Canoo will elektrisch angetriebene Nutzfahrzeuge produzieren. Am Fortbestand des Unternehmens gibt es aber erhebliche Zweifel.
Canoo

Der US-Elektroautohersteller Canoo (vormals Evelozcity) steckt in argen Geldnöten, wie aus dem nun veröffentlichten Finanzbericht hervorgeht. Auf der Habenseite stehen nur 23 verkaufte Fahrzeuge. Ausgabenseitig bemüht sich das Unternehmen, Produktionslinien aufzubauen, verpulvert aber auch Millionenbeträge, weil es dem Familienunternehmen des Geschäftsführers dessen Reisekosten und noch unbekannte "Dienstleistungen" ersetzen muss.

Zweifel am Fortbestand des Unternehmens

Das börsennotierte Unternehmen gab am Montag sein Betriebsergebnis für das vierte Quartal und das Gesamtjahr 2023 bekannt. Der behördlich vorgeschriebene Bericht zeigt, dass das Unternehmen beim Versuch, eine stabile Serienproduktion zu etablieren, enorme Geldsummen verbrennt. Der Bericht selbst enthält erhebliche Zweifel am Fortbestand des Unternehmens. Ein ähnliches Schicksal ereilte erst kürzlich das US-Start-up Arrival.

Canoo verkaufte 2023 nur 22 Fahrzeuge. Zu den Kunden zählen die Nasa sowie der Staat Oklahoma. Dies führte zu Einnahmen in Höhe von nur 886.000 US-Dollar. Abzüglich der horrenden Kosten blieb ein Nettoverlust von knapp 302,6 Millionen Dollar übrig. Immerhin eine Steigerung gegenüber dem Geschäftsjahr 2022. Damals waren die Einnahmen null, und die Ausgaben lagen bei 506 Millionen Dollar.

Heuer sollen die Einnahmen deutlich ergiebiger sprudeln und werden mit 50 bis 100 Millionen Dollar angegeben. Ob das auch realistisch ist, bezweifelt man offenbar selbst: Das Unternehmen warnt, dass es wegen Geldmangels möglicherweise den Geschäftsbetrieb nicht wird aufrechterhalten können.

Rückerstattung für Flugzeugkosten

Doch warum ist das Unternehmen in eine derartige finanzielle Schieflage geraten? Das US-Onlinemagazin "Techcrunch" hat sich die Bilanzen genauer angesehen und wurde rasch fündig. Die luxuriösen Reisegewohnheiten von Geschäftsführer Tony Aquila dürften ein Mitgrund sein. Dieser ließ sich nämlich die Miete für seinen Privatjet von dem Start-up finanzieren.

Die Masche geht so: Im November 2020 hat Canoo eine Vereinbarung mit den Aquila Family Ventures, einem Unternehmen im Besitz des CEO, geschlossen. Darin wird vereinbart, dass Canoo dem Unternehmen von Aquila die Kosten für die Nutzung eines Flugzeugs zurückerstattet. Folglich gab Canoo im Jahr 2023 rund 1,7 Millionen Dollar für diese Flugkosten aus – also mehr als das Doppelte der generierten Einnahmen. Im Jahr 2022 zahlte Canoo an Aquila Family Ventures 1,3 Millionen Dollar und im Jahr 2021 1,8 Millionen Dollar für die Nutzung des Privatjets.

Das ist aber noch nicht genug. Unabhängig von den Kosten für das Flugzeug zahlte Canoo an die Aquila Family Ventures im Jahr 1,7 Millionen Dollar für die "gemeinsame Nutzung von Dienstleistungen in der Unternehmenszentrale" in Justin, Texas, wie "Techcrunch" berichtet. Was genau sich hinter diesen Dienstleistungen verbirgt, ist unklar. Die Ausgaben sind jedenfalls gewaltig: Im Jahr 2022 überwies Canoo 1,1 Millionen Dollar und 500.000 Dollar im Jahr 2021, wie aus den Unterlagen hervorgeht. Dies könnte man als kleine Geldbeträge verbuchten, wenn Canoo seine Umsatzprognose für 2024 von 50 bis 100 Millionen Dollar erreicht. Weder von Canoo noch von Aquila liegt aktuell eine Stellungnahme vor.

Elektrische Nutzfahrzeuge

Der Elektroautohersteller Canoo wurde unter dem Namen Evelozcity von ehemaligen Managern von BMW und VW gegründet. Der Fokus lag nicht auf flotten Elektrosportwagen, das Unternehmen sollte eher praktische Autos wie Kleinbusse herstellen. Das erste Fahrzeugmodell war ein Van namens Canoo, der auch dem Unternehmen später seinen Namen gab. Das Unternehmen hat auch Lieferwagen wie den LDV im Programm. Fahrzeuge von Canoo sind unter anderem am Kennedy Space Center in Florida im Einsatz, wo sie Astronauten der Artemis-Mondmission von und zur Startrampe bringen.

Der US-Investor Tony Aquila wurde im März 2021 zum CEO des Unternehmens bestellt. Aquila, der italienische und libanesische Wurzeln hat, hat Canoo Risikokapital zugeschossen und war seit 2020 im Vorstand des Unternehmens. (pez, 3.4.2024)