Corinne (Margot Bancilhon) wird immer tiefer in den Arbeitskampf in der Fabrik hineingezogen.
Corinne (Margot Bancilhon) wird immer tiefer in den Arbeitskampf in der Fabrik hineingezogen.
Arte/Fabien Campoverde

2017 ließ der französische Präsident aufhorchen: "Mein Rat an die Jugend: Lest Karl Marx", sagte Emmanuel Macron ausgerechnet im Lifestyle-Magazin "Elle". Die Empfehlung kam nicht überall gut an, Macron wurde als "fünfter Reiter der Apokalypse" und "unerträglicher Snob" verspottet.

Den Satz stellen die Autoren Thomas Bidegain, Fred Grivois und Valentine Monteil an den Beginn jeder der sechs Folgen von "Machine", ab Donnerstag auf Arte und in der Arte-Mediathek. "Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaften ist die Geschichte von Klassenkämpfen", kann man bei Marx lesen. Bei Corinne Lavasseur (Margot Bancilhon) geht es zunächst um den Einzelkampf. Dass die Revolution des Proletariats die Vereinigung der Massen braucht, ist der ehemaligen Soldatin vorerst noch kein Begriff. Das wird sie noch lernen müssen. Dass im Zweifelsfall die Anwendung von Kung-Fu-Techniken die lebensrettende Lösung sein kann, weiß sie bereits.

Abgehärtete Ex-Soldatin

Vom Einsatz in Uganda abgehärtet, kehrt Corinne nach Saint-Villier zurück, einer französischen Kleinstadt, in der sie aufgewachsen ist. Bis auf das Tonband ihrer verstorbenen Mutter hat sie vorerst keinen Kontakt zur Außenwelt. Ihr einziger Freund ist die Whiskyflasche. Sie sucht Arbeit, findet Arbeit in einer Fabrik, die Elektrogeräte herstellt, zehn Kilometer außerhalb der Stadt. Es herrscht ein raues Klima, Corinne macht das nichts aus. In ihrem Vorgesetzten JP – gespielt vom französischen Rapper Joeystarr – findet sie so etwas wie einen Mentor. JP ist passionierter Radler und Marxist. Corinne, die Kämpferin, lernt – zunächst widerwillig zwar, aber doch – beides.

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Doch der familiengeführte Betrieb steckt in der Krise, eine koreanische Firmengruppe will übernehmen. Der superzivilisierte zukünftige Eigentümer ist schon da, er will kaufen, allerdings ohne Unruhen. Die Belegschaft ist jedoch aufgebracht, Kündigungen drohen, radikale Einsparungen werden befürchtet, gar die Schließung des Werks. Die Gewerkschaft ruft zum Streik auf. Die Stimmung heizt sich auf, Corinne sieht zu, schreitet wenn notwendig ein. Ihre Kung-Fu-Kenntnisse setzt sie gegen Machomänner und gewalttätige Streikbrecher ein. Gleichzeitig ahnt sie nicht, dass sich an anderer Stelle großes Unheil ankündigt.

Proletarier aller Länder

Denn der Geheimdienstmitarbeiter Benoît (Guillaume Labbé) hat eine Rechnung aus der Vergangenheit mit ihr zu begleichen. Geradezu besessen ist er auf der Suche nach Corinne. Mit Marx und der Vereinigung von Proletariern aller Länder hat er wenig am Hut. Er will Corinne, und er will sie tot, davor muss sie jedoch noch lange leiden.

Als Katz-und-Maus-Spiel vor dem Hintergrund eines kapitalistischen Systems bricht "Machine" gleich mit mehreren Traditionen. Die Welt sozial benachteiligter Menschen wird in Serien eher selten als Kulisse für Heldengeschichten genutzt. Das uralte Geschäft "Einer gegen alle" wurde mehrheitlich von Männern übernommen, umso mehr als es darum geht, hart zuzuschlagen. Quentin Tarantino hat mit "Kill Bill" eine Vorlage geliefert, an der sich "Machine" eindeutig orientiert, wie bereits im Vorspann zu erkennen ist, comichaft überhöhte Kampfszenen eingeschlossen. Eine nette Huldigung an David Carradine aus der 1970er-Jahre Serie "Kung Fu" und späterer Bill in "Kill Bill" gibt es in "Machine" auch: Corinne lernt die Kung-Fu-Perfektion wie einst Kwai Chang Caine von einem blinden Kung-Fu-Fighter.

Beim französischen Streamingfestival Seriesmania ging die Serie als Sieger der "French Competition" hervor. "Machine" funktioniert, weil Margot Bancilhon eine hyperaktive Kung-Fu-Artistin abgibt. Viele der Kampfszenen hat die 33-jährige Französin selbst gespielt. Es funktioniert, weil die private Rache vor der Kulisse eines krachenden kapitalistischen Systems zusätzliche Spannung erzeugt und weil es – Pardon – einfach Spaß macht, wenn Corinne die Kerle vermöbelt. (Doris Priesching, 11.4.2024)

Hinweis: Die Autorin nahm als Jurorin am Seriesmania-Festival in Lille teil. Reise und Aufenthalt wurden zum Teil von der Festivalorganisation übernommen.

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