René Benko war wohl ein leidenschaftlicher Liebhaber, auch wenn seine Berater das vehement bestritten haben. Es geht natürlich nicht um den Eros, sondern um: das Steuerrecht. Und diesbezüglich wollen so wenige Menschen wie möglich der Liebhaberei zugeordnet werden. Das würde sie nämlich eine Menge Geld kosten. Denn als Liebhaberei fasst das Steuerrecht wirtschaftliche Aktivitäten zusammen, die auch langfristig nicht auf Gewinn ausgelegt sind – diese Verluste können dann nicht von der Steuer abgeschrieben werden.

Trotz zahlreicher anderer Luxusimmobilien machte René Benko das frühere Fünfsternehotel zu seinem Hauptwohnsitz.
Collage: Monika Köstinger; Foto: Imago/Vistapress, APA/Expa

Seine Prunkvilla nahe Innsbruck, das frühere Schlosshotel Igls, hat Benko jedenfalls gern gemocht, Finanzprüfer sagen mittlerweile: Es war Liebhaberei. Trotz zahlreicher anderer Luxusimmobilien machte er das frühere Fünfsternehotel zu seinem Hauptwohnsitz; dort ist seine Familie auch gemeldet.

Mit der Errichtung seiner Residenz begann Benko im Jahr 2016. Damals wurde dafür ein Unternehmen gegründet, die Schlosshotel Igls Betriebs GmbH & Co KG, die letztlich zur Laura Privatstiftung gehört. Nach einigen Diskussionen über das geplante Projekt begann ab 2019 die Errichtung der Luxusvilla. Dabei ging es um ein Projektvolumen von insgesamt rund 60 Millionen Euro. Das Geld für den Ankauf und den Bau bekam diese Villenfirma wiederum von einer anderen Gesellschaft im Umfeld von René Benko geliehen.

Eine teure Liebhaberei?

Bei der Errichtung der Villa wurden Bauleistungen beauftragt und auch bezahlt. Davon hat die Villenfirma dann nach und nach die Umsatzsteuer bei der Finanz geltend gemacht. Und zwar im Wege des sogenannten Vorsteuerabzugs. Also: keine Liebhaberei.

Wenn ein Unternehmen eine Liegenschaft gewerblich nutzt, dann kann es sich schon in der Bauphase die Umsatzsteuer auf die Errichtungskosten bei der Finanz zurückholen. Das erfolgt über die laufenden Umsatzsteuervoranmeldungen. Und das ist hier auch geschehen. Zwischen 2016 und 2023 ließ sich diese Schlosshotel Igls Betriebs GmbH & Co KG so besagte zwölf Millionen Euro an Umsatzsteuern erstatten.

Doch jetzt, nach dem Einsturz der Signa, wird innerhalb der Finanz bezweifelt, ob diese Rückerstattung tatsächlich korrekt war. Da kommt nun doch die Liebhaberei ins Spiel: Dann hätten sich nämlich Vorsteuern nicht abziehen lassen. In einem Fall wie bei René Benko geht es da rasch um Millionenbeträge.

Bislang unbekannte Dokumente, die dem STANDARD und dem Podcast "Die Dunkelkammer" vorliegen, zeigen, dass finanzintern schon spätestens ab 2020 eine Debatte darüber lief, ob die Villa in Igls als Liebhaberei zu bewerten sei.

Gegenüber des Wiener Finanzamts war das Geschäftsmodell der Villenfirma zunächst offenbar so dargestellt worden: Ihre einzige Tätigkeit bestand darin, das Objekt nach seiner Fertigstellung an die Signa Holding zu vermieten. Für zunächst 65.000 Euro Miete im Monat, 15.000 davon für die Möblierung.

Vermietung an die Signa

Die Signa Holding sollte das Objekt dann dem "Dienstnehmer" René Benko zur Nutzung überlassen, dazu machte die Holding auch Repräsentationszwecke und den Betrieb einer Sicherheitseinrichtung geltend. Gemeint sind offenbar Securitys. Dieses Modell ist damals tatsächlich erfolgreich bei der Finanz durchgegangen.

Mit der Errichtung seiner Residenz begann Benko im Jahr 2016.
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Mitte 2020 fiel einem aufmerksamen Finanzbeamten dann auf, dass die ursprünglichen Projektparameter in Igls nicht mehr zu stimmen schienen. 2016 hatten Benkos Berater gegenüber der Finanz eine erste Prognoserechnung für das Igls-Projekt abgegeben, und da war das geplante Investitionsvolumen viel kleiner angesetzt worden, nämlich mit nur rund neun Millionen Euro. Das wurde dann aber um ein Vielfaches übertroffen. Im Juni 2020 stellte der Finanzbeamte fest, dass die Summe aus den veranschlagten Abschreibungen und Zinsen schon damals höher war als die budgetierten Mieteinnahmen. Der Finanzbeamte notierte in einem Vermerk unter anderem Folgendes: "Liebhaberei prüfen".

Hin und Her innerhalb der Finanz

Noch im Oktober 2020 wurde dann auch das Finanzamt für Großbetriebe aktiv. Man begann mit einer Betriebsprüfung von Benkos Villenfirma. Während diese Prüfung anlief, reichte die Villenfirma bei ihrem zuständigen Wiener Finanzamt weiterhin laufend die Umsatzsteuervoranmeldungen ein.

Nun wird es skurril: Ende 2020 beginnt ein E-Mail-Verkehr zwischen dem Wiener Finanzamt und der Großbetriebsprüfung. Das Finanzamt informiert wieder über die einlangenden Umsatzsteuervoranmeldungen von Benkos Villenfirma und darüber, dass Guthaben entstanden seien. Man bittet die Großbetriebsprüfung um Freigaben – und diese erfolgen auch. Zumindest bis Ende 2021.

Mitte Dezember zieht die Großbetriebsprüfung die Freigaben der Umsatzsteuervoranmeldungen dann plötzlich zurück. In einer E-Mail vom 14. Dezember 2021 heißt es, diese könnten nicht freigegeben werden, weil die Villenfirma "nicht alle erforderlichen Unterlagen für die Beurteilung der Zulässigkeit des Vorsteuerabzugs in Bezug auf die Errichtung einer ‚Luxusimmobilie‘ vorgelegt" habe. Die Finanzverwaltung setzte die Verbuchung der Umsatzsteuervoranmeldungen daraufhin aus, die Villenfirma bekam vorübergehend auch keine weiteren Umsatzsteuer-Gutschriften. Zumindest bis zum Herbst 2022 – da wurden die Umsatzsteuervoranmeldungen Ende 2022 wieder freigegeben.

Finanz fürchtete Zinsen

In der internen Dokumentation der Finanzverwaltung steht auch, warum. Die Finanz befürchtete, dass sie die hängengebliebenen Umsatzsteuerguthaben am Ende verzinsen müsse, wenn die Betriebsprüfung im Sinne von Benkos Villenfirma ausgehen sollte. So heißt es in einer internen Mail der Finanz vom 30. August 2022: "Da derzeit nicht absehbar ist, wann ein Abschluss der Prüfung erfolgt bzw. welche Feststellungen getroffen werden, drohen eventuell beträchtliche Zinszahlungen für das Finanzamt (...)." Außerdem gebe es ja Grundstücke, die wertvoll seien. Diese Feststellung sollte nicht gut altern. Nur ein Jahr später war die Liegenschaft nicht mehr unbelastet.

Im Juli 2023 ließ sich die Liechtensteinische Landesbank ein Pfandrecht auf die Liegenschaft im Höchstbetrag von 18 Millionen Euro eintragen. Die Finanz reichte ihren Antrag auf Pfandrechtsvormerkung erst Ende 2023 ein, nach der Insolvenz der Signa Holding.

Laut einem Aktenvermerk des Finanzamts für Großbetriebe vom 7. Dezember des Vorjahres wurde da schon nicht mehr nur die unternehmerische Tätigkeit der Villenfirma angezweifelt. Der zuständige Sachbearbeiter wies auch darauf hin, dass hier "eventuell ein Gestaltungsmissbrauch zur Erlangung eines steuerlichen Vorteils vorliegt".

Warum dauerte diese Prüfung so lange, obwohl schon 2020 erste Zweifel aufkamen? Warum wurden trotzdem noch Rückerstattungen durchgeführt? "Wir dürfen die von Ihnen gestellten Fragen aufgrund der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht nicht beantworten, wofür ich um Ihr Verständnis ersuche", heißt es aus dem Finanzministerium.

Schon weiter ist man bei Benkos ehemaligem Privatjet: Der zählt als Liebhaberei, das entschied die Großbetriebsprüfung vor wenigen Wochen. Vier Millionen Euro werde Benko dafür zurückzahlen müssen, fünf Millionen seien verjährt. Ein Finanzprüfer dazu im U-Ausschuss: Dem Steuerzahler habe Benkos Privatjet also bislang neun Millionen Euro gekostet. Ein ziemlich teurer Liebhaber. (Michael Nikbakhsh, Fabian Schmid, 30.3.2024)