Wahlplakate in der Slowakei
Wer macht das Rennen um die slowakische Präsidentschaft?
REUTERS/Eva Korinkova

Bratislava – Die Stichwahl um das Präsidentenamt in der Slowakei ist zu Ende. Ein absoluter Großteil der knapp 6.000 Wahllokale im Land wurde planmäßig um 22 Uhr geschlossen, das Statistikamt begann mit der Stimmauszählung. Umfragen sagten ein knappes Rennen zwischen dem parteilosen Ex-Außenminister Ivan Korcok (60) und dem linksgerichteten Parlamentspräsidenten Peter Pellegrini (48) aus dem russlandfreundlichen Regierungslager voraus. Eine hohe Wahlbeteiligung zeichnete sich ab.

Wie bereits in der ersten Wahlrunde vor zwei Wochen, musste das seit Donnerstag geltende Wahlmoratorium ebenfalls verlängert werden, diesmal allerdings nur um fünf Minuten. "Wir registrieren zwei Wahllokale, die mit einer Verspätung von fünf Minuten geöffnet wurden," sagte der Chef der Wahlkommission Eduard Burda. Damit wird sich auch die Veröffentlichung der ersten Teilergebnisse entsprechend hinausschieben. Das Statistikamt wird die Ergebnisse sofort nach Auszählung in einzelnen Wahllokalen in zehn-Minuten-Takt auf seiner Webseite bekanntgeben.

In der Stichwahl scheint sich eine noch höhere Wahlbeteiligung abzuzeichnen, als bei der ersten Abstimmungsrunde vor 14 Tagen. Mit knapp 52 Prozent hatte sie dabei schon für slowakische Verhältnisse einen Rekordwert erreicht.

Schlangen vor den Wahllokalen

In der Grenzregion zu Tschechien hatten sich am Vormittag Schlangen vor den Wahllokalen gebildet, da viele slowakische Staatsbürger aus dem Nachbarland Tschechien ihre Stimme abgeben wollten. Eine Briefwahl war diesmal nicht möglich. Auch aus der überwiegend von der ungarischen Minderheit bewohnten Südslowakei kamen zuletzt Meldungen über höheres Wählerinteresse.

Rund 4,3 Millionen Wahlberechtigte in der Slowakei waren am heutigen Samstag aufgerufen, ein neues Staatsoberhaupt für die nächste fünfjährige Amtszeit zu bestimmen. Das Ergebnis wird sich aber auch auf den künftigen Kurs des Landes auswirken. Der Sieg im ersten Wahldurchgang vor zwei Wochen ging klar an den von der liberalen prowestlichen Opposition unterstützten Korcok, obwohl Pellegrini lange Zeit als Favorit galt.

Laut einer Anfang der Woche veröffentlichten Meinungsumfrage der Agentur Focus lag Pellegrini mit 50,8 Prozent der Wählerstimmen vor Korcok mit 49,2 Prozent. Die letzte, nur wenige Stunden vor Beginn des Wahlmoratoriums am Mittwoch veröffentlichte Umfrage der Agentur Ipsos sah wiederum Korcok mit 50,1 Prozent hauchdünn vor Pellegrini mit 49,9 Prozent. Eine höhere Wahlbeteiligung würde laut Beobachtern eher Pellegrini in die Karten spielen, denn sein Rivale habe sein Wählerpotenzial zum Großteil schon ausgeschöpft.

Die zwei Kandidaten selbst gaben ihre Stimme am Vormittag ab. Er habe eine ehrliche, transparente Kampagne hinter sich und seine Vision, was er als Präsident tun will, auch genügend präsentiert, meinte Korcok vor einem Wahllokal in der westslowakischen Kleinstadt Senec. "Das wichtigste ist, dass das Land vorankommt," betonte der Ex-Diplomat.

Es wird sehr knapp werden, daher wolle er alle Wähler aufrufen, zu den Urnen zu kommen, sagte sein Gegenkandidat Peter Pellegrini in Rovinka bei Bratislava. Zugleich rief er seine Landsleute zu mehr Toleranz und Ruhe auf; sie sollten aufhören sich gegenseitig zu attackieren, nur weil jemand einen anderen Kandidaten wähle. Es scheine, als ob diese Wahl die slowakische Gesellschaft "noch mehr gespalten hat," beklagte der Sozialdemokrat.

Die Slowakei ist ein stark polarisiertes Land, der Riss geht oft quer durch Freundschaften und Familien. Hinter Korcok steht jener Teil der Gesellschaft, der seit Ende des Vorjahres auch immer wieder zu regierungskritischen Protesten in allen größeren Städten des Landes zusammengekommen ist, besorgt um den Kurs des Landes unter der neuen links-nationalistischen Regierung des Politveteranen Robert Fico.

Viertes Kabinett Fico

Bei der Parlamentswahl im vergangenen Herbst hatte der Linkspopulist ein Comeback geschafft und schon zum vierten Mal eine Regierung gebildet. Politisches Missgeschick und Fehltritte der Vorgängerregierung hatten ihm zurück zur Macht verholfen, zusammen mit der Verbreitung russlandfreundlicher Desinformationen und der Angst, die Slowakei könnte in den Krieg im Nachbarland Ukraine hineingezogen werden. Gleich nach Amtsantritt begann Fico, die Slowakei nach eigenen Vorstellungen zu verändern und immer mehr auf einen autoritären, russlandfreundlichen Kurs nach dem Vorbild Viktor Orbans in Ungarn zu bringen.

Staatliche Militärhilfe an den von Russland angegriffenen Nachbarn stoppte Fico, weil diese nur eine Fortsetzung des Krieges bedeute, während er für Frieden sei, argumentierte er. Er tauschte die Leitung der Polizei und wichtiger staatlicher Behörden aus und leitete im vergangenen Dezember eine umstrittene Justizreform in die Wege, in der die liberale Opposition wie auch die EU-Kommission eine Gefährdung der Rechtsstaatlichkeit in der Slowakei sehen. Auf Antrag der scheidenden Präsidentin Zuzana Caputová hin setzte das Verfassungsgericht Teile der Reform inzwischen vorläufig außer Kraft. Jüngst werden Fico und seiner Regierung auch Angriffe auf die Pressefreiheit vorgeworfen. Das Oppositionslager befürchtet, dass Pellegrini als Präsident nur der verlängerte Arm Ficos im Präsidentenpalast sein werde. Korcok versprach hingegen, ein Gegengewicht zur Regierung zu sein.

Repräsentatives Amt

Faktisch hat der Präsident in der Slowakei überwiegend repräsentative Aufgaben. Seine Bedeutung steigt aber in Krisenzeiten. Er kann etwa ein Expertenkabinett nach seinen Vorstellungen einsetzen, wie es Caputová nach dem Sturz der rechtskonservativen Regierung Eduard Hegers im Vorjahr getan hatte. Sie selbst wollte sich nicht mehr für eine zweite Amtszeit bewerben, auch wegen häufiger Verbalattacken des Regierungslagers gegen sie und ihre Familie.

Erst am allerletzten Tag des Wahlkampfs hatten sich Fico und der dritte Koalitionspartner, der Vorsitzende der rechtsnationalistischen Slowakischen Nationalpartei (SNS), Andrej Danko, voll hinter Pellegrini gestellt. Fico warf Korcok dabei vor, als Präsident "ein zweites Machtzentrum" schaffen und die Regierung zerstören zu wollen. Zuvor war der Rückhalt der Koalitionspartner für Pellegrini eher lauwarm gewesen.

Das Verhältnis zwischen Fico und Pellegrini war nämlich nicht immer friktionsfrei. Als langjähriger Mitstreiter war Pellegrini im Jahr 2018 eingesprungen, als Massenproteste wegen der Ermordung des Journalisten Ján Kuciak den Premier zum Rücktritt zwangen. Zwei Jahre später wurde die Regierung abgewählt, Pellegrini sagte sich danach von Fico los und gründete seine eigene linksgerichtete Partei "Hlas". Bei der jüngsten Parlamentswahl landete sie auf Anhieb auf dem dritten Platz und war Königsmacherin. Pellegrini stellte sich an die Seite seines einstigen Parteichefs und verhalf ihm zur Parlamentsmehrheit.

Pellegrini hofft darauf, das Wählerreservoir der im ersten Wahlgang ausgeschiedenen Kandidaten besser ausschöpfen zu können als Korcok. Neben nationalistischen Wählern umwarb er auch Angehörige der ungarischen Minderheit im Süden des Landes. Ob dies für einen Wahlsieg ausreichen wird, ist nicht sicher.

Aussagekräftige Zahlen werden erst gegen Mitternacht erwartet. (APA, 6.4.2024)