Wer im Spargelgeschäft nicht den Kürzeren ziehen will, darf den grünen und weißen Stangen nicht lange beim Wachsen zusehen. Seit Jahren verlagern Landwirte die Ernte des sensiblen Gemüses zeitlich nach vorn. Eine ausgeklügelte Variation an Folien und Luftpolstern hilft bei der Regulierung der Mengen. Wer den richtigen Zeitpunkt verpasst, riskiert, im Supermarkt von Importware ausgestochen zu werden.

Spargel wächst in Österreich heuer zeitiger denn je. Doch die Konkurrenz aus Deutschland und den Niederlanden schläft nicht.
IMAGO

Verdienen lässt sich mit Spargel zu Beginn der Saison am besten. Neun Euro zahlen Supermärkte Bauern dem Vernehmen nach derzeit fürs Kilo. Je mehr Spargel in den Markt fließt, desto stärker verfallen die Preise. Werden die Kirschen rot und drängen die ersten Pilze in die Regale, ist das Griss um ihn auch schon wieder vorbei.

Spargel seit 150 Jahren

Importe aus Übersee in Schach zu halten gelang Stefan Malafa heuer mühelos. Seit 150 Jahren baut seine Familie im Tullnerfeld Spargel an. Nie zuvor hat sie ihn früher gestochen als heuer. Infolge des warmen Februars fanden sich die ersten Spitzen bereits am 3. März, erzählt Malafa. Zwei Wochen später eröffnete der Betrieb, den er gemeinsam mit seinem Bruder führt, den Hofladen. Statt Mitte Mai erreicht die Produktion bereits diese Woche ihren Höhepunkt. Auf Teufel komm raus lassen sich die Felder dennoch nicht nutzen: Wird Spargelwurzeln über Gebühr Energie entzogen, rächt sich dies im nächsten Jahr.

Malafa betreibt Österreichs größte Landwirtschaft für Biospargel. Gespritzt und gedüngt wird dieser nicht. Robuste alte Biosorten seien resistenter gegen Pilze und Bakterien als konventionelle, sagt der Jungbauer. Der Ertrag sei jedoch geringer, der Aufwand für Ernte und Pflege höher. Verteuert habe sich der Spargel für Konsumenten in den vergangenen Jahren nicht. "Wir haben die gestiegenen Kosten selbst geschluckt." Keiner wolle die Nachfrage gefährden, gelte Spargel doch für viele schon bisher als Luxusprodukt.

Fehlendes Verkaufspersonal

Auf 40 Hektar bauen ihn die Brüder an. Sie beliefern den Lebensmittelhändler Hofer ebenso wie die gehobene Gastronomie. Auch öffentliche Großküchen und private Betriebsküchen, für die der Spargel zuvor geschält wird, legten zusehends Wert auf Bio, sagt Malafa. Wichtigstes Standbein bleibe die direkte Vermarktung. Gebremst wird diese durch starken Personalmangel: Verkaufskräfte für die kurze Saison von drei Monaten zu finden sei schwieriger denn je.

Auf 800 Hektar zieht Österreich quer durchs Land Spargel heran. Der Trend geht zu grünen Stangen, die unter Sonnenlicht wachsen. Ihre Zubereitung ist schlichtweg einfacher. Zu 50 Prozent versorgt sich Österreich mit Spargel selbst. Deutschland deckt den eigenen Bedarf zu 90 Prozent. Neben niederländischen sind deutsche Spargelbauern die schärfsten Konkurrenten für konventionelles Feingemüse der Österreicher. Der Grund dafür sind vor allem niedrigere Personalkosten.

Wettbewerbsnachteile

Deutschland zahlt Erntehelfern höhere Mindestlöhne, erspart sich jedoch einen Gutteil der Lohnnebenkosten. Diese verteuern die Gesamtkosten für jeden Beschäftigten hierzulande um zwei bis drei Euro, rechnet Werner Magoschitz, Obmann des Vereins Marchfeldspargel, vor. Auf den Hektar heruntergebrochen, der pro Saison 800 Arbeitsstunden erfordere, seien das 1.600 Euro. "Dafür könnte ich mir jedes Jahr einen Traktor kaufen."

Stefan Hamedinger, Gemüsereferent der Landwirtschaftskammer, ortet immense finanzielle Nachteile. Österreich verliere bei handarbeitsintensiven Produkten wie Spargel, Erdbeeren, Feldsalat und Gurkerln jeden Monat Marktanteile an Eigenmarken des Handels, die vielfach die Herkunft der Lebensmittel verschleierten. "Die Lohnnebenkosten in der Landwirtschaft gehören gesenkt, und zwar gestern."

Deutschland erlasse diese für 90 Tage. Erntehelfer erhielten mehr bar auf die Hand, die Bauern zahlten weniger. "Das ist unschlagbar." Südtirol wiederum habe sich für 2024 auf einen reduzierten Steuersatz geeinigt. Der Staat begleiche sieben der neun Prozent an Lohnnebenkosten und halte damit Produktion im Land, zieht Hamedinger Bilanz. Österreich hingegen setze seine Betriebe aufs Spiel.

"Gnadenloser Preisdruck"

Klaus Hraby, Chef des Gemüseverarbeiters Efko, schlägt in dieselbe Kerbe. "Wir begehren keine Sonderstellung, wir wollen Chancengleichheit gegenüber Deutschland, nicht mehr und nicht weniger." Österreichs personalintensive Landwirtschaft habe vor allem bei verarbeiteten Produkten explizit Wettbewerbsnachteile.

Importe seien günstiger. Die Herkunft von Lebensmitteln rückte im Handel wie bei Konsumenten in den Hintergrund – was zähle, sei der Preis, sagt Hraby. Er sei 65, nie zuvor habe er derart gnadenlosen Preisdruck auf Lieferanten erlebt. Keine Rede sei mehr davon, als Lebensmittelerzeuger systemrelevant zu sein.

Rund acht Euro netto beträgt der Mindestlohn für Erntehelfer pro Stunde in Österreich. Wenig Verständnis für die Forderung nach geringeren Lohnnebenkosten erntet die Landwirtschaft in der Landarbeiterkammer. Karl Orthaber von der Gewerkschaft Pro-Ge nennt sie einen völlig falschen Zugang, der Sozialleistungen schwäche.

"Illegale Regelung"

Tatsächlich sei die deutsche Regelung, die einst für das Münchner Oktoberfest gedacht gewesen sei, illegal, betont er. Zulässig sei sie nur, wenn der Hauptverdienst der Landarbeiter in ihrem Heimatland erbracht werde, was selten der Fall sei. "Österreich sollte rechtlich gegen Deutschland vorgehen."

Die Branche ist sich gewiss, dass die Frage der Arbeitskosten bis Sommer hitziger denn je diskutiert wird. Entspannung zeichnet sich an anderer Front ab: Der frühe Spargel, der bei günstiger Witterung bis zu sieben Zentimeter am Tag wächst, brachte manche Landwirte zwar kurzfristig in personelle Nöte. Über eklatante Engpässe an Saisonkräften klagen jedoch weniger Betriebe als in den Jahren zuvor.

Der leichtere Zugang zur Rot-Weiß-Rot-Karte und eine Sonderregelung für Arbeiterinnen aus der Ukraine sorgten für mehr Spielraum, ist Hamedinger überzeugt. "Die Politik hat Bürokratismus vereinfacht." Hraby berichtet von Ukrainerinnen, die auf Feldern und Traktoren fehlende Männer ersetzten.

Suche nach Erntehelfern aus Vietnam

Darüber hinaus öffne sich das Tor zu Asien. 50 Menschen, überwiegend aus Vietnam, seien im Vorjahr auf Österreichs Feldern im Einsatz gewesen, schätzt Hamedinger. Heuer rechnet er bereits mit 150 Vietnamesen und Vietnamesinnen, die sich statt auf Reis- auf Gemüsefeldern verdingen.

Auch Spargelproduzent Magoschitz sieht sich heuer erstmals in Vietnam nach Arbeitskräften um. Bisherige Erfahrungen der Landwirte mit ihnen seien sehr gut. "Die Herausforderung ist, sie sechs Monate lang in Österreich zu beschäftigen." (Verena Kainrath, 10.4.2024)