Elfmeterschuss
Giulia Gwinn vollendete Österreichs Unglück vom Punkt.
IMAGO/Steinbrenner

Da war er also: Der große Auftakt in die EM-Quali gegen Wunschgegner Deutschland. 7.500 Fans waren in die Linzer Raiffeisen-Arena gekommen, die Stimmung war schon vor dem Spiel prächtig. Man spürte eine gewisse Anspannung, aber auch Freude ob der feinen Kulisse. Dann war aber Schluss mit nett und cool und schön und lieb. Keeperin Manuela Zinsberger sorgte für Ernsthaftigkeit: Sie peitschte die Elf knapp vor Anpfiff lautstark in einem Teamkreis ein. Das zauberte ernste, konzentrierte Blicke in die Gesichter der Spielerinnen, aber auch ein paar Lächeln.

Teamchefin Irene Fuhrmann hatte Sorgen, musste sie doch mit Sarah Zadrazil und Katharina Naschenweng zwei absolute Leistungsträgerinnen verletzt vorgeben. Die Teamchefin hatte Lösungen: Celina Degen ersetzte Zadrazil im zentralen Mittelfeld, die Frau mit der Maske sollte viel zu tun bekommen. Deutschlands Trainer Horst Hrubesch hatte es sich unbequem gemacht, er lehnte auf einer Sessellehne an der Seitenlinie. Rechts trat Lilli Purtscheller in die großen Fußstapfen von Naschenweng. Und eines vorweg: Purtscheller, gerade einmal 20 Jahre alt, machte ihre Sache vorzüglich, spielte unbekümmert und munter drauf los.

Flotter Beginn

Das erste Ausrufezeichen gab es bereits nach wenigen Minuten, Liverpools Marie Höbinger, Purtscheller und Campbell konnten sich aber nicht zu einem Abschluss bewegen. Die erste gute Chance hatte Degen nach Hereingabe von Hanshaw, ihr Abschluss mit der Innenseite ging knapp übers Tor. Von den Favoritinnen, wir erinnern uns: Deutschland, war in den ersten Phasen des Spiels wenig bis gar nichts zu sehen. In der 8. Minute dann der erste, große Auftritt von Eileen Campbell: Eigentlich schon am Boden, rappelt sich die Freiburg-Legionärin schneller auf als eine Slalomstange, setzt nach, erobert den Ball und trifft staubtrocken aus kurzer Distanz ins kurze Eck. Österreich jubelte ausgelassen, Deutschland war grantig, wachte auf und wütete mit dem Ball in Richtung Österreichs Tor.

Zweimal durfte Österreich jubeln.
IMAGO/Andreas Stroh

Ohne dabei Zinsberger und Co. wirklich gefährlich zu werden. Hrubeschs Spielerinnen wirkten fahrig und mit ungewohnten Fehlern im Spielaufbau. Vor der Partie hatte Mittelfeldspielerin Lena Oberdorf ein körperliches Spiel erwartet. Das spürte in der 14. Minute Höbinger, die im Mittelfeld ordentlich in die Haxen bekam. Den folgerichtigen Freistoß chippte Dunst in den Strafraum, wieder war Campbell zur Stelle, dieses Mal per Kopf: 2:0 Österreich, Campbells zweiter großer Auftritt. Für Hrubesch wurde es auf der Sessellehne immer ungemütlicher.

Die Partie fand immer mehr in die Körperlichkeit. Jeder gewonnene Zweikampf der Österreicherinnen wurde frenetisch bejubelt, Deutschland mühte sich, einen ersten Abschluss von Sjoeke Nüskens hatte Zinsberger sicher. Und weiter: Österreichs Offensivspielerinnen blieben im Pressing giftig, die Defensive stand zunächst sicher. Auch weil Degen ihre Sache als Zadrazil-Ersatz engagiert anging und sich gemeinsam mit Kapitänin Sarah Puntigam gegen das stark besetzte Mittelfeld der Deutschen stemmte. Nach einer halben Stunde war es wieder Nüskens, die mit einem Schuss im Strafraum aber an den Abmessungen des Tors scheiterte.

Auferstehung vor der Pause

Österreich musste offensiv nicht mehr viel Aktives leisten, gefährlich wurde man vor allem immer wieder nach Standardsituationen und wenn Deutschland im Pressing nervös wurde. Und doch waren die Gäste freilich um Kontrolle bemüht, man wollte schließlich nicht zum ersten Mal gegen Österreich Punkte lassen, ja sogar als Verliererinnen vom Platz gehen. Und kurz vor der Pause gelang Klara Bühl das 1:2. Aus der tausendjährigen Geschichte des Fußballs wissen wir, dass Anschlusstreffer vor der Pause super für die Anschlusstreffenden sind. So ist es passiert: Nach einem eher unglücklichen Haken von Defensivspielerin Marina Georgieva wuselte es an der Strafraumgrenze, der Ball kommt zu Bühl, die Zinsberger mit einem starken Abschluss überwand. Deutschland wollte das Spiel in die Hektik zwingen, Österreich wollte in die Kabine. Wenn möglich, mit diesem Zwischenstand. Das gelang.

Deutschland kam mit Engagement und dem Rückenwind von Bühls 1:2 aus der Kabine. Und nahm Fahrt auf: Kurz nach Wiederanpfiff erzielte die Bayern-Angreiferin ihren zweiten Treffer, also den Ausgleich. Das Spiel verlor sich etwas in Zweikämpfen und Fouls. Für Österreich sollte es aber noch schlimmer kommen: Die eingewechselte Laura Freigang zieht alleine auf Keeperin Zinsberger, fällt schließlich über Österreichs Keeperin. Ein Pfiff, ein harter Elfer, den Giulia Gwinn staubtrocken verwandelte.

Mut und Verzweiflung

Wie gewonnen, so zerronnen? Österreich stemmte sich gegen die Niederlage, Laura Feiersinger wurde eingewechselt, ihren scharfen Stangler konnten Gwinn und Frohms entschärfen (66.). Auf der Gegenseite bewahrte Zinsberger ihr Team vor dem 2:4. Es sollte nicht das letzte Mal bleiben: 73. Minute, wieder ist Freigang völlig frei im Strafraum, wieder ist Österreichs Keeperin zur Stelle und hält ihr Team mit einer Glanzparade im Spiel. Ein Spiel, in dem Österreich mit dem näherrückenden Schlusspfiff und dem Mut der Verzweiflung in den Druck fand: Immer wieder segelten gefährliche Bälle in den Strafraum der Deutschen. Für die Crunchtime warf Fuhrmann noch Julia Hickelsberger-Füller, Viktoria Pinther und Nicole Billa ins Geschehen. Schlussendlich blieb es beim Mut, mit dem Schlusspfiff kam die Verzweiflung. Österreich musste sich nach einer 2:0-Führung mit 2:3 geschlagen geben.

Am Dienstag geht es weiter: Die Österreicherinnen treffen auswärts auf Polen, das den Auftakt vergeigte und sich mit 0:3 Island geschlagen geben musste. Beide Teams stehen also unter Druck. (Andreas Hagenauer, 5.4.2024)

Ergebnis der Frauen-Fußball-EM-Qualifikation vom Freitag - Gruppe A4/1. Runde:

Österreich - Deutschland 2:3 (2:1).
Linz, Raiffeisen Arena, 7.500, SR Olofsson (SWE)

Tore: Campbell (9., 16.) bzw. Bühl (39., 49.), Gwinn (63./Foul-Elfmeter)

Österreich: Zinsberger - Schiechtl (64. Feiersinger), Georgieva, Kirchberger, Hanshaw - Purtscheller (80. Hickelsberger-Füller), Degen, Puntigam, Dunst - Campbell (80. Pinther), Höbinger (88. Billa)

Deutschland: Frohms - Gwinn, Doorsoun (46. Schulze Solano), Hendrich, Linder - Lohmann (46. Freigang), Oberdorf, Nüsken - Brand (86. Endemann), Schüller, Bühl (90. Kössler)