Blick durch vergittertes Fenster auf den Hof einer Justizanstalt. 
Zum zweiten Mal in gut vier Monaten sitzt ein Angeklagter vor Gericht, der derzeit in einer Justizanstalt (im Bild die JA Josefstadt) seine Strafhaft verbüßt.
APA / HELMUT FOHRINGER

Wien – "Wir kennen uns!" ist einer der Sätze, die man in einem Gerichtssaal eher ungern aus dem Mund eines Richters oder einer Richterin hört, vor allem, wenn man der Angeklagte ist. Richter Stefan Renner begrüßt auf diese Weise Herrn T., hat er den 31-Jährigen doch erst im Dezember wegen Stalkings und schwerer Körperverletzung verurteilt. Zwei Jahre unbedingte Haft gab es damals, das Oberlandesgericht hat die Strafe auf drei Jahre erhöht, da der Angeklagte bereits fünf Vorstrafen zu Buche stehen hatte. Nun werden weitere Delikte verhandelt, die sich vor der jüngsten Verurteilung ereigneten, weshalb es für T. um eine Zusatzstrafe geht.

Die Staatsanwältin wirft dem Arbeitslosen unter anderem Erpressung, beharrliche Verfolgung und gefährliche Drohung vor. "Der Hintergrund ist die Trennungsproblematik mit seiner Ex-Freundin", erklärt Verteidiger Florian Kreiner dazu. Dieses Beziehungsende war schon der Grund der jüngsten Verurteilung. Nachdem es aus war, soll es noch einen Streit um Geld gegeben haben.

T. war der Ansicht, dass die Ex-Freundin ihm noch 5.000 Euro schuldete. "Ihr neuer Partner sagte aber, dass Finanzielle solle über ihn geregelt werden", referiert der Rechtsvertreter. Der Angeklagte machte das nicht direkt, sondern verfolgte einen Bekannten des neuen Lebensgefährten von Mai bis August beharrlich und wollte über diesen zum Geld. Nicht im üblichen geschäftlichen Tonfall: Er werde ihm zeigen, wer ein Mann sei; er werde ihn ficken; er werde von ihm auf jeden Fall ein oder zwei Watschen bekommen, drohte der Angeklagte.

"Ich mache mit euch Kopfschuss"

Auch den Arbeitgeber der Ex-Freundin bedrohte der derzeit in Strafhaft sitzende 31-Jährige. "Ich habe keine Angst vor euch, ich töte euch alle. Ich komme nicht aus dem Balkan so wie ihr alle, ich komme von woanders. Ich mache mit euch Kopfschuss und flüchte in mein Land, wo ich herkomme. Ihr könnt mir alle nix machen. Ich ficke euch alle", beschied er, was ein wenig verwirrend ist, da T. die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt.

Seine Fertigkeiten in Deutsch und internationalen Beziehungen versuchte er dann am 20. September illegalerweise beim Sprachinstitut "Club für interkulturelle Begegnung" einzusetzen. T. erschien dort mit dem Ausweis eines anderen, um in dessen Namen die "Integrationsprüfung" abzulegen. Die Mitarbeiter der Einrichtung verglichen jedoch die Unterschriften auf den Ausweisen mit jenen auf der Anwesenheitsliste, wodurch die Sache aufflog.

Der Angeklagte bekennt sich zu allen Punkten schuldig und gibt sich reuig. "Ich weiß nicht, ob Sie mir das glauben, aber ich habe mein Leben selbst kaputtgemacht", erzählt T. dem Richter. Oder: "Ich bin schuldig, und find auch, dass ich dafür die Verantwortung habe. Ich will auch meinen gelernten Beruf weitermachen, wenn ich rauskomm", kündigt der in Calvin-Klein-Pullover und Lacoste-Sneakers erschienene Angeklagte an. "Schaun S', ich höre viel – Sie selbst müssen sich beweisen", reagiert Renner abgeklärt.

Gesamtstrafe dreieinhalb Jahre

Der schließlich rechtskräftig eine Zusatzstrafe von einem halben Jahr für insgesamt dreieinhalb Jahre Haft verhängt. Positiv merkt der Richter an, dass T. im Vergleich zu Dezember nicht mehr herumgeredet habe, sondern geständig gewesen sei. "Ich hoffe, ich seh Sie hier nicht mehr", wünscht Renner sich am Ende. "Und ich wollte mich bedanken, dass Sie mir nochmals eine Chance gegeben haben", erwidert im Gegenzug der Angeklagte artig.

Wie realistisch der Wunsch und wie aufrichtig der Dank ist, steht in den Sternen. Denn als die nicht benötigten Zeugen in den Raum gebeten werden, um ihre Zeitbestätigungen in Empfang zu nehmen, hört man Erstaunliches. "Er hat zu mir gesagt: 'Wir sehen uns, wenn ich rauskomme!'", erzählt einer der Geladenen dem Richter. Ein Zweiter berichtet, der Verurteilte habe beim Vorbeigehen Kussgesten in seine Richtung gemacht. Da Renner nicht mehr zuständig ist, kann er den Männern nur raten, eine neue Anzeige bei der Polizei zu erstatten und die Justizwachebeamten als Zeugen anzuführen. (Michael Möseneder, 16.4.2024)