzung zum Männer-Darts zu etablieren.

Nicht auszuschließen, dass sich die PDC nun veranlasst sieht, sich genauer mit der Materie zu befassen, zumal sie sich nicht nur an den Kriterien der Darts Regulation Authority orientiert, sondern auch an jenen des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Zu den zehn wichtigsten Grundsätzen des IOC zählen da nämlich: "keine Vermutung eines Vorteils" und "Inklusion". In den diversen Sportarten gelte es, "unverhältnismäßige Vorteile" auf individueller Basis zu prüfen, um solche unfairen Vorteile zu vermeiden. Genau das will eine Gruppe von 26 Akademikern nun tun. Sie sind der Ansicht, dass die Einbeziehung von Transfrauen in Frauensportkategorien nicht mit Fairness vereinbar ist.

Unterschiedliche Studienergebnisse

Laut Studien des Deutschen Bundestages kommt die Forschung bezüglich der Auswirkungen von feminisierenden Hormontherapien auf die körperliche Leistungsfähigkeit von Sportlern zu unterschiedlichen Ergebnissen. Daher lasse sich derzeit keine valide Aussage über Vor- oder Nachteile von Transsportlern treffen, die sich einer Hormontherapie unterzogen haben.

Allerdings würden Transfrauen nach einem Jahr Hormontherapie sportlich besser abschneiden als Nicht-Transgender-Frauen, weil sie ihre Kraft im Allgemeinen zunächst beibehielten. Nach zwei Jahren würde sich die Leistungsfähigkeit allerdings weitgehend angleichen, wenngleich Transfrauen dann etwa immer noch um zwölf Prozent schneller liefen. Testosteronhemmer würden dem bestehenden Kraftvorteil von Transfrauen zwar entgegenwirken, allerdings werde der muskuläre Vorteil dadurch nur minimal reduziert.

In die Debatte hat sich mittlerweile auch die 18-fache Grand-Slam-Siegerin Martina Navratilova eingeschaltet und eine klare Haltung zum Ausdruck gebracht: "Kein männlicher Körper im Frauensport bitte – nicht einmal im Darts", sagte die Tennisikone, die sich damit in der Transgender-Community bestimmt keine Freunde macht. (honz, 29.3.2024)