Blick auf Teile eines Umspannwerkes
Nicht nur Gas- und Stromnetze müssen zum Gelingen der Energiewende in Österreich verstärkt und teils neu gebaut werden, dasselbe trifft auch auf Umspannwerke zu (im Bild zu sehen ein Sammelschienentrenner, der sich mit einer Sammelschiene verbindet).
Michael Staudt / Visum / picture

Erneuerbare Energien zeigen in diesem außergewöhnlichen April, was sie zu leisten vermögen. Kaum ein Tag, an dem in Österreich nicht neue Rekorde gebrochen werden, was die Produktion von Strom aus Windkraft oder Photovoltaik (PV) betrifft. Vielfach kann das Potenzial, das da wäre, aber gar nicht genutzt werden. Die Netze zum Abtransport der elektrischen Energie sind schlicht zu schwach. Das soll sich in den nächsten Jahren ändern – nicht zuletzt dank des integrierten österreichischen Netzinfrastrukturplans (ÖNIP), der nun in der finalen Fassung vorliegt.

Infrastrukturministerin Leonore Gewessler (Grüne) sprach am Montag bei der Präsentation des ÖNIP von nicht weniger als einem "Meilenstein", der endlich gesetzt sei. Damit werde erstmals ein integrierter Blick auf das gesamte Energiesystem gerichtet, auf Erzeugung, Verbrauch, Speicherung und Flexibilität für Strom wie für Gas.

Kunden zahlen

Die Kosten für die Adaptierung der Netzinfrastruktur, die für das Gelingen der Energiewende weg von fossilen, hin zu erneuerbaren, emissionsfreien Energien unabdingbar ist, sind hoch: in Summe rund elf Milliarden Euro. Davon entfallen etwa neun Milliarden auf das Stromnetz und etwa zwei Milliarden Euro auf das Gasnetz, durch das in Zukunft vermehrt Biogas strömen und das zumindest in Teilen auch wasserstofftauglich gemacht werden soll. Das Geld wird, wie im Bereich natürlicher Monopole üblich, im Umlageverfahren und zu Tarifen, die von der E-Control als Regulierungsbehörde noch festzusetzen sind, von den Nutzern und Nutzerinnen kassiert.

Unter tatkräftiger Mithilfe und Einbindung externer Experten bis hin zu Diskussionsrunden mit Vertretern der einzelnen Bundesländer sei der Bedarf an Leitungskapazitäten ermittelt worden, die sich aus den angestrebten Ausbauzielen bei erneuerbaren Energien bis 2030 bzw. 2040 ergeben. In etwas mehr als sechs Jahren ab jetzt soll der Strombedarf in Österreich übers Jahr gesehen bekanntlich zu 100 Prozent aus Wind, Sonne, Wasserkraft und etwas Biomasse gedeckt werden. Zum Vergleich: Im ersten Quartal 2024 ist die Stromversorgung in Österreich laut neuesten, von Ministerin Gewessler genannten Zahlen zu 87 Prozent aus Erneuerbaren gedeckt worden. Das war ein kräftiger Sprung gegenüber den Vergleichsquartalen davor, wo im Schnitt nicht mehr als 50 bis 60 Prozent des benötigten Stroms aus erneuerbaren Quellen stammten.

Scharren in den Startlöchern

Sowohl bei der Austrian Power Grid (APG), der für das hochrangige Stromnetz in Österreich zuständigen Verbund-Tochter, als auch bei der Austrian Gas Grid Management (AGGM), die das Fernleitungsnetz im Gasbereich verantwortet und Landesgasgesellschaften mit unterschiedlichen Anteilen als Eigentümer hat, scharrt man in den Startlöchern. Projekte gibt es zuhauf, bisher haben der Rahmen und die rechtliche Absicherung gefehlt, um diese in Angriff zu nehmen. Nun sehe die Lage anders aus, betonten Gerhard Christiner, Vorstandsdirektor der AGP, und Bernhard Painz, Vorstandsdirektor der AGGM. Weil der ÖNIP einer strategischen Umweltprüfung (SUP) unterzogen wurde, sollten die Verfahren bei der Umsetzung der einzelnen Projekte rascher als bisher vonstattengehen.

Das sei ein wesentlicher Unterschied zur umstrittenen Salzburgleitung, die nun im Endausbau ist, bei der zuvor aber rund 20 Jahre lang vor verschiedenen Gerichten gestritten wurde. "Es gab damals keinen ÖNIP, der gezeigt hätte, dass man diese Leitung braucht, um das Stromsystem in dieser Form überhaupt weiterentwickeln zu können", sagte Christiner. Der ÖNIP habe unter anderem Regelungen zum Inhalt, die Planungsprämissen vorschreiben, zum Beispiel, welche Werte einzuhalten sind für elektromagnetische Felder. Christiner: "Das sind Dinge, die uns in den UVP-Verfahren über die Jahre begleitet haben, die uns aber immer wieder in Ehrenrunden gezwungen haben."

Dinge klargestellt

Jetzt seien viele Dinge klargestellt, vor allem das öffentliche Interesse sei fundamental. "Wenn ganz klar dokumentiert ist, dass ein Leitungsprojekt ein überragendes öffentliches Interesse hat, sind sie in einem UVP-Verfahren schon safe beim Einstieg. Wenn sie das nicht haben, ist es schon von Beginn an ein Riesenthema", brachte Christiner die Vorteile, die sich aus dem ÖNIP ergeben sollten, auf den Punkt.

Im Bereich Strom gehe es in erster Linie darum, die im Osten des Landes in den großen Windparks und Photovoltaikanlagen erzeugte elektrische Energie in den Westen zu bringen, wo es die großen Pumpspeicher gibt. Dazu gehören auch der Bau neuer und die Ertüchtigung bestehender Umspannwerke nahe den Erzeugungsstandorten.

Offene Baustellen

Beim Gasnetz geht es vorrangig um die Umwidmung von etwa 1.400 Kilometer bestehender Pipelinestränge für den Transport von Wasserstoff sowie den Bau von zusätzlich 300 Kilometer neuer Leitungen, sagte AGGM-Vorstandsdirektor Painz. Eines der wichtigsten und zeitsensitiven Projekte sei der H2-Collector-Ost. Der soll laut Zeitplan ab 2026 aus Wind- und Sonnenenergie erzeugten grünen Wasserstoff (H2) vom Burgenland Richtung Schwechat und Wien bringen. "Damit das klappt, müssen jetzt alle an einem Strang ziehen", sagte Painz.

Baustellen bleiben in der Regierung trotz des ÖNIP noch einige offen. Dazu gehört nicht zuletzt das Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG), das eine Zweidrittelmehrheit benötigt. Ministerin Gewessler hofft, dass ein Beschluss bis Sommer möglich ist. (Günther Strobl, 8.4.2024)