Der Riesenstern Zeta Ophiuchi erzeugt in einer benachbarten Gaswolke eine Schockwelle, rechts als heller Bogen zu sehen. Verantwortlich dafür ist der Sonnenwind. Bei seinem Namensvetter 70 Ophiuchi gelang nun der Nachweis von Sonnenwind.
NASA/JPL-Caltech; NASA and The Hubble Heritage Team (STScI/AURA); C. R. O'Dell, Vanderbilt University

Sonnenwind ist in unserem Sonnensystem ein beherrschendes Phänomen. Die Sonne strahlt nicht nur riesige Mengen Licht ins All, auch ein stetiger Schauer von Teilchen verlässt unseren Heimatstern. Auf Planeten wie der Erde verursachen sie spektakuläre Polarlichter.

Dass diese Lichter an den Polen auftreten, ist kein Zufall, schützen doch die Magnetfelder der Planeten die Äquatorregion, indem sie die Teilchen zu den magnetischen Polen hin ablenken. Auf der Erde ist das entscheidend, denn das Bombardement würde Leben, wie wir es kennen, verunmöglichen. Der Einfluss des Sonnenwinds endet erst weit jenseits der letzten Planeten, wo sich die beiden Voyager-Sonden aufhalten. Dort kommt der magnetische Einfluss des Sonnenwinds zum Erliegen, und der interstellare Raum beginnt.

Nachweis auf benachbarten Sternen

Dass auch andere Sterne etwas wie Sonnenwind besitzen, ist schon seit langer Zeit klar. Bei Riesensternen lässt sich die Wirkung des Sonnenwinds auf umgebendes Gas etwa mit Infrarotteleskopen spektakulär abbilden.

Doch mehr über den Sonnenwind sonnenähnlicher Sterne herauszufinden erwies sich als schwierig. Sonnenwind besteht hauptsächlich aus Protonen und Elektronen, den Bestandteilen von Wasserstoffatomen, aus denen auch die Sterne hauptsächlich bestehen. Sie üben keine starke Wirkung auf das die Sterne umgebende Gas aus, die irgendwelche nachweisbaren Effekte hervorrufen würde.

Einer Forschungsgruppe um die Astrophysikerin Kristina Kislyakova von der Universität Wien gelang es nun allerdings, auf Umwegen den Einfluss des Sonnenwinds sonnenähnlicher Sterne nachzuweisen, wovon eine neue Studie im Fachjournal "Nature Astronomy" berichtet. Das Team nutzte die Tatsache, dass der Sonnenwind in geringer Menge auch schwerere Elemente wie Sauerstoff und Kohlenstoff enthält, und konnte damit auch die Intensität messen.

Drei Sterne

Kislyakova konzentrierte sich auf drei sonnenähnliche Sterne, die sich in relativer Nähe zur Erde befinden. Sie heißen 70 Ophiuchi, Epsilon Eridani und 61 Cygni. Die Daten stammen vom Weltraumteleskop XMM-Newton.

Im Sonnensystem sei die Interaktion von Sonnenwind mit Planeten, Kometen und der Heliosphäre beobachtet worden und biete quasi ein natürliches Labor, um dessen Zusammensetzung zu untersuchen, erklärt Kislyakova: "Die Beobachtung dieser Emission von weit entfernten Sternen ist aufgrund der Schwäche des Signals sehr viel schwieriger. Außerdem ist es aufgrund der Entfernung zu den Sternen sehr schwierig, das von der Astrosphäre ausgesendete Signal von der tatsächlichen Röntgenemission des Sterns selbst zu trennen."

Aufgrund technischer Schwierigkeiten in der Röntgenastronomie, die das Signal über das Sichtfeld verschwimmen lassen, musste ein Algorithmus gefunden werden, der das Signal des Sterns von dem aus dessen Umgebung herauslöst.

Links ein dunkles, verrauschtes Bild mit einem Punkt in der Mitte, das den Stern darstellt, rechts ein Spektrum mit einem deutlichen Peak bei niedrigeren Energien von 0,4 keV
Ein Röntgenbild des Sterns 70 Ophiuchi. Rechts ist das Spektrum dargestellt, das zeigt, welche Energie die Röntgenphotonen typischerweise haben. Die blaue Linie zeigt die Röntgenstrahlung, die vom Stern stammt. Der rote Peak auf der linken Seite stammt vom Sonnenwind, der auf das Gas um den Stern trifft.
Kislyakova et al. Nature Astronomy, 10.1038/s41550-024-02222-x, 2024

Spuren von Sauerstoffatomen

Auf diese Weise ließ sich nachweisen, dass Sauerstoffatome des Sonnenwinds mit Material um die Sterne wechselwirkten. Genauer gesagt handelt es sich um Ionen, also Sauerstoffatome, denen einige Elektronen fehlen. Sie entreißen dem interstellaren Medium Elektronen und erzeugen so die Röntgenstrahlung.

"Dies ist das erste Mal, dass Röntgen-Ladungsaustausch-Emission von Astrosphären solcher Sterne nachgewiesen wurde", freut sich Kislyakova. "Die von uns geschätzten Massenverlustraten können als Maßstab für Sternwindmodelle verwendet werden und erweitern unsere begrenzten Beobachtungsdaten für die Winde von sonnenähnlichen Sternen."

Ihr Kollege Manuel Güdel von der Universität Wien betont, dass es bisher nur indirekte Nachweise dafür gab. "Seit drei Jahrzehnten gibt es weltweite Bemühungen, das Vorhandensein von Winden um sonnenähnliche Sterne nachzuweisen und ihre Stärke zu messen", sagt Güdel. "Unsere neuen röntgenbasierten Ergebnisse ebnen den Weg, diese Winde zu finden und sogar direkt abzubilden und ihre Wechselwirkungen mit den umliegenden Planeten zu untersuchen."

Warten auf neues Teleskop

In Zukunft soll eine neue Weltraummission noch genauere Beobachtungen möglich machen. Die Rede ist vom X-IFU-Spektrometer der europäischen Athena-Mission, einem Weltraumteleskop der europäischen Weltraumagentur Esa. "Die hohe spektrale Auflösung von X-IFU wird die feinere Struktur und das Emissionsverhältnis der Sauerstofflinien auflösen", sagt Co-Autorin Dimitra Koutroumpa. Bisher seien diese schwer zu unterscheiden. So werden auch Informationen über den Mechanismus gewonnen werden können, der den Sonnenwind ausstößt. (Reinhard Kleindl, 12.4.2024)